Der Kleine Wasserfrosch – Amphib des Jahres 2023

Kleiner Wasserfrosch, Bildnachweis: © Axel Kwet, DGHT

Sein Name scheint wie aus einem Kinderbuch entsprungen. Er heißt aber so, weil er der kleinste unter den heimischen Wasserfröschen ist, der Kleine Wasserfrosch.

Eine komplizierte Verwandtschaft

Mag mancher denken, dass Verwandtschaftsverhältnisse prinzipiell kompliziert sind, trifft das auf die drei heimischen Wasserfrösche, Seefrosch, Kleiner Wasserfrosch sowie Teichfrosch, ganz sicher zu.
Denn der Teichfrosch ist eigentlich Kreuzungsprodukt zwischen Seefrosch und Kleinem Wasserfrosch. Als Hybridform kann er sich durch Rückkreuzungen mit seinen Elternarten fortpflanzen.

Wegen ihrer äußerlichen Ähnlichkeit ist es nicht einfach, die drei voneinander zu unterscheiden. Auch wenn die beiden Elternarten etwas deutlicher unterscheidbar sind: der Teichfrosch liegt in vielen Merkmalen dazwischen. Oder ähnelt mit seinen Merkmalen der einen oder anderen Elternform.

Färbung kann täuschen …

Nach der Färbung sollte man nicht gehen, da sie sehr variabel sein kann. Als Indiz für den Kleinen Wasserfrosch kann aber eine Gelbfärbung sein, die sich an seinem Lendenbereich und den Oberschenkeln zeigt. Zur Paarungszeit färbt sich die Oberseite der Männchen zusätzlich hell- bis zitronengelb.

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Bildnachweis: © Axel Kwet, DGHT

… die Beine nicht

Eine sichere Unterscheidung ist anhand der Hinterextremitäten möglich. Ein nach vorne ausgesteckter Hinterfuß macht eine erste Unterscheidung möglich. Beim Kleinen Wasserfrosch mit kürzeren Beinen erreicht das Fersengelenk nie die Höhe der Augen, beim Seefrosch mit längeren Beinen mindestens die Augen.
Auf der Ferse findet sich ein Fersenhöcker, der klare Erkenntnis bringt. Ist der Fersenhöcker groß, hochgewölbt und halbkreisförmig hat man den Kleinen Wasserfrosch vor sich, ist er flach und kurz den Seefrosch. Der Fersenhöcker des Teichfrosches ist mittelgroß, zwar gewölbt aber nie halbkreisförmig.

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Auf diesem Bild erkennt man den Fersenhöcker; Bildnachweis: © Andreas Nöllert, DGHT

Vorsicht!
Amphibien sollte man nur mit Händen angreifen, die frei von allen Rückständen sind. Reste von Sonnencreme, Desinfektionstüchern, Seife oder Gelsenschutzmittel können die Amphibienhaut nämlich empfindlich schädigen. Und bei einem „Rettungssprung“ aus den Händen eines stehenden Menschen, kann sich auch ein Frosch mit seinem Sprungvermögen verletzten!

Lautstarke Werbung

Eine Chance, Wasserfrösche „aus der Ferne“ zu bestimmen, hat man bei quakenden Männchen. Nicht nur die erzeugten Laute, auch die Färbung der Schallblasen kann hier weiterhelfen. Übrigens nur männliche Wasserfrösche haben zwei Schallblasen, Weibchen nicht.

Beim Kleinen Wasserfrosch sind sie unpigmentiert, so dass sie im aufgeblasenen Zustand weiß, fast durchsichtig wirken. Die von männlichen Seefröschen hingegen sind immer grau bis schwärzlich, die von Teichfrosch-Männchen meistens gräulich.
Die Rufe des Kleinen Wasserfrosches lassen sich als anschwellendes Schnarren beschreiben. Die keckernden Rufreihen, die an Gelächter erinnern, haben dem Seefrosch den Artnamen „ridibundus“, „der Lachende“ eingetragen. Teichfrösche haben diese Rufreihen auch, allerdings mit kürzeren Abständen wodurch sie schmetternd klingen.

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Bildnachweis: © Benny Trapp, DGHT

Vor ihren Konzerten müssen sich männliche Wasserfrösche übrigens regelrecht aufpumpen. Bei geschlossenem Mund dehnen sie den Mundboden nach unten und nehmen über die Nasenlöcher Luft auf. Nach Schließen der Nasenlöcher drücken sie durch Anheben des Mundbodens die Luft dann in die Lungen. Machen sie das mehrmals hintereinander, füllen sich ihre Lungen mit Luft, sie werden dadurch regelrecht aufgebläht. Durch Druck der Körpermuskulatur pressen sie die Luft aus den Lungen durch den Kehlkopf in die Schallblasen. Beim „Ausatmen“ werden die Stimmbänder in Schwingung versetzt was die Laute erzeugt. Beim Zurückführen der Luft in die Lungen hört man nichts.

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Bildnachweis: © Benny Trapp, DGHT

Frosch am Teller

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Frosch auf einem Teller sitzend; Bildnachweis: © Shutterstock ID: 82480942, Foto: Sergey Novikov

In der französischen und belgischen Küche haben Froschschenkel auch heute noch einen festen Platz. Jährlich werden dafür in die EU rund 4000 Tonnen eingeführt. Die rund 200 Millionen Frösche, die dafür jedes Jahr sterben müssen, fehlen zweifellos im Naturhaushalt der Exportländer wie Indonesien, Indien oder Bangladesch.

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Traditionell gebratene Froschschenkeln in der Pfanne; Bildnachweis: © Shutterstock ID: 1931881199, Foto: M-Production

Die kulinarische Nutzung von Fröschen ist aber kein Phänomen der Moderne. Eher ein Relikt aus Zeiten, in denen die Bandbreite der im Alltag genutzten Tier- und Pflanzenarten viel größer war als heute.
Wenn der Schwede Carl von Linné 1758 den Teichfrosch mit dem Artnamen „esculentus“, „der Essbare“ ausstattet, wird das seine Gründe gehabt haben. Und beim Fang wurde sicher nicht nach Arten unterschieden. Professionelle Fänger nutzten laut „Oeconomische Encyclopädie“ (1778/1786) kleine Armbrüste, die Frosch-Schnepper, oder hakenbesetzte Klitschangeln, die mit einem roten Tuch als Köder ausgestattet waren.

Heute braucht keiner der heimischen Wasserfrösche das Küchenmesser zu fürchten. Wie alle anderen Amphibienarten stehen sie unter strengem Naturschutz. Die Bedrohungen sind aber nicht weniger geworden, sie haben sich nur verlagert.

Hohe Ansprüche

Von den heimischen Wasserfröschen scheint der Kleine Wasserfrosch am gefährdetsten zu sein. Was sicher daran liegt, dass er recht hohe Ansprüche an seinen Lebensraum stellt.
Nur in Gewässern, die sonnenbeschienen, frei von Fischen und reich an Vegetation sind, können sich seine Kaulquappen entwickeln. Gewässer wie Wassergräben, verschilfte Teiche, Altwässer oder Moore sind aber nicht nur menschlicher Regulierungswut ausgesetzt, sondern auch von zunehmenden Trockenperioden bedroht.
Die strukturreichen, verlandenden Gewässer müssen zusätzlich eng mit feuchten Landlebensräumen verzahnt sein. Denn nach der Paarungszeit zieht es den Kleinen Wasserfrosch an Land, was ihn von den meisten anderen europäischen Wasserfroscharten unterscheidet. In feuchten Wiesen oder Wälder jagt er nach Beute und überwintert dort auch. Er sucht dazu Höhlen, verlassenen Tierbauten oder den geschützten Bodenbereich etwa unter Totholz auf.

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Bildnachweis: © Andreas Nöllert, DGHT

Wie die anderen Wasserfrösche stellt der Kleine Wasserfrosch einen wichtigen Knotenpunkt im heimischen Naturhaushalt dar. Kaulquappen und Frösche regulieren Algenbewuchs wie Gelsendichte und ernähren selbst viele Beutegreifer. Allein aus diesem Grund sollten wir sie und ihre Lebensräume nicht nur 2023, sondern weit darüber hinaus nicht mehr aus den Augen lassen.

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Autor: Mag. Norbert Ruckenbauer

 

Literatur:
GLANDT Dieter (2016) Amphibien und Reptilien. Herpetologie für Einsteiger. Seiten 67-69. Springer Verlag: Berlin, Heidelberg.
https://de.wikipedia.org/wiki/Frosch_(Lebensmittel), Stand 07. Mai 2023
KAUFMANN Peter: Der Kleine Wasserfrosch in Österreich. Seiten 28 – 32. In: PLÖTNER Jörg et al. (2022) Der Kleine Wasserfrosch. Lurch des Jahres 2023. Broschüre der Deutschen Gesellschaft für Herpetologie und Terrarienkunde e.V. (DGHT), https://www.dght.de/files/web/tier_des_jahres/2023/Broschüre_Kleiner Wasserfrosch 2023.pdf
NÖLLERT Andreas, NÖLLERT Christel (1992) Kosmos Naturführer. Die Amphibien Europas. Bestimmung, Gefährdung, Schutz. Seiten 341 - 352. Franckh-Kosmos Verlag: Stuttgart.
ORF.at (Red.)/Agenturen (2022) EU-Importe von Froschschenkeln bedrohen Bestände. https://orf.at/stories/3272579/, Stand 23. 06.2022, abgerufen am 04.08.2023
PLÖTNER Jörg: Der Kleine Wasserfrosch (Pelophylax lessonae) – Lurch des Jahres 2023. Seiten 5-27. In: PLÖTNER Jörg, KAUFMANN Peter, SCHMIDT Benedikt, ZUMBACH Silvia, PROESS Roland, WEIGAND Hannah, FRANTZ Alain (2022) Der Kleine Wasserfrosch. Lurch des Jahres 2023. Broschüre der Deutschen Gesellschaft für Herpetologie und Terrarienkunde e.V. (DGHT), https://www.dght.de/files/web/tier_des_jahres/2023/Broschüre_Kleiner Wasserfrosch 2023.pdf

Nutzungsrechte der Fotos des Kleinen Wasserfrosches © DGHT siehe hier.

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