Spionage - Hl. Koloman

Eine Annäherung

Es waren unruhige Zeiten. Der Landesherr und spätere Kaiser lag im Zwist mit dem Polenkönig, Heinrich II. Liudolfinger und Boleslaw I. Chrobry hießen die beiden. Der eine hatte den anderen eingeladen, der Gast kam mit Müh und Not mit dem Leben davon. Gastfreundlich, diplomatisch und protokollarisch war das ein Debakel, rechts- und sittenwidrig. So was sät Zwietracht, dann auch noch die Geschichte mit Böhmen und die Konflikte mit den ungarischen Nachbarn. In Wirklichkeit aber war alles noch viel verzwickter.

Zur gleichen Zeit machte sich im fernen Irland, dem Reich des Königs Brian Boruma Mac Cennétig (die Brian Boru Harp ziert das irische Wappen), ein Pilger auf den Weg ins Heilige Land. Zu den heiligen Stätten in Jerusalem wollte der Mann namens Koloman wallfahrten (das kollektive Reisen als Kreuzzugs-Gesellschaft kam erst später auf). Er soll ein frommer Mönch gewesen sein, ein Wanderprediger, manche meinen, der Königsohn. Wir wissen es nicht. Jedenfalls kam er auf seinem Weg die Donau entlang durch das Heilige Römische Reich und die Babenberger Mark in die Gegend von Stockerau.

Wenn sich seine Herkunft aus Schottland als richtig erweisen sollte, ändert das auch nicht viel.

Die Menschen damals waren allem Fremden gegenüber misstrauisch. Es waren unruhige Zeiten. Was mochten Unbekannte im Schilde führen? Was weiß ein Fremder? Fremde kamen selten in friedlicher Absicht. Koloman war ein Fremder. Und Koloman war mit einem beträchtlichen Mangel auf Reisen gegangen. Er beherrschte die Sprache der Stockerauer nicht. Und dass er nicht wie ein Bauer aus der Umgebung aussah, das können wir uns denken.

Man hat einige Mühe aufgewendet, ihn zum Sprechen zu bringen. Auch mit Mitteln, die unter zivilisierten Menschen auch damals nicht gebräuchlich waren. Aus Sicht der Kommission, die die Befragung durchführte, musste er reserviert, verstockt, unkooperativ erscheinen. Geheimnisträger sind so, Spione, alle, die etwas zu verbergen haben. Da liegt der Verdacht sofort nahe und kurzer Prozess.

Und weil gerade zwei Räuber hinzurichten waren, hängte man den Fremden gleich dazu. Das war am 17. Juli 1012 oder an einem anderen Tag, ganz gewiss ist das nicht. Jedenfalls bediente man sich als Aufhängevorrichtung einer dürren Hollerstaude, mehr schon ein Baum, er steht heute noch, wenn´s wahr ist. Die Rechtsvorschriften damals sahen in derartigen Fällen eine Beerdigung nicht vor. Schindanger nannte man diesen grauenhaften Ort, auch tote Tiere wurden dort abgelegt.

Koloman wird zur Legende

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Fall 2: Koloman aus dem Stift Melk
Was dann geschah, darüber gehen die Berichte auseinander. Das ist bei Legenden nicht unüblich. Der eine hat dies gesehen, der andere das, und ein wenig Dichtung kommt über die Jahre auch noch dazu. Jedenfalls ereigneten sich bald seltsame Dinge. Ein Kind genas, nur durch das Einreiben mit Blut und Gewebe Kolomans. Rumald, der Kindsvater erträumte diesen Heilbehelf, dessen Anwendung wurde ihm empfohlen oder aufgetragen, genau wissen wir es nicht.  Davor war einem Jäger aufgefallen, dass aus dem Leichnam immer noch Blut floss, sobald man ihn anstach. Eineinhalb Jahre waren seit Kolomans Martyrium vergangen, der Tote verweste nicht, der dürre Baum und die Liane, aus der der Strick gedreht war, trieben aus.

Die Landbevölkerung kann mitunter überraschend spontan sein, wenn es um die Aufwertung des eigenen Fleckens geht, auf dem sie ansässig ist. Mirakel eignen sich für solche Anlässe ganz vortrefflich. So geschah es, dass der Wunder-Koloman ohne viel Aufhebens und Umschweife als Heiliger verehrt wurde.

Es sprach sich herum, dass selbst das Hochwasser der Donau vor dem Hingerichteten Halt machte. Das begann nun auch den Markgrafen zu interessieren. Heinrich wurde er genannt und seine Mark Ostarrichi. Der treue Gefolgsmann des Kaisers setzte als Reichsbeamter eine Untersuchungskommission ein, holte den „Justizirrtum“ zu sich in die Melker Residenz und ließ Koloman schließlich am 13. Oktober 1014 einsegnen und begraben. Der Geistliche Herr war der Bischof Megingaud von Eichstätt, ein Verwandten des eingangs erwähnten Heinrich.

Was ist aus dem irischen Pilger unter Spionageverdacht geworden?

Die Jahre, Jahrzehnte, Jahrhunderte verstrichen. Im Jahr 1244, es war der 13. Oktober, der Tag seiner Grablegung, wurde der Kolomanitag ausgerufen. Und Koloman als Landespatron von Österreich ob und unter der Enns, Ober- und Niederösterreich, eingesetzt. Das blieb 419 Jahre lang so, bis er aus politischen Überlegungen sein Amt 1663 an den Heiligen Leopold weitergeben musste. Heute ist er noch Schutzpartron von Stift und Stadt Melk und, Ironie der Geschichte, von Stockerau.

Kaiser Rudolf IV. veranlasste beim Umbau des Stephansdoms die Berücksichtigung des Kolomani-Steins, über den das Blut des Heiligen geflossen sein soll. Der Stein befindet sich im Kircheninneren und hat durch die unaufhörliche Berührung Wundergläubiger mittlerweile eine beträchtliche Delle.

Kolomanikirtag 2019, Foto: Hans-Joachim Alscher
Kolomanikirtag 2019, Foto: Hans-Joachim Alscher
Seit 1451 wird in Melk der Kolomanitag als Kirtag zelebriert. In gewisser Weise war dieser Kirtag Bestandteil eines Wiederaufbau-Programms. Nach einem verheerenden Brand verlieh Friedrich III. den Melkern ein Jahrmarktprivileg, von dem sie bis heute Gebrauch machen. Heuer fiel er auf einen Sonntag. Das Motiv für das Privileg könnte durchaus auch ein anderes gewesen sein.

Um das Jahr 1515 hat Albrecht Dürer einen Holzschnitt geschaffen, der acht österreichische Heilige zeigt, darunter den Heiligen Koloman neben seinem Widersacher in Patronatsangelegenheiten, Leopold.

In Stockerau wurde 1643 von Franziskanern am Ort der Hinrichtung das Kloster Sankt Koloman gegründet. Seit 1912 ist es Sitz der Provinzleitung der Congregatio Servarum Spiritus Sancti (SspS),  besser bekannt als die Steyler Missionsschwestern, die sich die Ausbildung für Sozialberufe angelegen sein lassen.

Geweiht sind ihm die Burgkapelle Aggstein in der Wachau, die Pfarrkirche Laab im Walde (im Wienerwalde) und noch ein paar andere.

Nach ihm benannt ist der Kolomani-Stein in Eisgarn. Ein Rundweg, der Kolomaniweg, führt von Eisgarn Richtung Groß-Radischen, bei der B5 Richtung Reitzenschlag und vor Loimans zurück nach Eisgarn (Länge: 3,71 km, Höhenmeter: 22)

Der ungarische Vorname Kálmán ist ident mit Koloman, ebenso der Familienname Kollmann. Prominente Namensträger sind Kolo(man) Moser, Maler (1868-1918), Otto Koloman Wagner (1841-1918), Architekt und Koloman Wallisch (1889-1934), sozialistischer österreichischer Politiker, hingerichtet durch den Strang. Ob sich der Familienname des Freejazz-Saxophonisten Ornette Coleman (1930-2015) auf den Heiligen bezieht oder ob überhaupt ein Zusammenhang besteht, kann nicht gesagt werden.

Kolomea am Pruth, eine Bezirksstadt des alten Österreich-Ungarn in Galizien, ist nach ihm benannt.

Mit „Heiliger Koloman, schick´ mir ein´ braven Mann“ kann er bei Bedarf um Unterstützung angerufen werden.

Er wurde offiziell nie kanonisiert. Wobei man sagen muss, dass das Verfahren der päpstlichen Heiligsprechung erst 1170 eingeführt wurde. Zur Ehre der Altäre wurde er durch Verehrung der Gläubigen.

Heute ist er Schutzpatron der Reisenden, des Viehs, aber auch gut gegen Pest, Feuersbrunst und Mäuseplage sowie alle Kopfbeschwerden. Als Patron der Gehängten ist er hoffentlich noch längere Zeit entbehrlich. Seine Attribute sind Mantel, Hut und Pilgerstab, dazu noch eine Schlinge. 

Er ist Fall Nummer 2 in der Ausstellung „Spionage! 39 Fälle (6. September 21019 bis 19. Jänner 2020)

Text: Gerhard Hintringer
Fotos: Theo Kust (in der Rolle des Koloman: Florian Müller), Hintringer, Hans-Joachim Alscher

Zur Ausstellungs-Architektur:
https://www.museumnoe.at/de/das-museum/blog/spionage-die-architektur

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