Die Schleie – Wie wir uns bei ihr einschleimen

Das vom Naturschutzbund Österreichs gewählte Tier des Jahres 2024 beeindruckt mit fast vergessenen Merkmalen. Foto: © shutterstock 404953300 / Vladimir Wrangel

Die Farben der Schleie (tinca tinca)

Wie ein Gespenst schwebt ein dunkler Fisch an der Außenscheibe unseres Tümpels im Museumsgarten vorbei. Langsam ist die Bewegung, elegant der Flossenschlag. Zunächst sehen wir keine Schuppen, doch dann erkennen wir, es sind viele kleine. Die Haut scheint eher dunkelgrau zu sein, aber auch das ist falsch. Ein Lichtstrahl offenbart uns eine bunte Mischung an Grün und Gelb. Meine Kollegin und ich kleben schon fast an der Scheibe, in diese orangeroten Augen starrend. Abrupt reißt uns eine Besucherin aus dieser Spannung: „Was ist das für ein Fisch?“.

Schleie_Auge
Nahaufnahme des Auges einer Schleie, Foto: © shutterstock 115854907 / Kletr

Grün und wie Messing wirkt die Schleie für uns. Kleine orangerote Augen besitzt sie, an jedem Mundwinkel schmiegt sich ein Bartfaden an. Das breite, endständige Maul mit kurzer Maulspalte öffnet und schließt sich. In ihm finden wir Schlundzähne.  Jeder ihrer Flossen abgerundet, schimmert der Rücken für uns dunkelgrün, aber auch dunkelbraun entgegen. Manche sehen auch goldgrün oder olivgrün. Gelb ist der Bauch getönt. Insgesamt wirkt sie kräftig mit hohem Schwanzstiel, der oft schwach eingebuchtet ist. Männchen besitzen eine verlängerte Bauchflosse. Bei älteren Milchnern (Männchen), sie leben maximal 20 Jahre, reichen diese oft bis zur Afterflosse. Überhaupt zeigt sich der erste Flossenstrahl verdickt, was bei Rognern, so nennen wir die weiblichen Fische, nicht so vorkommt. Messen wir die Länge der Schleien, kommen wir auf bescheidene 20 bis 30 cm, aber höchstens auf 70 cm. 300g wiegen die meisten Schleien, wobei die schwerste stattliche 7,5 kg schwer war. Sehr klein und tief in der Oberhaut präsentieren sich die Schuppen. Würden wir diese berühren, hätten wir Schleim auf unseren Händen.

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Nahaufnahme der Schuppen, Foto: © shutterstock 138734273 / Imageman

Die Macht des Schleims

Dem Schleim verdankt die Schleie ihren Namen. [S]lei aus der alten indogermanischen Sprache heißt so viel wie feucht, schleimig, klebrig sein. Auch der lateinische Name tinca tinca hat mit dem Schleim zu tun, leitet er sich vom lateinischen Wort tingere ab, welches benetzen oder befeuchten heißt. Über dieses markante Merkmal zerbrachen sich einige Menschen die Köpfe. Hat dieser einen Nutzen, war vielfach von hohem Interesse. So entstand im Mittelalter die Vorstellung, dass andere Fische sich an der Schleie reiben, um von der heilenden Kraft des Schleims berührt zu werden. Hechte und Barsche würden sie auch nicht fressen, um sie bei Erkrankungen aufzusuchen. Oft banden Heiler die lebenden Schleien an die Stirn, um Kopfweh zu behandeln. Bei Gelbsucht fixierten sie die armen Fische am Bauch und gegen die Pest wurden die Schleien an den Füßen der Erkrankten angebunden. Diese Mühen zeigten keinen Erfolg. Auch Augenentzündungen blieben, obwohl so oft Schleien ins Genick gelegt wurden, erhalten. Was nützt uns nun der Schleim? Er hilft uns bei der Bestimmung des Fisches.

Kulinarische Genüsse und Lieblingsbeschäftigung für Schleien

Schleien sind nicht wählerisch, sie passen ihre Nahrung dem realen Angebot an. Besonders gerne isst sie Schnecken, aber verschmäht auch nicht andere Bodentiere im Wasser. Es kann auch vorkommen, dass sie sich Pflanzen einverleibt. Schwierigkeiten bereitet die pflanzliche Ernährung im kurzen Darm des Fisches, er verwertet pflanzliche Teile nicht ausreichend. Wasserinsekten, Larven, Kleinkrebse gehen und schmecken besser. Fallen Maden ins Wasser, freut sich die Schleie sehr. Den Geruch von Rot- und Mistwürmern liebt sie, die proteinreichen Larven der Mehlwürmer nehmen Schleien gerne an. Manchmal essen sie in großer Zahl den Karpfen das Futter weg. Entscheidend ist aber nicht nur das Vorhandensein von Futter, sondern auch die Temperatur. Zwischen 12 und 26°C gefällt es Schleien. Bei über 28°C fällt sie in einen Hitzeschlaf, bei unter 12°C geht sie in die Winterruhe.

Essen und Schlafen gehören nicht allein zu den Beschäftigungen der Schleie. Schon mit drei Jahren werden sie geschlechtsreif. Häufig messen sie dann schon 20 bis 30 cm, außer wenn die Verbuttung einsetzt. Fehlen Raubfische oder gibt es zu viele Schleien im Gewässer, wachsen sie nur 10-15 cm, sind aber dennoch geschlechtsreif. Wenn der Weizen blüht, also im Sommer (Mai-Juli) beginnt die Laichzeit. An Unterwasserpflanzen kleben sie dann, die 300.000 bis 600.000 Eier pro Weibchen. Diese hohe Zahl an Nachkommen zu versorgen, scheint für Schleien nicht möglich zu sein, sie halten keine Brutpflege. Die Dämmerung treibt die Schleien aus dem Schlaf und aktiviert sie. Dennoch brauchen sich andere Fischarten nicht wirklich fürchten. Der zu den Karpfenartigen zählende ist friedlich.

Weitverbreitet und doch gefährdet

Mit Ausnahme von Griechenland, Nordspanien, Schottland, Nordskandinavien und der Krim, finden wir die Schleie in vielen Ländern Europas. Der Grundfisch liebt langsam fließende Gewässer, flache, warme Seen. In Teichen mag er dichten Pflanzenbewuchs, wo er sich tagsüber entweder dort oder im schlammigen Untergrund zurückzieht. Im Brackwasserbereich der Ostsee überlebt er die Salzkonzentrationen gut. Im Alpenraum finden wir den Teichfisch bis zu einer Höhe von 1600 Metern vor. Was kann diesen weitverbreiteten Fisch noch aufhalten? Leider recht vieles. Zwar mag die Schleie stehende Gewässer, doch kommt es zu hoher Eutrophierung (Anreicherung pflanzlicher Produktion und Nährstoffe), sieht die Sache anders aus. Zu viele flache, krautreiche Uferzonen gefährden die Schleien. Mittlerweile nimmt die Zahl der Schleien in Österreich ab. In intensiv genutzten landwirtschaftlichen Flächen benötigen wir unbedingt Pufferstreifen, die die Eutrophierung aufhalten. Auch die Renaturierung verbauter Ufer hilft nicht nur der Schleie, sondern vielen weiteren Fischarten. Helfen wir gemeinsam diesen friedlichen, noch weitverbreiteten Fisch nicht noch weiter zu gefährden!

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Autor: Mag. Josef Keler
Kultur- und Naturvermittler | Nationalpark - Ranger

Quellen und Links:
Hauer, W. 2020. Fische, Krebse & Muscheln in heimischen Seen und Flüssen. Dobl/Graz.
https://fishbase.mnhn.fr/summary/Tinca-tinca.html Zugriff:13.02.2024, 14:01 Uhr
https://www.lfvooe.at/fische/schleie/ Zugriff: 13.02.2024, 14:02 Uhr
https://www.noe-lfv.at/fischarten_in_noe_schleie.php Zugriff:13.02.2024, 14:02 Uhr
https://www.donauauen.at/wissen/natur-wissenschaft/fauna/schleie-tinca-tinca Zugriff:13.02.2024, 14:02 Uhr
https://pro-fishing.de/blog/die-schleie-einzigartiger-grundfisch-im-portrait/ Zugriff:13.02.2024, 14:02 Uhr
https://acrobat.adobe.com/id/urn:aaid:sc:EU:a7b279eb-d9e1-444b-808c-aa56fe8c65b7 Zugriff:13.02.2024, 14:03 Uhr
https://www.aqualog.de/blog/die-schleie-maerchen-und-wahrheiten/ Zugriff:13.02.2024, 14:03 Uhr
https://www.doctor-catch.com/de/friedfischangeln/schleie-angeln-anfuettern-und-die-besten-koeder Zugriff:13.02.2024, 14:04 Uhr
https://acrobat.adobe.com/id/urn:aaid:sc:EU:922026bf-8b8b-4340-b997-06fbdf623401 Zugriff:13.02.2024, 14:04 Uhr
https://www.pivi.de/arten/fische/karpfenfische/schleie/ Zugriff:13.02.2024, 14:04 Uhr
https://www.iucnredlist.org/species/21912/9339248 Zugriff:13.02.2024, 14:05 Uhr
https://www.lko.at/die-schleie-ist-fisch-des-jahres-2024+2400+3947191 Zugriff:13.02.2024, 14:05 Uhr
https://www.nabu.de/tiere-und-pflanzen/sonstige-arten/fische/05761.html Zugriff:13.02.2024, 14:05 Uhr

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