Papiermühlen in Niederösterreich

550 Jahre Papiererzeugung in Österreich

Anlass für die Blogbeiträge im August und jetzt im September ist ein Jubiläum: Vor 550 Jahren wurde die erste Papiermühle in Niederösterreich genannt: Im Kopialbuch (= Sammlung von Urkunden in Abschriften) des Chorherrenstiftes St. Pölten findet sich zum 16. Juli 1469 in einer Auflistung von Mühlen und Wasserwerken an der Traisen der Eintrag „des Nemptschi hadermul“ – die Hadernmühle des Nemptschi. Dieser „Nemptschi“ war Georg Niempsi, der sich seit 1444 in Urkunden des Stiftes St. Pölten findet.

Die Wasserkraft der Traisen wurde ja schon seit Jahrhunderten zum Antrieb von Mühlen genutzt. 1108 entstand hier die älteste Mühle „im Prüll“ – Prüll war die ostseitige Uferlandschaft der Traisen bei St. Pölten. Die Papierproduktion war in den ersten Jahrzehnten sicher nicht besonders groß, die Qualität war vermutlich auch nicht gut, denn die Stadt St. Pölten kaufte auch noch im 16. Jahrhundert weiter Papier auswärts ein. 1579 erwarb die Stadt dann eine Mühle  „enhalb der Traisen“. Dort entstand nun die „obere Papiermühle“, die zunächst an den gelernten Papiermacher Andre Perner verpachtetet wurde.

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Abb.1: Wasserzeichen der „oberen“ Papiermühle vor 1584 (aus: Die Geschichte der Papiermühle in Stattersdorf. 1948)

Nach dessen Tod verkauft die Stadt die Mühle an den Papierer aus Steyr Mathäus Wurmb (Wurm). Die Besitzer der Mühle wechselten in der Folge häufig. Hochwässer der Traisen fügten der Anlage immer wieder schwere Schäden zu. Ab 1731 hatte dann die Familie Purtscher mehrere Generationen lang die obere Papiermühle inne. Der Name Purtscher war kein unbekannter. Er taucht an verschiedenen Orten in Niederösterreich immer wieder als Papiermacher auf: in Rosenburg am Kamp, Ober-Eggendorf, Oberbrühl bei Weitra, Rehberg bei Krems und Leesdorf. Bei Ignaz Purtscher arbeiteten 1759 8 Gesellen und 2 Lehrjungen, der Papiervorrat belief sich in diesem Jahr auf 200 Zentner Post- und 600 Zentner sortierte Strazzen (=Kladde). In der Mühle war ein „Holländer“ (Maschinen zum Zerstampfen der Hadern) aufgestellt. 1798 ging Purtscher in Konkurs und Kaspar Salzer erwarb gemeinsam mit Josef Ferdinand Edler von Pankenau die Papiermühle um 15.400 fl.

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Abb. 2: Wasserzeichen „Wilder Mann“, um 1748 (aus: Die Geschichte der Papiermühle in Stattersdorf. 1948)

Mit dieser Übernahme begann eine Erfolgsgeschichte: Der 1741 geborene Kaspar Salzer war aus Salnau im Böhmerwald nach Wien gekommen. In Wien rasch zu Reichtum gekommen erwarb er 1784 die Lercher-Schmid-Schilgensche Offizin – also eine Buchdruckerei – und verlegte sich immer mehr auf den Buchdruck und -handel sowie auf den Papierhandel, was nicht unbedingt auf Wohlgefallen bei seinen Kollegen und der Obrigkeit stieß, für einen Buchdrucker aber eine Notwendigkeit darstellte, da Papier auch zu dieser Zeit noch Mangelware war. Die niederösterreichische Regierung verbot ihm schließlich den Papierhandel bei Androhung der Beschlagnahme. So stellte es für ihn einen Glücksfall dar, als er 1795 seine erste Papiermühle bei Wiener Neustadt um 14.610 fl. ersteigern konnte.

In Konkurrenz zu Johann Thomas Edler von Trattner, dem führenden Buchdrucker in Wien, der 1767 und 1795 große Papiermühlen in Ebergassing errichtet hatte, wollte auch Kaspar Salzer eine ausreichend große Papiermühle errichten. Nach einigen Rückschlägen gelang ihm 1798 der Ankauf der Mühle bei St. Pölten in Stattersdorf. Die Jahresleistung belief sich auf 800 Ballen, hauptsächlich Druck- und Kanzleipapier.

Die Napoleonischen Kriege brachten auch Salzer in finanzielle Schwierigkeiten; der Konkurs konnte durch einen Vergleich mit den Gläubigern gerade noch abgewendet werden. 1811 verunglückte Salzer auf der Straße von Regelsbrunn nach Fischamend tödlich. Seine Witwe verkaufte das Wiener Buchdruckgewerbe und übernahm mit den vier Kindern den Betrieb.  Schließlich zahlte Franz Salzer 1824 seine Stiefmutter und seine Geschwister aus und führte den Betrieb allein weiter.

1837 umfasste die Papierfabrik laut Versicherungspolizze bei der Ersten österreichischen Brandschaden-Versicherungsgesellschaft 3 Bütten, 3 große Wasserräder, 2 Papierholländer, 10 Loch Geschirr im Werksgebäude; im Neugebäude: 1 Hadernboden, 4 Druckpressen, 1 Hadernschneider und 4 Wasserräder. Die Ehe Franz Salzers blieb kinderlos, nach seinem Tod 1845 war seine Gattin Universalerbin, 

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Abb. 3: Die Stattersdorfer Papierfabrik im Jahr 1896 (aus: Die Geschichte der Papiermühle in Stattersdorf. 1948)

Anlässlich einer Kautionsstellung wurde die Papierfabrik Stattersdorf, die als Sicherstellung diente, geschätzt: Im Werkhaus befanden sich 3 Holländer, 2 Geschirre mit 10 Löchern, 2 große Pressen, 3 Bütten und 3 große Zeugkästen; im ersten Stock 1 Hadernschneider und 5 Pressen; im Mühlbach standen 5 große Werksräder (Schätzwert: inklusive Wasserrecht 4000 fl). Ferner befanden sich auf dem Gelände ein wohlausgestattetes Wohngebäude (Schätzwert 3660 fl.), ein Hofgebäude (Schätzwert 7350 fl) sowie ein Neugebäude: im Neugebäude befanden sich 1 Holländer, 2 Pressen, 1 Wasserrad mit Radstube, 2 Bütten, 2 Hämmer, 1 Zylinder, 1 Ofen (Schätzwert 1000 fl.). Der Wert der Verlassenschaft belief sich auf 43.520 fl.

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Abb. 4: Die Escher-Wyss-Papiermaschine, aufgestellt 1863 (aus: Die Geschichte der Papiermühle in Stattersdorf. 1948)

Die Papiermühle in Stattersdorf war nicht die einzige ihrer Art in Niederösterreich. Überall dort, wo die notwendigen Voraussetzungen für die Errichtung von Papiermühlen gegeben waren – Wasserkraft und die Nähe von wichtigen Verkehrsstraßen, um Produkte auf den Markt zu bringen – entstanden mehr oder weniger erfolgreiche Papiermühlen. Im Industrieviertel findet sich die erste Erwähnung einer Papiermühle in Wiener Neustadt: Hier erhoben 1498 die Bürger Klagen über die „Papierer“. Anlass war deren lockere Lebenswandel. Die Mühle lag außerhalb des Wiener Tores am linken Ufer der Fischa. 1638 entstand dann auf dem anderen Ufer der Fischa eine weitere Papiermühle, die ebenfalls im Besitz der Stadt war.

1513 entstand eine Papiermühle bei Baden – „zu Baden im obern wird bei Lestorff“. Auch die Stadt Wien kaufte dort ein, wie Bürgerspitalsrechnungen aus dem 16. Jahrhundert belegen. Mitte des 17. Jahrhunderts gründete Jakob Freiherr von Berchtold, Inhaber der Herrschaft Pottendorf, eine Papiermühle in Ober-Eggendorf, nordöstlich von Wiener Neustadt an der warmen Fischa gelegen. Nach Zeiten des Niedergangs ließ die Wiener Hofkammer 1673 dort eine neue Papiermühle errichten, um ihren ständig wachsenden Papierbedarf zu decken. Allerdings entsprach das dort produzierte Papier nicht den Erwartungen der Beamten, denn die Tinte zerlief darauf.

Irgendwann im 17. Jahrhundert entstand in Schottwien eine Papiermühle. Sie lieferte ihr „Schottwiener Adler Pappier“ bis nach Graz. 1702 erwarb die Stadt Wien die Haidmühl an der Schwechat, um sie zu einer Papiermühle umzubauen. Bereits ein Jahr später arbeiteten dort acht Gesellen.

1766 suchte der Wiener Hofbuchdrucker und Hofbuchhändler Johann Thomas Edler von Trattner um die Erlaubnis an, eine Papierfabrik nächst Wien errichten zu dürfen. Standort war Ebergassing. Er erhielt sogar die Erlaubnis, in den österreichischen Vorlanden Hadern sammeln zu lassen. 1785 ließ er eine weitere Papiermühle bauen. Die Produktion in den beiden Fabriken betrug 1799 insgesamt rund 20.000 Ries. 1792 suchte Ignaz Theodor Pachner von Eggenstorf, privileg. Großhändler in Wien, um die Errichtung einer Papierfabrik in Klein-Neusiedl an.

Der Widerstand der in Niederösterreich bereits bestehenden Fabriken, 19 an der Zahl, war groß. Man fürchtete die Konkurrenz. Pachner setzte sich durch, nicht zuletzt deshalb, da noch immer große Papiermengen – etwa 100.000 Ries – eingeführt werden mussten. Der Bau wurde 1797 vollendet. Das Unternehmen wurde durch Umfang, Anlage und maschineller Einrichtung beispielgebend in Niederösterreich. 1796 erhielt Pachner von der „k.k. Bankozettel-Hauptkasse“ den Auftrag zur „Anfertigung und Lieferung des neuen Bankozettelpapiers mit geheimen Zeichen“. 1845 verarbeitete die Fabrik 20.000 Zentner Hadern und produzierte 130.000 Ries im Wert von 450.000 fl. Sie beschäftige 380 Arbeiter.

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Abb. 5 (& Titelbild): Erwin Pendl, Papierfabrik Klein-Neusiedl, NÖ Landesbibliothek, Topographische Sammlung

Im Waldviertel entstanden seit dem 17. Jahrhundert Papiermühlen. 1670 ließ die Herrschaft Rosenburg eine am Kamp errichten und verpachtete sie an Papiermacher. So musste z.B. der Papiermacher Georg Kloß 1692 jährlich 150 fl. und einen halben Ballen Kanzleipapier abliefern. Mitte des 18. Jahrhunderts verfügte die Papiermühle über einen Holländer und einen Hadernreißer. Neben dem Eigentümer arbeiteten dort drei Gesellen und zwei Lehrjungen. 1799 produzierte die Papiermühle 810 Ries Fließpapier, 740 Ries Druckpapier, 570 Ries Kanzlei- und Postpapier sowie 300 Ries Adlerpapier. 

Vor 1697 baute die Herrschaft Weitra den Eisenhammer in Oberbrühl bei Weitra in eine Papiermühle um. Während der unter der Herrschaft Maria Theresias angeordneten Inspektion der Papiermühlen hatte der Prüfer nur die Qualität des Kanzleipapiers zu beanstanden. Im Gegensatz zu vielen anderen Papiermühlen in Niederösterreich war der Zustand der Gebäude und der Maschine in Ordnung. Unter Sigmund Fink, der nach 1789 den Betrieb übernahm, entstanden das noch heute bestehende Wohnhaus und das Fabrikgebäude, in dem Heinrich Hackl nach 1867 schließlich eine Webwarenfabrik einrichtete.

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Abb. 6: Festraets van Thienen, Die Papierfabrik nächst Weitra, NÖ Landesbibliothek, Topographische Sammlung
Weitere Papiermühlen entstanden u.a. in Raabs (vor 1700), Rehberg bei Krems (1703 genehmigt) und Kautzen (18. Jahrhundert). Alle drei wurden im 19. Jahrhundert aus wirtschaftlichen Gründen aufgegeben und die Gebäude einem anderen Zweck zugeführt: Die Raabser Mühle wurde wieder als Mahlmühle genutzt, Das gleiche Schicksal ereilte die Papiermühle in Rehberg, die im 18. Jahrhundert ihre besten Produktionsjahre aufzuweisen hatte. In Kautzen wurde nach 1862 eine Zwirnerei eingerichtet, die nach einem weiteren Besitzerwechsel 1893 in eine Seidenweberei umgewandelt wurde.

 

 

 

Literatur:

Viktor Thiel, Geschichte der Papierbetriebe in Niederösterreich, in: Gutenberg-Jahrbuch 1934, S. 28–61.

Die Geschichte der Papiermühle in Stattersdorf. Hg. zur Feier des 150jährigen Familienbesitzes der Stattersdorfer Papier-, Holzstoff- und Zellulosefabriken Matthäus Salzers Söhne 1798–1948. Wien o.J. (1948).

Günther Martin, 175 Jahre Matthäus Salzers Söhne. Wien 1973.

Gerhard A. Stadler, Das industrielle Erbe Niederösterreichs. Wien 2006.

 

Text: Dr. Elisabeth Vavra

 

Siehe auch: https://www.museumnoe.at/de/das-museum/blog/papiererzeugung-in-oesterreich

 

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