Museum zu Gast: das Puppen- und Spielzeugmuseum Baden

Logo Versteckt, aber nicht zu übersehen: Das Puppen- und Spielzeugmuseum in einem Nebengebäude der 1838 erbauten Attemsvilla in Baden (© Abteilung Museen Baden).

Rechtzeitig vor Weihnachten durfte das Museum Niederösterreich wieder seine Pforten öffnen und lud abermals ein niederösterreichisches Museum als Gast ein, diesmal das Puppen- und Spielzeugmuseum in Baden.

Für die Wahl waren zwei Gründe entscheidend: Erstens gibt es wohl kaum passendere Exponate zur Weihnachtszeit als Puppen und Teddys, die einst wie heute Kinderherzen höher schlagen lassen. Zweitens feiert das Museum dieses Jahr ein Jubiläum, das in den Wirren der Corona-Epidemie nahezu völlig untergegangen ist: Vor 30 Jahren öffneten sich zum ersten Mal die Pforten zu diesem Paradies für Kinder und für alle, die im Herzen jung geblieben sind.
 
WeidingerHeute begrüßt Barbara Lorenz, die Tochter der Museumsgründerin, die großen und kleinen Besucher*innen (© Abteilung Museen Baden).

Begonnen hat alles 1968 während einer Bahnfahrt nach Italien: Helga Weidinger – die Begründerin der Sammlung – kaufte sich als Reiselektüre ein Buch über historische Puppen. Bilder und Text machten Lust auf mehr: Warum nicht auch ein oder zwei solcher historischer Puppen erwerben? Nun, wir kennen das aus eigener Erfahrung: Ist einmal die Leidenschaft für eine Sache entfacht, dann bleibt es nicht bei einem oder zwei – jeder freier Platz füllt sich dann mit Büchern oder Porzellan oder wie im Fall von Helga Weidinger mit Puppen. Zu den Puppen gesellten sich bald Puppenstuben und -küchen mit reichster Ausstattung. Der erste Teddybär kam, ihm folgten weitere – man kann doch einen Teddy nicht allein lassen, er braucht doch Gesellschaft. Die Beutezüge auf Flohmärkten waren immer erfolgreich: Soviel gab es da zu sammeln: Blechspielzeug, Kinderbücher, Nachziehtiere und vieles anderes mehr. Aus der anfänglich kleinen Sammlung war längst ein Bestand geworden, der eines Museums würdig war. 1990 konnte das Puppen- und Spielzeugmuseum der Gemeinde Baden eröffnet werden. Museum und Sammlung wurden weiterhin von Helga Weidinger betreut. Heute hat sich in ihrer Tochter Barbara Lorenz eine perfekte Nachfolgerin gefunden.    
In dem Nebengebäude der Villa Attems sind auf zwei Ebenen hunderte Exponate untergebracht, liebevoll zu kleinen Gruppen arrangiert. Ob Puppenküchen, in denen kleine Köchinnen ans Werk gehen oder Schulen für Bärenkinder, alles ist hier vertreten, was junge und alte Kinderherzen begehren. Das älteste Objekt ist ein Guckkasten aus dem Jahr 1760 und eine Papierankleidepuppe mit acht „Roben“ von 1820.

Puppenstube
Puppenstube, Firma Moritz Gottschalk, Marienberg, um 1900 (© Abteilung Museen Baden, Foto: Peter Böttcher)

Puppenstuben oder ganze Puppenhäuser waren einst ein heiß begehrtes, aber auch teures Spielzeug, das sich nur vermögende Eltern leisten konnten. So mancher Vater opferte daher viele Nächte, um ein Puppenhaus samt Einrichtung selbst zu bauen.
Übrigens: Das erste Puppenhaus stand in der Münchner Residenz. Herzog Albrecht V. von Bayern ließ es 1557 anfertigen. Leider fiel es dem Brand der Residenz 1674 zum Opfer. Nur Inventare unterrichten uns noch heute über seine reiche Ausstattung. Vermutlich war es kein Spielzeug, sondern diente als Schauobjekt im Zeitalter der Kunst- und Wunderkammern. Ihm folgten reiche bürgerliche Familien, die sich ihre Stadthäuser en miniature nachbauen ließen. So richtig als „Spielzeug“ entdeckte man das Puppenhaus erst im ausgehenden 18. und 19. Jahrhundert. Im Versandhauskatalog des Nürnberger Großhändlers Georg Hieronimus Bestelmeier finden sich im Angebot des Jahres 1803 Puppenhäuser, Spielzeug-, Stoff-, Mode- und Putzmacherläden. Puppenküchen ergänzten im ausgehenden 19. Jahrhundert das Spielzeugsortiment. Allerdings Miniaturkochgeschirr aus Ton gab es schon früher: Goethe berichtet in seiner Autobiographie Aus meinem Leben schon von kleinen Töpfen und Schüsseln, die man ihm am Topfmarkt zum Spielen kaufte. Allerdings fand er es viel lustiger, diese beim Fenster hinauszuwerfen – darf man da sagen: typisch Knabe?

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Biedermeierpuppe mit Lederkörper und glasiertem Porzellanschulterkopf (© Abteilung Museen Baden, Foto: Elisabeth Vavra)
Das älteste Spielzeug ist wohl die Puppe. Schon aus der jüngeren Steinzeit sind puppenähnliche Objekte erhalten. Puppen mit beweglichen Gliedmaßen waren im antiken Mittelmeerraum bekannt. Mit Puppenmöbel spielten bereits die kleinen Römerinnen. Im Spätmittelalter etablierte sich in Nürnberg – wie könnte es anders sein  – das Handwerk der Dockenmacher (docke = Puppe). Christoph Weigel reiht sie in seiner Abbildung Der Gemein-Nützlichen Haupt-Stände (1698) in den Reigen der Handwerke ein. Die ältesten Werkstoffe waren Holz und Ton. Mitte des 18. Jahrhunderts wurde sie von plastischen Stoffen abgelöst. Zunächst wurden die Puppenköpfe mit freier Hand von den Bossierern aus einem teigartigen Material – meist Roggenmehl mit Leimwasser vermischt – geformt. Zu Beginn des 19. Jahrhunderts begann man Papiermaché und auch Wachs als Material zu verwenden. Beide Materialien musste man nicht mehr von Hand einzeln zu Puppenköpfen verarbeiten, sondern man konnte sie in Formen pressen. Die Verwendung solcher Formen ermöglichte eine Steigerung der Produktion. Etwa um die Mitte des 19. Jahrhunderts entdeckte man Porzellan als Material für die Herstellung von Puppenköpfen. 1896 produzierte die Rheinische Gummi- und Celluloidfabrik  dann die erste Puppe aus Celluloid. Die Puppenmarke Schildkröt war geboren. Diese Puppen waren bruchfest, abwaschbar, farbecht und hygienisch. Schildkröt-Puppen werden bis heute produziert.
 
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Charakterköpfchen Tinerl, Theodor Recknagel, 1914 (© Abteilung Museen Baden, Foto: Elisabeth Vavra)
Lange Zeit bildeten Puppen erwachsene Frauen ab, immer nach der neuesten Mode gekleidet. Das hängt sicher mit der zweiten Funktion von Puppen zusammen: In der höfischen Welt dienten sie – ähnlich wie Barbie heute – als Kleidermodelle. Pariser Couturiers zogen sie nach den neuesten Trends an und verschickten sie als Modepuppen an adelige Höfe in ganz Europa. Erst in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts nahmen die nun schon zahlreichen Puppenhersteller Modelle in ihre Sortimente auf, die kindliche Züge und Proportionen aufwiesen und dementsprechend gekleidet waren.    
Die Entdeckung der Kindheit als eigene Lebensphase und die Entwicklung der pädagogischen Reformbestrebungen prägten zunehmend die Erscheinungsformen der Puppen. Um 1908 begannen KünstlerInnen wie Marion Gräfin Kauliz oder Marie Marc-Schnür – die erste Ehefrau von Franz Marc – Puppen zu entwerfen und herzustellen. Die Künstlerpuppe war geboren. Die Antwort darauf waren die Charakterpuppen. Statt des geschönten Frauengesichts nahmen die Köpfchen nun kindliche Züge an. Sie waren nicht mehr idealisiert, ihre Mimik drückte die gesamte Bandbreit von Gefühlen aus: von heller Freude bis zu heftigem Zorn. Führend war hier die Firma Kämmer & Reinhardt in Waltershausen,  Thüringen, einem Zentrum der Puppenherstellung. Ernst Kämmer modellierte die Köpfe der Charakterpuppen, oft nach Entwürfen von Bildhauern. 1909 ließ er die Bezeichnung Charakterpuppe urheberrechtlich schützen. Auch Käthe Kruse fertigte solche. Sie zeigte sie erstmals 1910 im Berliner Warenhaus Herrmann Tietz.   

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Charakterpuppe Klärchen, Emil Heubach, um 1930 (© Abteilung Museen Baden, Foto: Elisabeth Vavra)

 

So wie Puppenstuben und ihre Bewohnerinnen Mädchen auf ihre zukünftige Rolle als Hausfrau und Mutter vorbereiten sollten, gab es auch das passende Spielzeug für Knaben: Schaukelpferde, die ihrem Bewegungsdrang entgegenkamen, Blechtrommeln und Zinnsoldaten, Bauernhöfe und Dampfmaschinen, die ihre technischen Fähigkeiten anregen sollten, aber natürlich auch viel robustes Gerät zum Spielen im Freien.


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Pferdefuhrwerk, um 1900 (© Abteilung Museen Baden, Foto: Elisabeth Vavra)

Um 1800 begann die Produktion von Blechspielzeug. Zunächst noch in Familienbetreiben hergestellt, etablierte sich im süddeutschen Raum bald die ersten Firmen – Rock & Graner in Biberach, Issmayer in Nürnberg. Nach der Jahrhundertmitte entstanden die bis heute bekannten Firmen wie Märklin 1859, Bing 1863 oder Lehmann 1881. Musste zunächst noch das Blechspielzeug von Hand bemalt werden, so gelang 1889 endlich der Durchbruch: Das Druckverfahren der Lithografie konnte nun auch auf Blech angewandt waren. Als Bildträger diente nicht ein Stein, sondern ein elastischer Gummizylinder. Das neue Verfahren ermöglichte die kostengünstige Herstellung von detailgetreuen Nachbildungen der Welt: Karussells, Straßen- und Eisenbahnen, Traktoren, Schiffe, Autos, Motorräder und so mancherlei Getier. Blechfrösche hüpften, angetrieben durch Feder- oder Uhrwerke, durch die Kinderzimmer, und so mancher bunter Brummkreisel störte den sonntäglichen Mittagsschlaf  der Eltern.

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Elektrische Straßenbahn, um 1930 (© Abteilung Museen Baden, Foto: Elisabeth Vavra)

In Giengen an der Brenz erblickte der Liebling aller Kinder das Licht der Welt. In der kleinen Spielwarenmanufaktur stellte Margarete Steiff Stofftiere her, Hunde und Katzen, aber auch Exoten wie Elefanten und Löwen, die die meisten Kinder damals nur von Abbildungen her kannten. 1902 fertigte ihr Neffe Richard Steiff den Bär Modell  55PB – das Bärle. P steht für Plüsch, B für beweglich.
Die deutsche Version der Entstehungsgeschichte des Teddy-Bären lautet folgendermaßen: Der kleine Kerl 55PB ging auf die weite Reise in die USA und kam postwendend wieder zurück: Niemand wollte ihn kaufen. Margarete Steiff nahm ihn dann auf die Messe nach Leipzig mit. Dort kaufte ihn ein amerikanischer Einkäufer als Reisemitbringsel. Allerdings gefiel der kleine Bär auch dem so Beschenkten nicht. Schließlich landete der Verschmähte in einem New Yorker Schaufenster, wo ihn der Sekretär des US-Präsidenten Theodore Teddy Roosevelt entdeckte. Er erwarb ihn als Dekoration für die Geburtstagstafel von Roosevelts Tochter. Diese soll ihn dann nach ihrem Vater Teddy getauft haben. So die deutsche Version über das Entstehen des Teddy-Bärens.
Die amerikanische Version klingt weniger charmant. Namensgeber ist zwar wieder Theodore Roosevelt, die Umstände sind aber nicht so gefällig. Der Präsident wollte während eines Jagdausflugs 1902 einen Bären schießen. Da sich kein ausgewachsenes Exemplar blicken ließ, banden Mitglieder des Jagdausflugs einen kleinen Bären, den sie gefunden hatten, an einen Baum. Roosevelt weigerte sich, das hilflose Geschöpf zu erschießen. Der Gouverneur von Louisiana tötete den kleinen Kerl schließlich mit einem Jagdmesser. Das Ereignis fand seinen Niederschlag in einer Karikatur in der Washington Post. Das so verewigte Bärenkind wurde zur Symbolfigur für den Präsidenten. Die Karikatur soll sich dann ein russisches Einwandererehepaar zum Vorbild für einen Bären genommen haben, den sie als Schaufensterdekoration bastelten. Von Roosevelt sollen sie die Genehmigung erhalten haben, diesen Teddy’s bear zu nennen. Ein Jahr später gründeten sie die Ideal Novelty and Toy Company und produzierten Bären mit beweglichen Gliedern. Bis heute wird in den USA der 9. September als Teddy Bear Day gefeiert.
Wie es sich tatsächlich zugetragen hat, ob Teddy in Giengen an der Brenz oder in Brooklyn zur Welt kam, ob der Bär im Schaufenster des Geschäftes von Morris Michtom der Bär Modell  55PB  war oder dessen eigene Schöpfung, wird sich wohl nicht mehr klären lassen. Was aber sicher seine Richtigkeit hat, ist der Erfolg, der dem kleinen Bären namens Teddy beschieden war. Noch im selben Jahr 1903 lieferte die Firma Steiff 3.000 Teddybären in die USA. Ein Jahr später verkaufte sie bereits 12.000 Stück. Drei Jahre später waren bereits 400 Mitarbeiter und 1800 Heimarbeiter in der Produktion beschäftigt: 973.999 Teddybären erblickten 1907 das Licht der Welt.

Bärenschule
In der Bärenschule (© Abteilung Museen Baden, Foto: Elisabeth Vavra)

Text: Prof.in Dr.in Elisabeth Vavra

Literatur zum Weiterlesen:
Gitta Grundmann, Handbuch Puppen, Köln 2007.
Thomas Hofmann, Es war einmal … Das Badener Puppen- und Spielzeugmuseum, in: NÖ Kultur-Berichte 3 (1992).
Günther Pfeiffer, 100 Jahre Steiff Teddybären, Königswinter 2001.
Martin Strubreiter, Im Spiegel der Zeit, in: morgen 6 (2016) S. 44–47 (über das Puppen- und Spielzeugmuseum).
Helga Weidinger, „Nur die Kinder wissen, wohin sie wollen“, sagte der kleine Prinz. Gedanken zum Badener Puppen- und Spielzeugmuseum, in: Homo ludens: internationale Beiträge des Institutes für Spielforschung und Spielpädagogik der Universität Mozarteum Salzburg 5 (1995)  S. 299.
Botho G. Wagner, Blechspielzeug. Vom Kindheitstraum zum begehrten Sammlerobjekt, München 1994.
Leonie von Wilckens, Das Puppenhaus. Vom Spiegelbild des bürgerlichen Hausstandes zum Spielzeug für Kinder, München 1978.

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