Museum zu Gast: Museum Retz

Das Museum Retz (Foto: © Astrid Bartl)

In den Monaten Juni bis September 2021 präsentiert das Museum Niederösterreich im Rahmen der Reihe Museum zu Gast Bestände aus dem Museum Retz.

Nur wenige Schritte vom malerischen Hauptplatz der Weinstadt Retz entfernt liegt das alte Bürgerspital, das heute das Museum Retz und die ihm angeschlossene Südmährische Galerie beherbergt. Das große Kruzifix neben dem Eingang erinnert bis heute an die ursprüngliche Funktion des Gebäudes. Die Stiftung eines Spitals der armen Siechen erfolgte bereits vor 1279 durch die Grafen von Hardegg. Das erste Spital stand außerhalb der Stadtmauern bei der Pfarrkirche. Im Hussitensturm von 1425 zerstört, wurde das neue Gebäude nun innerhalb der Befestigungsmauern beim Znaimer Tor errichtet. Die Herrschaftsinhaber*innen und die Bürger*innen von Retz trugen das Ihre dazu bei, dass das Vermögen der Stiftung durch die Jahrhunderte weiter wuchs. Aus dem Ertrag der Vermächtnisse, die auch aus Grundbesitz bestanden, wurden die im Spitalsgebäude Aufgenommenen erhalten – arme, kranke, hilflose oder alte Leute. Die 1467 geweihte Bürgerspitalskapelle musste unter Joseph II. geschlossen werden. Der Gebäudekomplex diente in der Folge als Theatersaal, Sparkasse, Gemeinderatssaal und Schule. Auch die Nutzung der Nebengebäude wechselte häufig: Sie beherbergten u.a. die Stadtschreiberwohnung, das Militärspital, den Arrest, Archive und die Gemeindekanzlei. 1948 wurden die Sammlungen des städtischen Heimatmuseums im Bürgerspital aufgestellt. 2003/04 erfolgte eine durchgreifende Restaurierung des Gebäudekomplexes. Die Stiftung Bürgerspital unterstützt bis heute bedürftige Gemeindemitglieder.

Wie alles begann

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Johann Baptist Geißler, Museum Retz (© Helene Schrolmberger)
Die Anfänge des Museums Retz reichen weit in das 19. Jahrhundert zurück. Alles begann mit Bürgermeister Vinzenz Würth: Er betraute 1833 den Buchdrucker Johann Baptist Geißler, der das Amt des Stadtschreibers innehatte, mit der Aufgabe, die städtische Rüstkammer, die im Nalberturm untergebracht war, aufzunehmen und in einem Raum des Rathauses aufzustellen. Geißler, der 1784 in Brünn das Licht der Welt erblickte und seit 1810 die Buchdruckerei in Retz betrieb, war historisch sehr interessiert: So verfasste er auch das Gedenkbuch der Stadt Retz und wurde so zum ersten Chronisten der Stadt. Er beschrieb und katalogisierte den vorhandenen Bestand. Damit war die Gründung eines der ältesten Heimatmuseen in Österreich vollzogen. Zum Bestand der Antikenkammer gehörten natürlich auch die alten Rüstungsteile und Waffen, die die Stadt zur Verteidigung im Lauf der Jahrhunderte angeschafft hatte, so auch ein großer Bestand an Wallbüchsen, auch Hakenbüchsen genannt. Dabei handelt es sich um einschüssige Vorderladergewehre. An der Unterseite des Rohres bzw. des Schaftes befindet sich ein Haken, der vom Schützen in der Schießscharte eingehakt wurde, um so den Rückstoß aufzufangen.

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Wall- bzw. Hakenbüchsen im Depot des Museums Retz (Foto: © Elisabeth Vavra)

Die Retzer Bürger*innen vermehrten den Bestand der Antikenkammer, wohl auch um das Andenken an ihre Familien im musealen Umfeld bewahrt zu wissen. So fanden die unterschiedlichsten Gegenstände ihren Weg in das Heimatmuseum. Nach Geißlers Tod nahm sich Bürgermeister Josef Mößmer persönlich der Sammlung an. Nach 1848 geriet sie etwas in Vergessenheit. Erst Anton Mößmer, der Sohn Josef Mößmers, holte sie wieder ins Licht. Er führte eine Neuordnung durch und sorgte für eine Vermehrung des Bestandes.

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Karl Mößmer, Museum Retz (© Helene Schrolmberger)
Auf Mößmer folgte von 1890–1907 Bürgermeister Alois Richter als Museumsverwalter. Die Bestände wurden nun im neu errichteten Postgebäude (heute Hauptplatz 13) untergebracht. Richter sorgte dafür, dass die im Zuge von Baumaßnahmen zu Tage getretenen prähistorischen Funde in die Sammlung integriert wurden. Alois Richter war ein bekannter Numismatiker. Seine umfangreiche Sammlung besichtigte am 10. Mai 1891 sogar Erzherzog Franz Ferdinand. Anlässlich der Verleihung der Ehrenbürgerschaft prägte die Stadt für Alois Richter eine Medaille. Seine umfangreiche Münzen- und Medaillensammlung befindet sich heute im Stadtarchiv.

Von 1907–1934 übernahm der Bürgermeister und Weingroßhändler Karl Mößmer die Betreuung der Museumsbestände. Er richtete die Volkskundeabteilung ein und baute mit Unterstützung des Fachlehrers Alexander Sackl die prähistorische Sammlung weiter aus. Besondere Bedeutung erlangte er überdies als Gründer des Kriegsmuseums. Mit Ausbruch des Ersten Weltkriegs begann er Erinnerungsstücke an den großen Krieg zu sammeln. In der Zwischenkriegszeit war diese Sammlung im Bürgersaal des Rathauses aufgestellt. Im Sommer 1947 wurde der Raum ausgeräumt, um der Neuaufstellung des Heimatmuseums Platz zu machen. Die Objekte des Kriegsmuseums wurden in Räumlichkeiten des Stadtturmes untergebracht. Erst im Zuge der Depotoffensive wurden sie ab 2014 geborgen, inventarisiert und im neuen Depotgebäude sachgemäß gelagert. Die Sammlung umfasst an die 3700 Objekte. Sie setzt sich im Wesentlichen aus Fotografien, persönlichen Aufzeichnungen, Urkunden, Feldpostbriefen, Stempeln, Andenkenbildern, Postkarten, Flugschriften, Plakaten, Abhandlungen, Kriegsgefangenenarbeiten, Abzeichen, Uniformteilen, Kriegslotterielosen, Lagergeld, Sammelbüchsen etc. zusammen.

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Hahn und Henne, in einem Kriegsgefangenenlager hergestellt (© Helene Schrolmberger)

Auf Karl Mößmer folgten von 1925–1942 Rudolf Resch, der Verfasser des Retzer Heimatbuches und dann sein Neffe Anton Resch. Während der NS-Zeit mussten die Schauräume im Postgebäude geräumt werden; die Objekte wurden in der Alten Sparkasse eingelagert. Nach dem Krieg richtete Anton Resch, unterstützt von Rupert Feuchtmüller, dem Leiter der kulturwissenschaftlichen Abteilung des Niederösterreichischen Landesmuseums, wieder den Bürgersaal des Rathauses als Ausstellungsraum ein. Bereits ein Jahr später – 1948 – erfolgte die Übersiedlung in die Räumlichkeiten des Bürgerspitals. Ein Meilenstein war die Sanierung des Gebäudekomplexes 2003/04. Im ersten Stock wurde nun die Südmährische Galerie untergebracht, eine Sammlung von Werken südmährischer Künstler*innen und Motiven, die Hellmut Bornemann in jahrelanger Sammeltätigkeit zusammengetragen hatte. 2013 begann die Einrichtung adäquater Depoträume im Zuge des durch das Land Niederösterreich geförderten Pilotprojektes Schätze ins Schaufenster – Qualitätsoffensive Museumsdepots in Niederösterreich. Innerhalb von fünf Jahren wurden die mehr als 9000 Objekte des Museums inventarisiert, konservatorisch behandelt und sachgemäß gelagert. Die bedeutende Sammlung ist nun zur Gänze für Ausstellungs- und Forschungszwecke zugänglich. Die wertvollsten Objekte sind in den Räumlichkeiten des Bürgerspitals zu sehen.

Schätze aus dem Boden

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Blick in die erdgeschichtliche und archäologische Sammlung (© Jürgen Spindler)
Einen Blick in die Erdgeschichte und frühe Besiedlung des Retzer Raumes liefern die Bestände der erdgeschichtlichen und archäologischen Sammlung. Schon im Neolithikum waren die Ufer des ehemaligen Retzer Sees besiedelt. Zeugnis davon legen archäologische Funde ab, wie etwa eine Hackenaxt oder ein Flachbeil, beide aus Kupfer gegossen. Urgeschichtliche Funde, anlässlich der Bauarbeiten für die Nordwestbahn 1870 gemacht, weckten das Interesse an der Frühgeschichte der Region. 1872 wurde der Gupferte Berg in Unternalb angegraben. Es fand sich nicht die Grablege eines Fürsten, wie erhofft: der Gupferte Berg war leider nur der Überrest eines mittelalterlichen Hausberges. Erst ab 1886 kamen die ersten archäologischen Objekte ins Museum. Unter Karl Mößmer wurden dann gezielt Grabungen für das Museum durchgeführt. In der Zwischenkriegszeit entdeckte man am Galgenberg germanische Siedlungsreste und frühbronzezeitliche Siedlungsspuren sowie Gräber in Unternalb. Grabungen in jüngster Vergangenheit erfolgten im Althof und zum Karner bei der Stadtpfarrkirche. Die erdgeschichtlichen Bestände demonstrieren die Lage am Meeresstrand: Seekuhrippen, Haifischzähne, Austern und vielfältige Muschelarten ebenso wie versteinerte Hölzer von Palmen und Sumpfzypressen.

Schätze aus den Bürgerhäusern

Die kulturhistorische Sammlung spiegelt die bürgerlich-kleinstädtischen Lebenswelt in Retz.

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Blick in die kulturhistorische Sammlung, im Hintergrund der Liszt-Flügel (© Helene Schrolmberger)
Uhren, Goldhauben, Fächer, Kleidungsstücke, Handarbeiten, Keramik und Porzellan sowie Biedermeier-Gläser haben ihren Weg in das Museum gefunden, ebenso natürlich auch Porträts ihrer Besitzer*innen. Ein Highlight ist überdies das selten so komplett erhaltene kolorierte Kartenspiel von Hieronymus Löschenkohl, um 1800 in Wien entstanden. Von der Musikbegeisterung künden die zahlreichen Musikinstrumente, darunter ein Bösendorfer-Flügel, der aus dem Besitz Antonia Raabs (1846-1902) stammt. Antonia Raab war Pianistin und Schülerin von Franz Liszt. Franz Liszt vertonte eines ihrer Gedichte: Schlaflos! - Nocturne (1883). Ein Besuch von Retz lohnt sich also nicht nur wegen des stimmigen Ambientes, der Kelleranlagen oder der kulinarischen Genüsse, sondern auch wegen seines interessanten Museums im Bürgerspital.

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Fächer mit Szenen aus dem Eheleben (© Peter Böttcher)

 

Autorin: Prof.in Dr.in Elisabeth Vavra – Helene Schrolmberger – Lukas J. Kerbler

Literatur:
Helene Schrolmberger, Der Große Krieg im kleinen Museum. Das Kriegsmuseum Retz (1926-1947), Atzenbrugg 2018.
Anne Biber und Helene Schrolmberger, Alles mit der Zeit. Die Depotoffensive im Museum Retz, in: Gabriele Krist und Johanna Runkel (Hg.), Depotoffensive. Wiener Neustadt – Zwettl – Eggenburg – Purgstall – Korneuburg – Retz, Wien 2019, S. 167–180.

Hilfreiche Links:
Museum Retz: https://www.museumretz.at/
Fahrradmuseum: https://www.fahrradmuseum.at/
Informationen zu Veranstaltungen etc.: https://www.retz.gv.at/de/Liebe_Gaeste_

Blog-Nachlese:
Gassen mit Geschichte – Rund um die Altstadt von Retz

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