Matrosenaufstand

© Buchcover von Bruno Frei, Die Matrosen von Cattaro
Verlag der Wiener Volksbuchhandlung

Der Informant von CattaroPortraitfoto Peter Paral

Es ist naheliegend, zu Themen zu forschen, zu denen man einen persönlichen Bezug hat. Aber natürlich ist es ein Gebot der wissenschaftlichen Transparenz, diesen auch zu deklarieren. Nun gut, der Protagonist der folgenden historischen Episode, die kaum Eingang in die großen Geschichtsbücher gefunden hat, ist mein Urgroßvater Peter Paral.

 

Der Pauser

Portrai Luise ParalGeboren am 22. Februar 1892 im damals tschechischen Gmünd als Sohn eines Bahnbeamten, lernte er den Beruf des Schlossers und baute sich in Wien Kaisermühlen und später in Wien Favoriten mit seiner Frau Luise Paral (geborene Schwab) eine Existenz als Planpauser im E-Werk in der Mariannengasse im neunten Wiener Gemeindebezirk eine Existenz auf. Sein Zwillingsbruder Paul war jung verstorben. Das gezeichnete Portrait stammt von seinem graphisch offensichtlich sehr begabten Sohn Helmut. Soweit keine ungewöhnliche Biographie.

Der Matrose

Ungewöhnlich zu dieser Zeit war es auch nicht, als Soldat im Ersten Weltkrieg eingezogen zu werden. Fast alle MZeichnung Peter Paral von änner zwischen 18 und 50 Jahren wurden einberufen, so auch Peter Paral als Quartiersteuermeister auf der „Gäa“, einem Schiff mit rund 1.000 Mann Besatzung, das in der strategisch wichtigen Bucht von Cattaro (Kotor, Котор, heute Montenegro), zusammen mit insgesamt 40 Schiffen vor Anker lag. Die nun geschilderten Ereignisse sind auf Stunde und Tag genau 100 Jahre her. Der Erste Weltkrieg tobte seit vier Jahren und forderte bereits Millionen Opfer. Während sich die Matrosen auf den Schiffen mehr und mehr mit verdorbenem Essen zufrieden geben mussten, hofierten die Offiziere ihre Familien in den noblen Offizierskasinos. In den kroatischen Buchten gab es nicht viele Kampfhandlungen. Umso mehr war man kriegsmüde und wollte nach Hause. Beim Landgang in den Tavernen wurde entsprechend politisiert. Es war Zeit, etwas zu ändern.

Drei Tage Hoffnung

Am 1. Februar 1918 um 12.00 Uhr feuerte das Admiralsschiff „St. Georg“ einen Kanonenschuss ab und hisste eine rote Flagge. Die Mannschaft hatte die Offiziere entwaffnet. In wenigen Minuten schlossen sich alle 40 Schiffe der Bucht mit rund 6.000 Mann Besatzung an. Die Entwaffnung gelang fast ohne Blutvergießen, nur auf der „St. Georg“ wurde ein Offizier erschossen. Der Matrosenrat, der nun die Kontrolle über die Schiffe übernommen hatte, formulierte seine Forderungen zur Beendigung der Meuterei: Die Matrosen forderten Maßnahmen zur Erreichung eines sofortigen Friedensschlusses, Selbstbestimmung der Völker, gleiche Urlaubsrechte für Stab und Mannschaft, gleiche Verpflegung, Abschaffung der Briefzensur oder die Berechtigung, in der Eisenbahn auch in der ersten oder zweiten Klasse zu fahren, um nur einige zu nennen. Gleichzeitig betonte man im Falle eines feindlichen Angriffs, das Kommando sofort wieder an die Offiziere zu übergeben. Man wollte keinen Treuebruch begehen. Die Antwort erfolgte schnell und klar: Die Meuterei solle sofort beendet werden, andernfalls drohte man mit einem Angriff durch Landbatterien, U-Boote und zur Hilfe beorderter Schiffe. Ein Ultimatum wurde mit 15.30 festgelegt und verstrich folgenlos. Das nächste Ultimatum wurde für den 3. Februar um 10.00 verkündet.

Vier Todesurteile

Als am 10. Februar 1918 drei Schiffe aus Pola (Pula, heute Kroatien) eintrafen, um die Meuterei zu beenden, verließ die Matrosen der Mut. Nach einem kurzen Batterieangriff vom Land aus, bei dem ein Matrose gestorben war, wollte niemand mehr ausschließen, dass das die neu angekommenen Schiffe ihre Waffen tatsächlich gegen die eigenen Menschen richten würden. So übergaben die Matrosen nach und nach gegen Zusicherung von Straffreiheit das Kommando wieder an die Offiziere. Peter Paral warnte, dass dies nur leere Versprechen sein und ließ sich erst durch einen angehaltenen Revolver eines Kameraden entwaffnen. Die Redelsführer konnten mit einem Wasserflugzeug flüchten: 40 Matrosen landeten dennoch vor dem Standgericht, vier Todesurteile wurden sofort vollstreckt. In der Stadt von Cattaro erinnert heute daran eine Steintafel. Peter Paral kam in Italien ins Gefängnis, sein Verfahren und das von 35 weiteren Matrosen kam zu keinem Abschluss, da zuvor die Monarchie zu Ende ging. 1920 wurde das Verfahren endgültig aboliert. Von Krieg und Gefangenschaft schwer gezeichnet und magenkrank musste er 1944 in den zweiten Krieg einrücken und starb 1955 im Alter von 63 Jahren.

Zwei Bücher, ein Theaterstück, ein Film

Buchcover Bruno Frei

Einem Autor namens Bruno Frei ist es zu verdanken, dass diese historische Episode nicht in Vergessenheit geriet. 1927 verfasste er erstmals ein Buch mit dem Titel „Die roten Matrosen von Cattaro – Eine Episode aus dem Revolutionsjahre 1918“, das im Verlag der Wiener Volksbuchhandlung erschienen ist. Der Titel lässt es schon erahnen: Er verortet die historischen Ereignisse in seiner sozialistischen Ideologie, eine Tatsache, die einen politisch offensichtlich anders gepolten Leser in einem Exemplar des Buches zu vielen bissigen Kommentaren veranlasste. Ob das der Grund für den Konflikt gewesen ist oder ein anderer, mündlich überliefert ist jedenfalls, dass es zwischen Bruno Frei und Peter Paral aufgrund des Buches zu einem Handgemenge gekommen ist. Das ist vermutlich auch der Grund, warum Peter Paral im Buch aus dem Jahr 1927 häufig als Quelle genannt wird, in der zweiten Auflage des Buches nach seinem Tod im Jahr 1963 („Die Matrosen von Cattaro“, Globus Verlag Wien) mit keinem einzigen Wort mehr erwähnt wird. Der Autor Bruno Frei deklariert sich im Vorwort des zweiten Buches jedenfalls, sich vom Sozialisten zum Kommunisten gewandelt zu haben. Ebenso politisch verortet ist das auf dem Buch basierende Theaterstück von Friedrich Wolf und die auf Basis des Theaterstücks in den 1960er-Jahren entstandene Verfilmung, der man die aristotelische Theatervorlage in der DDR-jugoslawischen Ko-Produktion durchaus anmerkt. In beiden Auflagen ist das Buch von Bruno Frei natürlich längst vergriffen. Jeweils ein Exemplar befindet sich im Kriegsarchiv des Österreichischen Staatsarchivs und das Exemplar der ersten Auflage enthält die oben beschriebenen Beschmierungen.

Text: Mag. Florian Müller
Fotos und Zeichnung: © privat
Buchcovers: © Verlag der Wiener Volksbuchhandlung © Globus Verlag Wien

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