© Maria Bründl bei Pulkau (© Elisabeth Vavra)

Schlagwort: Pest / Maßnahmen

die laidige seuch der infection

 

Das Titelbild zeigt Maria Bründl bei Pulkau (© Elisabeth Vavra) – Während der großen Pestepidemie 1679/80 flüchteten der Legende nach die noch Gesunden zu der im Wald gelegenen Quelle. An einem Baum brachten sie ein Marienbild an, verbrachten hier Tag und Nacht im Gebet und tranken das Quellwasser. Viele blieben von der Seuche verschont. 1702 errichtete man dann eine Holzkapelle, 1724 den heute noch bestehenden Bau, der seitdem ein Wallfahrtsort ist. 

Um die Mitte des 14. Jahrhunderts hatte der „Schwarze Tod“ erstmals Europa erreicht. Etwa ein Drittel der europäischen Bevölkerung starb. Seit diesem Zeitpunkt kam es immer wieder zu mehr oder minder schweren Ausbrüchen von Seuchen, die mit dem Begriff „Pest“ bzw. „Pestilenz“ bezeichnet wurden. Man bezeichnete damit jegliche gefährliche infektiöse Krankheit – Pest genauso wie Blattern oder Typhus. Nahezu jede Generation erlebte einen solchen Seuchenzug: Ein zeitgenössisches Sprichwort brachte die Situation auf den Punkt: Austria ventosa vel venenosa – In Österreich herrscht entweder Wind oder die Pest.
Besonders häufig hatte das 17. Jahrhundert unter Pestepidemien zu leiden. Meist zeigten sich im Spätsommer die ersten Erkrankungen; ihren Höhepunkt erreichte die Seuche dann in den Herbstmonaten, um im Dezember wieder abzuklingen. Auch schon in der Frühen Neuzeit waren Experten gefragt, die die Verwaltungsbehörden bei Vorbeugung und Bekämpfung beraten sollten. So forderten die niederösterreichischen Landstände, als Ende August 1653 im Viertel ober dem Manhartsberg erste Verdachtsfälle auftraten, ein Gutachten ein. Die Landschaftsärzte Johann Wilhelm Mannagetta und Anselm Daniel Rezer legten ein solches am 8. September vor. Es dauerte allerdings bis zum 15. Dezember: Erst an diesem Tag erschien im Namen Kaiser Ferdinands III. eine neu ausformulierte Infektionsordnung. Die Zielgruppe waren diesmal die kleinen „Stätten, Clöstern, Schlössern, Märckten, Dörffern und Flöcken“. Dahinter stand die Einsicht, dass eine Stadt wie Wien etwas andere Maßnahmen zur Bekämpfung der Seuche setzen musste als ein kleiner Markt irgendwo auf dem Land gelegen.

Infectionsordnung
Infectionsordnung Kaiser Ferdinands III., Wien 1654 (© Bayerische Staatsbibliothek München)
Die Maßnahmen, die laut Empfehlung der Expert*innen erfolgen sollten, unterschieden sich kaum von den bereits im 16. Jahrhundert publizierten Patenten und Dekreten. Es ging um Mittel und Wege, einen Ausbruch zu verhindern, und dann um Anweisungen, was im Seuchenfall geschehen sollte. Zunächst einmal galt es, den Zorn Gottes, der als Auslöser des Übels angesehen wurde, zu besänftigen. Priester und Ordensleuten sollten zu Umkehr und Buße aufrufen, die Hausväter ihre Familie und Untergebenen zu einem gottesfürchtigen Leben anleiten und dabei mit gutem Beispiel vorangehen. Als diätische Maßnahmen wurden u.a. Mäßigung im Essen und Trinken sowie der Verzicht auf Schweinefleisch empfohlen. Auch sollte man die Finger von verdorbenen Speisen lassen, etwa unreifes, wurmstichiges Obst meiden.


Die Behörden wurden angewiesen, an den Grenzen, Mautstellen und Überfuhren die Einreisenden zu „examinieren“. Wer verdächtig erschien, sollte für 40 Tage außerhalb der Landesgrenzen in Quarantäne untergebracht werden. Als Orte für die „Contumacia“ wurden Guntramsdorf und Wienerherberg für das Viertel unter dem Wienerwald, Tulln und Königstetten für das Viertel ob dem Wienerwald, Retz und Korneuburg für das Viertel unter dem Manhartsberg sowie Waidhofen an der Thaya für das Viertel ob dem Manhartsberg bestimmt. Bei der Befragung sollte man auch in Erfahrung bringen, welche Orte jenseits der Grenzen bereits von der Seuche betroffen waren. Diese waren dann unverzüglich der Niederösterreichischen Regierung anzuzeigen.


Pestlzarett
Das Pestlazarett in Wien-Alsergrund, Votivbild, um 1680 Wien, St. Michael (© Peter Böttcher)
Hatte die Pest schon die Landesgrenze übersprungen, oblag es den „Städten, Märkten, Dörfern und Flecken im Lande“ an den Toren und Schranken zu kontrollieren. Das Gebiet durfte nur betreten, wer aus einem „sicheren und gesunden“ Ort kam. Nur der durfte auch seine Waren auf den Märkten feilbieten. Die Obrigkeit – Pfleger und Richter – wurden angewiesen, auftretende Fälle wöchentlich ein- bis zweimal den Behörden in Wien zu melden. Trotz der mangelnden Kenntnis über mögliche Ansteckungswege – der Pestbazillus wurde erst 1894 entdeckt – nahmen die Experten auch einen Übertragungsweg durch Gegenstände an. Deshalb verbot die Ordnung, so wie ihre Vorgänger im 16. Jahrhundert, den heimlichen oder öffentlichen Verkauf von Betten, Leinwand, Kleidungsstücken, Pelzwerk usw. aus infizierten Orten oder Häusern. Sollten Zweifel über die Herkunft bestehen, mussten glaubwürdige Zeugnisse beigebracht werden.
Einer der umfangreichsten Paragraphen beschäftigt sich mit Sauberkeit und Hygiene. Die Verbote liefern uns ein eindrückliches Bild der damaligen Zustände in den Straßen und Gassen: wenn etwa verboten wird, dass Dienstboten Knochen, Eingeweide und Blut des Schlachtviehs oder tote Katzen, Hunde und Hühner auf die Straßen werfen. Auch in den Häusern sollte man auf Ordnung und Sauberkeit achten: die „Fürheuser, Stiegen, Boden, Kuchel, Stallungen und Haimblichkeiten [WC-Anlagen]“ öfters aufwaschen und auskehren. Das Einhalten dieser Anordnungen wurde von den Behörden überprüft.

Der zweite Teil der Ordnung beschäftigt sich mit Maßnahmen, die nach dem Ausbruch der Pest zu treffen waren. Eine der wichtigsten, wenn auch nicht an erster Stelle genannt, war die Beschränkung der Zusammenkünfte und Versammlungen. Kirtage, Kirchweihen und Jahrmärkte waren während Seuchenzeiten verboten. Hielt sich eine Gemeinde nicht an die Vorschrift, so drohte ihr der Entzug der Kirchtags- und Jahrmarktsfreiheit. Hochzeiten, Kindstaufen und ähnliche Feiern durften nur im engsten Familienkreis abgehalten werden. Wirtshäuser, Weinkeller, Trinkstuben, Schulen und ähnliche Einrichtungen mussten schließen.
Infizierte Personen wurden entweder in ein Lazarett gebracht oder in ihrem Haus eingeschlossen, wenn sich jemand fand, der sie mit Speisen und Medizin versorgte. Nicht Infizierte, in deren Haus oder Wohnung ein Pestfall aufgetreten war, mussten sich für 40 Tage in Quarantäne begeben, entweder in ein „Kontumazhaus“ oder sie blieben in ihrem versiegelten Haus. Gab es kein Lazarett, musste die Obrigkeit ein abgelegenes Gebäude dafür einrichten. Sie hatte auch für gute Ärzte und Bader zu sorgen. Alle Gegenstände, die der Kranke zuvor benutzt hatte, wurden ins Lazarett gebracht. Dort wurden sie gesäubert und für andere Pestkranke benützt. Die „Sperrer“ kontrollierten die geschlossenen Häuser. Nach 40 Tagen wurden die Häuser wieder geöffnet, ausgeräuchert, gründlich gesäubert und geweißt. Strengstens verboten war es, Kranke zu verheimlichen oder auszusetzen.

johann managetta
Johann Wilhelm Mannagetta (aus: Unsere Heimat 1966, S. 127)
Einer der wichtigsten Experte in Sachen Seuchenbekämpfung war im 17. Jahrhundert Johann Wilhelm Mannagetta. Das Licht der Welt erblickte er am 15. Mai 1588 in Wilhelmsburg. Seine Familie stammte aus Oberitalien und war Ende des 15. Jahrhunderts nach Österreich gekommen. Sein Vater war Kaufmann und bekleidete in Wilhelmsburg das Amt eines Ratsherrn. Johann Wilhelm Mannagetta begann sein Studium in Wien; in Prag promovierte er 1619 zum Doktor der Philosophie. In Padua schloss er 1620 sein Medizinstudium ab. Von 1624–1662 war er Professor der Medizin an der Universität Wien. Drei Kaisern – Ferdinand II., Ferdinand III. und Leopold I. – diente er als Leibarzt. Er wurde erster Protomedicus. In dieser Funktion unterstanden ihm alle heilkundlichen Berufe des Landes – Ärzte, Chirurgen, Apotheker und Hebammen. 1637 wurde er in den Reichsritterstand erhoben und durfte sich fortan „von Lerchenau“ nennen. Aufgrund seiner Verdienste wurde er 1661 zum wirkl. Geheimen Rat ernannt. Am 31. Mai 1686 starb er und wurde im Dom zu St. Stephan in Wien neben dem Floriani-Altar beigesetzt. Neben seiner Tätigkeit als Mediziner forschte er auch als Historiker und Mathematiker.
Einen Namen machte er sich mit der 1679 im Druck erschienenen Pestordnung, in der er auf ca. 190 Seiten sein Wissen über die Pest und ihre Bekämpfung zusammenfasste. Dabei griff er immer wieder auch Aussagen anderer Experten auf. Der erste Abschnitt beschäftigt sich mit der „Natur“ der Pest, den Gründen für ihren Ausbruch und Verbreitung. Der zweite widmet sich Vorbeugung, Verhaltensregeln und Behandlungsmöglichkeiten; der letzte schließlich wendet sich mit seinen Ratschlägen an die Obrigkeit. Neben der „himmlischen“ Ursache der Pest als Strafe Gottes nennt Mannagetta, noch ganz im Geist seiner Zeit verhaftet, natürlich auch Gift und Zauberei als Auslöser. Allerdings schränkt er dies ein und meint, dass dies leichter durch „unzählige Historien“ zu bezeugen sei als durch die Vernunft. Viel wichtiger ist ihm der Hinweis auf notwendigen Hygienemaßnahmen, vor allem in den Städten, deren Gassen von Unrat bedeckt sind:

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Johann Wilhelm Mannagetta, Pestordnung, Wien 1679, Ausschnitt aus Seite 16 (© Sächsische Landesbibliothek Dresden)

An der Wirkung der zahlreichen im Umlauf befindlichen Mittel zum Schutz vor Ansteckung zweifelt Mannagetta – „Soll sich derowegen niemand auff solche Wahrzeichen verlassen“. Nichtsdestotrotz beschreibt er sie ausführlich im 8. Kapitel des zweiten Teiles: Pestamulette, Edel- und Halbedelsteine, in Kapseln eingeschlossenes natürliches Quecksilber, Bernstein und vieles anderes mehr. Wichtiges Gegenmittel ist für ihn wie für viele Experten vor ihm das Räuchern. Am besten wäre es, an öffentlichen Plätzen morgens und abends Feuer zu entzünden. Ist dies nicht möglich, sollte es zuhause in allen Zimmern drei- bis viermal geschehen. Das beste Holz dafür liefert die Wacholderstaude. Geeignet sind aber auch Föhren, Fichten, Eschen, Birken, Eichen oder Buchen. Dem Feuer solle man Wermut, Majoran, krause Minze, Melisse, Beifuß, Wolgemut, Lavendel, Weinrauten, Salbei, Rosmarin oder Lorbeer beifügen und solche Kräutersträuße auch in den Zimmern aufhängen, umso die Luft des „pestsüchtigen“ Ortes zu reinigen. Die Anweisungen an die Obrigkeit wiederholen in aller Ausführlichkeit die in den Infektionsordnungen knapp zusammengefassten Vorschriften. Sie erläutern den Umgang mit den Erkrankten und deren Behandlung, beschreiben die Beschaffenheit der Pest-Lazarette und umreißen die Rolle der Ärzte, Bader und Apotheker.
Mannagettas Pestordnung wurde zum Standardwerk in der Pestbekämpfung und bis in die zweite Hälfte des 18. Jahrhundert hinein immer wieder neu aufgelegt.

Text: Prof. Dr. Elisabeth Vavra


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