Das Landkärtchen. Ein wandelbarer Geselle – Insekt des Jahres 2023

Foto 1:  Landkärtchen auf Bachbett in Weiz © Georg Teischinger

Saftige Wiesen, lichte Wälder am Bach und inmitten solcher Naturparadiese flattert ein kleiner Geselle von Brennnessel zu Brennnessel. Die Rede ist von dem vielgestaltigen Schmetterling namens Landkärtchen.

Zur Geschichte des Landkärtchens

Das Landkärtchen wurde erstmals im 18. Jahrhundert von Carl von Linne beschrieben. Landkärtchen wurde es wegen seiner feinen Musterung an der Unterseite der Flügel genannt, welches einen an das Relief und die Grenzen einer Landkarte erinnert. Carl von Linne hat aber damals noch zwei ähnlich aussehende Schmetterlinge entdeckt und diese als unterschiedliche Arten gedeutet.  Das Landkärtchen ist ein enorm wandelbarer Schmetterling, das wusste Linne in der damaligen Zeit noch nicht. Erst im 20. Jahrhundert hat man herausgefunden, dass das Landkärtchen zwei verschiedene Farb- und Muster- Variationen an der Flügeloberseite und auch Größen ausbilden kann. Seitdem ist es Gegenstand vieler aufschlussreicher Forschungsarbeiten.

Warum gibt es das Landkärtchen in so vielen Varianten?

Dieses Rätsel wurde in den 1950er Jahren noch nicht annähernd gelöst. Forscher:Innen haben damals entdeckt, dass die Landkärtchen-Generation im Frühjahr ein eigenes orangefarbenes Muster an der Flügeloberseite ausbildet und im Sommer ganz anders, nämlich eher braun aussieht. Spannend wird es bei der Frage, warum das so ist – über sie wird weiter gerätselt!
Die Lösung des Rätsels könnte laut neuen Studien auf ein Versteckspiel vor seinen Feinden, den Vögeln, deuten. Im Frühling blühen mehr Blume, während im Sommer die Vegetation eher braun und verdorrt ist.  Deswegen ist die Frühlingsgeneration der Landkärtchen eher bunt, orange gefärbt. Das macht es wahrscheinlich den Vögeln schwerer das Landkärtchen in der Wiese zu orten. Es bleibt auf jeden Fall weiterhin spannend. Eines können wir fast mit Gewissheit sagen, nämlich wenn es um seine Größe geht. Das Landkärtchen ist im Frühjahr schlank und hat kleinere Flügel. Im Sommer ist es sehr gedrungen mit großen Flügeln. Jetzt ist es aber nicht so, dass das Landkärtchen nach einem vollgefressenen Raupenfasching fastet, oder sich im Sommer Speck für den harten Winter anfressen müsste. Nein, das Frühlings-Landkärtchen hat durch all die Blumen im Frühjahr einfach viel mehr Nahrungsangebot als im Sommer. Deshalb muss es im Frühling nicht so weit fliegen wie seine Verwandten im Sommer. Darum hat es weniger Muskelmasse und Flügelfläche als im Sommer. Ist das nicht bewundernswert, was sich so ein kleiner Falter alles einfallen lässt?

Landkärtchen
Foto 2 (links): Landkärtchen Frühlingsgeneration © Gernot Kunz; Foto 3 (rechts): Landkärtchen Sommergeneration © Georg Teischinger

Wo findet man überall das Landkärtchen?

Das Landkärtchen bevorzugt feuchte Wälder, Wiesen und Hochstaudenflure, in denen seine Futterpflanze, die Brennnessel, vorkommt. Auf der Brennnessel legt das Landkärtchen auch bevorzugt seine Eier ab.
Weltweit ist das Landkärtchen von Japan über Asien, neuerdings auch bis in die Türkei und in weiten Teilen Europas anzutreffen.  Das Landkärtchen scheint ein Gewinner des Klimawandels und der Überdüngung von Böden zu sein. Einerseits kann sich das Landkärtchen durch die steigenden Temperaturen im Norden wie z.B. in Finnland und Schweden immer mehr ausbreiten. Andererseits führt die intensive Landwirtschaft zu überdüngten Wiesen in denen sich die stickstoffliebende Brennnessel sehr wohl fühlt.  Brennnesseln wachsen nämlich sehr gerne auf überdüngten, nährstoffreichen Böden. Und die Brennesel ist eine beliebte Futterpflanze der Raupe und Babystube des Schmetterlings. Das alles bedingt, dass das Landkärtchen mittlerweile nicht mehr vom Aussterben bedroht ist.

Fortpflanzung und Entwicklung

Das Weibchen klebt die Eier faden - bzw. turmartig gestapelt auf die Unterseite der Brennnessel. Hier werden bis zu zehn Eier untereinander hängend gestapelt. Diese für uns Menschen besonders kunstvolle und in der Natur einzigartige Art der Eiablage ist beeindruckend. Durchschnittlich kann das Weibchen bis zu 70 Eier am Tag legen. Die Raupen schlüpfen nach zehn Tagen und begeben sich dann gesellig auf Futtersuche. Die Frühlingsgeneration schlüpft Ende März und die Sommergeneration Mitte Juni. Nach etwa zwei Wochen verpuppen sich die Raupen hängend an Pflanzen mit einem Seidenfaden. Besonders schnell und auch wieder einzigartig in der Schmetterlingswelt, benötigt die Larve nur zwei bis drei Tage, um sich in ihrem Kokon zu einem prachtvollen Schmetterling zu entwickeln. Damit ist das Landkärtchen eines der schnellsten weltweit.

Gefahren für das Landkärtchen

Der Mensch ist diesmal ausnahmsweise kein Feind für das Landkärtchen. Im Gegenteil, das Landkärtchen profitiert von uns Menschen teilweise. Der Klimawandel begünstigt einerseits, dass sich das Landkärtchen in kältere Regionen ausbreiten kann. Andererseits gedeihen Brennnessel in von Menschen überdüngten Gebieten besser, was auch dem Landkärtchen zugutekommt. Trotzdem gibt es einige Herausforderungen für das Landkärtchen. Vor allem als Raupe ist das Landkärtchen trotz seiner stacheligen Behaarung ein gefundenes Fressen für Weberknechte, Spinnen und parasitäre Wespen, die ihre Eier in die Raupe legen. Als Schmetterling sind seine größten Feinde die Vögel und auch Krabbenspinnen, die dem Landkärtchen auf Blüten auflauern.

Obwohl das Landkärtchen eine nicht bedrohte Art ist, sind viele andere Tag- und Nachtfalter mittlerweile im Rückgang. Mehr als die Hälfte der Tag- und Nachtfalter sind gefährdet.  2 bis 4% der Schmetterlingsarten sind in Österreich schon ausgestorben. Schmetterlinge und Insekten haben eine unglaubliche Bestäubungsleistung. Ohne diese Tiergruppe würden wir weniger Essen auf unseren Tellern haben. Diese drastische negative Entwicklung bei den Schmetterlingen und Insekten kann man durch Schaffung von Grüninseln, Trittbiotopen, naturnahe diverse Landwirtschaft, einen naturnahen Garten, sorgsameren Umgang mit Licht und vor allem durch weniger Versiegeln unserer heimischen Böden und Naturwiesen entgegenwirken.

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Autor: Georg Teischinger; BSc.


Weiterführende Links:
https://www.nabu.de/tiere-und-pflanzen/insekten-und-spinnen/schmetterlinge/tagfalter/06054.html
https://www.bluehendesoesterreich.at/naturmagazin/landkaertchen-schmetterling
 
Quellen:
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HUEMER, P. (2016): Ausgefaltert, Der stille Tod der österreichischen Schmetterlinge. Blühendes Österreich – REWE International gemeinnützige PrivatstiftungIndustriezentrum NÖ-Süd, Straße 3, Objekt 16, A-2355 Wiener Neudorf, www.bluehendesoesterreich.at und Umweltschutzorganisation GLOBAL 2000/Friends of the Earth Austria
KOCH, P. B. & Bückmann, D. (1987): Hormonal control of seasonal morphs by the timing of ecdysteroid release in Araschnia levana (Nymphalidae: Lepidoptera). ‒ Journal of Insect Physiology, 33: 823-829.
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MÜLLER, H. J. (1955): Die Saisonformenbildung von Araschnia levana – ein photoperiodisch gesteuerter Diapause-Effekt. ‒ Naturwissenschaften, 42: 134-135.
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SCHMITT T. & WIEMERS M. (2022): Das Landkärtchen Araschnia levana, Insekt des Jahres 2023, Deutschland, Österreich, Schweiz. – Hrsg.: Kuratorium Insekt des Jahres, Senckenberg Ge#sellschaft für Naturforschung, Frankfurt am Main, Folder, 8

 

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