Wachau im Dreißigjährigen Krieg

Das Schicksalsjahr 1619

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Abb. 1: „Mandl ohne Kopf“ – eine angeblich durch Schweden zerstörte Rolandsfigur, Krems, Wallgasse (© Elisabeth Vavra)
Schwedengassen, Schwedenkreuze, alte Kinderlieder – viel erinnert in Niederösterreich noch heute an die letzten Jahre des Dreißigjährigen Krieges, als schwedische Truppen unter ihrem Feldherrn Lennart Torstensson durch Böhmen Richtung Wien marschierten. Sie zogen eine Spur der Verwüstung durch das Land. Es sollte Jahrzehnte dauern, bis sich Niederösterreich wieder von den Plünderungen und Brandschatzungen erholt hatte. Die dramatischen Ereignisse der Jahre 1645 und 1646 ließen die des Jahres 1619 fast in Vergessenheit geraten.  

Aber bevor wir uns dem Jahr 1619 zuwenden, noch ein kurzer Blick zurück: Im 16. Jahrhundert hatten sich Katholiken und Protestanten zunächst arrangiert: Seit dem Augsburger Religionsfrieden – am 25. September 1555 auf dem Reichstag zu Augsburg geschlossen – herrschte der Grundsatz cuius regio, eius religio (wes der Fürst, des der Glaubʼ). Damit war der jeweilige Landesherr berechtigt, seinen Untertanen die Religionszugehörigkeit vorzuschreiben. Wer sich dem nicht unterordnen wollte, war gezwungen auszuwandern. Unter einer dünnen Eisdecke schwelten die Konflikte weiter. Die katholische Kirche fand wieder vermehrten Zulauf. Wallfahrten und Bruderschaften wurden ins Leben gerufen. Protestanten wurden an ihrer Religionsausübung behindert. Beide Seiten demonstrierten in der Öffentlichkeit ihren Glauben, was immer mehr Missfallen bei der jeweiligen Obrigkeit erregte.

Im 17. Jahrhundert drangen die Gegensätze explosionsartig an die Oberfläche

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Abb. 2: Der Prager Fenstersturz aus dem Theatrum Europaeum (© NÖ Landesbibliothek)
Der Aufstand der böhmischen Stände und der Prager Fenstersturz vom 23. Mai 1618 führten zum Ausbruch des Dreißigjährigen Krieges. Die protestantischen Adeligen in Ober- und Niederösterreich schlossen sich dem böhmischen Adel an und brachen mit dem Kaiser in Wien. Am 20. März 1619 starb Kaiser Matthias. Sein Nachfolger als Landesherr Ferdinand war ein Kämpfer für den katholischen Glauben. Er hatte in seinen Gebieten – in Innerösterreich – die Gegenreformation bereits mit aller Härte durchgeführt. Den protestantischen Ständen war klar, was sie von ihm zu erwarten hatten – Sie verweigerten die Erbhuldigung. Böhmische Truppen rückten unter Matthias Thurn gegen Wien vor und belagerten die Stadt. Sie zogen zwar nach Überreichung einer „Sturmpetition“ wieder ab – aber nur bis nach Horn, das seit jeher ein Zentrum des Protestantismus im Land unter der Enns war.  

Schließlich verbündeten sich die protestantischen Stände in Oberösterreich, die Horner Gruppe und die Böhmen, die am 26. August 1619 Friedrich V. von der Pfalz zum König von Böhmen gewählt hatten. Im Herbst kam es zum Truppenaufmarsch: Von Osten näherte sich Bethlen Gabor, der Fürst von Siebenbürgen, mit seinen Soldaten. Vom Norden kamen die Böhmen unter Graf Thurn und vom Westen schließlich die Oberösterreicher unter der Führung Gotthard von Starhembergs. Geplant war von Preßburg aus, das sich bereits in der Hand der Rebellen befand, alle festen und wichtigen Plätze an der Donau bis nach Melk zu besetzen. So wollten die Angreifer den Nachschub für Wien unterbinden. Am 13. November überschritten die oberösterreichischen Truppen –  2000 Fußknechte und 500 Reiter – die Landesgrenze. Das kaiserliche Kammergut Erla bei St. Pantaleon wurde besetzt. Auf der Donau und auf dem Landweg rückten sie am folgenden Tag weiter vor. Auf ihrem Weg plünderten sie Bauernhöfe und Orte. Der Schiffskonvoi legte bei Schloss Persenbeug an. Dessen kaisertreue Besatzung musste sich der Übermacht ergeben. In Ybbs leisteten die Bürger Widerstand. Der Aufforderung, die Tore zu öffnen, leisteten sie nicht Folge. In den Nachtstunden sprengten die Angreifer die Tore, überwältigten die Bürger und plünderten die Stadt.

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Abb. 4: Georg Matthias Vischer, Kloster Melk, 1672 (© IMAREAL)
Am 16. November legten die Schiffe Starhembergs mit dem Fußvolk bereits bei Schönbühel an, das wie viele andere Güter in Niederösterreich im Besitz der Brüder Starhembergs war. In Melk lagerten schon seit einiger Zeit 300 kaiserliche Wallonen zur Verteidigung der Besatzung. Die in Niederösterreich einmarschierten Oberösterreich wurden von den Anhängern der Opposition gegen Kaiser Ferdinand hier im Land unterstützt. Diese hatten auf ihren Besitzungen längst Mannschaften stationiert, die nun den Truppen Starhembergs zur Hilfe eilten. Kloster und Markt von Melk wurden aufgefordert, eine ständische Besetzung aufzunehmen. Die Melker sollten sich unter die „so milde Herrschaft“ der Stände des befreundeten Landes begeben.

Trotz der ausgesprochenen Drohungen blieb Melk dem Kaiser treu. Daraufhin begann Starhemberg mit der Belagerung und umschloss die Stadt von den Ufern der Pielach bis zur Donau. Am anderen Donauufer besetzten Truppen das Ufer von Emmersdorf bis Weitenegg. Von Hain (heute Ortsteil von Emmersdorf) aus wurden Kloster und Markt mit Kanonen unter Beschuss genommen. Als die Melker am 30. November wieder eine widerstandslose Übergabe ablehnten, erfolgte ein nächtlicher Angriff, der abgewehrt werden konnte. Zwei weitere scheiterten ebenso. Da sich in der Zwischenzeit kaiserliche Truppen gefährlich Oberösterreich näherten, musste Starhemberg schließlich die Belagerung abbrechen und zog sich Richtung Westen zurück. 

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Abb. 5: Sturmhaube, 17. Jh., Langenlois, Heimatmuseum (© Elisabeth Vavra)
Während südlich der Donau die Truppen Starhembergs bis Melk vorgedrungen waren, hatten sich im Norden an die 3000 Mann Richtung Krems in Bewegung gesetzt. Am Mittwoch vor dem ersten Advent lagerten die böhmischen Truppen unter der Führung Ludwig Carpezans zwischen Langenlois und Krems. Schon am 22. Oktober 1619 hatte der Magistrat der Stadt Krems an Erzherzog Leopold die Bitte um Verstärkung der Garnison gerichtet, da feindliche Truppen im Anmarsch waren. Er bat um Pulver, um Blei und Stuck, und um Verproviantierung. Statt der Feinde kamen zunächst weitere kaiserliche Hilfstruppen – Wallonen, die für ihre Raubsucht und Grausamkeit bekannt waren. Gemeinsam mit den bereits hier stationierten Kaiserlichen hausten sie so schlimm wie der Feind. Viele Bürger hatten nicht mehr als „truckene Brodt“, wie der Magistrat klagte.

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Abb. 6: Thomas Ender, Das Wiener Tor in Krems, 1820, St. Pölten, Landessammlungen Niederösterreich (© Landessammlungen Niederösterreich)
In der Nacht zum 27. November erfolgte der Angriff der böhmischen Truppen. Sie versuchten die Stadt im Handstreich zu nehmen. Die Tore des Wiener Tores zerstörten sie, das eiserne Fallgitter hielt sie allerdings auf. Die Bürger und die Wallonen wurden nahezu im Schlaf überrascht. Es dauerte, bis sich Widerstand formierte. Erschwert wurde die Situation der Verteidiger noch durch den Umstand, dass sich einige protestantische Bürger mit dem Feind verbündet hatten. So schoss etwa der Meister der Stadtkanonen absichtlich zu hoch; ein Hufschmied versuchte dem Feind das Steinertor zu öffnen. Sein Verrat wurde aber rechtzeitig entdeckt. Der Angriff dauert vom 12 Uhr nachts bis 6 Uhr morgens. Die Bürger wehrten sich tapfer; sie warfen Steine und siedendes Pech von den Mauern auf die Widersacher. Und sie fügten den feindlichen Truppen eine empfindliche Niederlage zu: Den zeitgenössischen Berichten nach mussten 300 Soldaten ihr Leben lassen. Der Feind war zurückgeworfen. 1620 begann die Abrechnung mit den Verrätern.

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Abb. 7: Georg Matthias Vischer, Stadt Krems, 1672 (© IMAREAL)
Aber die Menschen hatten weiter überall in Niederösterreich unter den stationierten Truppen zu leiden. Die Stadt Krems beschwerte sich darüber in einem Schreiben vom 31. August 1620 bei den beiden sie vertretenden Landtagsabgeordneten in Wien: „Soldaten, Marketender und andres heillos Gesindel fallen in die  Weingärten ein, streifen die Wipfel und das Laub ab, tragen die unreifen Trauben buttenweis in ihr Quartier, und pressen dieselben mit den andernwärts gestohlenen Äpfel und Birnen, und verkaufen dann den gepreßten Essig oder Most öffentlich am Markt. Andere gehen schaarenweise in die Weingärten, essen die zeitigen Traubenkörner, die unzeitigen werfen sie weg, so daß man in einem einzigen Weingarten wohl 100 also verwüstete Trauben finden kann. Auf dem Land schneiden sie die Getreider ab, und verwüsten alles; weinend und heulend kommen die Leute mit ringenden Händen in die Stadt herein.“

Der Krieg aber war noch lange nicht zu Ende. 1645 sollten sich wieder feindliche Truppen der Stadt nähern.

Text: Elisabeth Vavra

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