Wintervogelfütterung: ein Genuss für Tier und Mensch – und zunehmend bedeutend für den Artenschutz

Kohlmeise, Foto: © Günter W. Hieger

Es ist November. Und trotz der durch den Klimawandel immer höher werdenden Durchschnittstemperaturen werden die Tage kürzer und die Nächte kälter und ungemütlicher. Für viele Menschen bedeutet das auch, dass sie wieder an ihre gefiederten Nachbarn und Besucher ihrer Gärten denken, und sie bereiten sich auf deren Winterfütterung vor. Mit Futterstellen lässt sich eine bemerkenswerte Zahl von Vogelarten anlocken. Buchfink, Erlenzeisig, Grünfink, Kohl- und Blaumeise, Haus- und Feldsperling, Amsel, Stieglitz, Rotkehlchen, Kleiber, Buntspecht … Das ist nur eine kleine Auswahl der Arten, die man beobachten und mit ein bisschen Erfahrung auch leicht bestimmen kann.

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Stieglitz und Sperling bei der Futterstelle, Foto: © Günter W. Hieger

Die schlechte Nachricht: Selbst diese häufigen Arten werden immer mehr zum Opfer des allgegenwärtigen Verlustes der Artenvielfalt, der vielfältige menschengemachte Ursachen hat.
Es ist sehr positiv, dass sehr viele Menschen sich an solchen privaten Vogelfütterungen beteiligen. Inwieweit das den Beständen der Wildvögel wirklich hilft, und wie und wann man am besten füttert, wollen wir uns in diesem Blogbeitrag etwas näher anschauen.

Vogelfütterung im Wandel der Zeit

Das Bereitstellen von Futterquellen für Wildvögel bereitet Menschen seit über 200 Jahren Freude. Die Gründe sind vielfältig und haben sich im Laufe der Zeit auch verändert. Um 1900, als das Vogelfüttern richtig populär wurde, war allerdings die Bestandssituation heimischer Wildvögel eine ganz andere. Das Füttern diente als Möglichkeit, Tieren Gutes zu tun, und bot auch die Gelegenheit, die zum Futterplatz kommenden Arten kennenzulernen und zu beobachten. So bekam die Vogelfütterung auch einen erzieherischen Wert. Wirklich notwendig war die Zufütterung aber (noch) nicht, da es im Vergleich zu heute sowohl viel höhere Populationen an Wildvögeln als auch ausreichende natürliche Futterquellen gab. Das änderte sich im Verlauf des 20. Jahrhunderts. Die Intensivierung der Landwirtschaft veränderte die Lebensräume und verknappte die Nahrungsgrundlage der Vogelwelt immer mehr, sodass eine zusätzliche Fütterung durch die Menschen zunehmend wichtig für den Arten- und Naturschutz wurde.

Vogelfütterung als fachliche Kontroverse

Allerdings war – und ist es zum Teil immer noch - diese Art von Fütterung keineswegs unumstritten unter den Fachleuten. Immer wieder wurde die Meinung vertreten, dass die Vogelfütterung unnötig wäre, da die betroffenen Arten ja durchaus an die strengen Winter Mitteleuropas angepasst wären und eine gewisse Selektion natürlich sei. Zudem gab es das Argument, dass die Fütterung in Gärten nur wenige bestimmte Arten an Kulturfolgern anlocken würde, und viele scheuere Arten davon nicht profitieren könnten. Manche Argumente gingen noch weiter, und die Fütterung wurde von manchen sogar als nachteilig gesehen, da Vögel „verlernen“ könnten, sich selbst natürliche Nahrungsquellen zu suchen, wenn sie gewohnt wären, im Garten einen reichlich gedeckten Tisch zu finden. Das ist aber nachweislich nicht der Fall.

Noch 2001 wurde in einem Fachbuch zum Vogelschutz (Richard und Bezzel, 2001) die Vogelfütterung als unerheblich für den Arten- und Naturschutz betrachtet. Wenn, dann solle nur in sehr strengen Wintern zugefüttert werden. Nicht bestritten wurden aber auch dort die Vorteile der Fütterung für das Kennenlernen und Beobachten der Vögel, und mithin einer Sensibilisierung für die Welt der Wildtiere vor der Haustüre.

Vogelfütterung als angewandter Artenschutz – nicht nur im Winter

Heute sind viele Fachleute aus dem Bereich der Vogelkunde (Ornithologie) anderer Meinung. Die Situation der Vogelbestände hat sich dramatisch verschlechtert. Aber auch die Verfügbarkeit natürlicher Nahrungsquellen hat massiv abgenommen. Dies gilt sowohl für pflanzliche Nahrung (Fehlen von Wildkräutern und Sträuchern in der intensiven Landwirtschaft, in der Brachen, Wiesen und Hecken fehlen), als auch für tierische Nahrung (Stichwort Insektensterben).

Allen voran tritt der deutsche Ornithologe Peter Berthold seit Jahren für eine ganzjährige Fütterung von Vögeln, also nicht nur eine Winterfütterung, ein. Studien zeigen, dass heutzutage dadurch nicht nur höhere Fortpflanzungsraten und eine Stabilisierung von Beständen belegbar sind, sondern dass diese Form des Vogelschutzes in Zukunft sogar von kritischer Bedeutung für den Naturschutz werden könnte.

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Grauschnäpper bei der Fütterung seines Nachwuchs im Frühling, Foto: © Günter W. Hieger

Zusammenfassend kann man sagen, dass es kaum mehr Argumente gegen eine private Vogelfütterung gibt. Aber sie muss auch richtig und fachgerecht durchgeführt werden, sowohl, was die richtige Auswahl des Futters für unterschiedliche Arten betrifft, als auch bezogen auf die richtige Art und Weise der Umsetzung.

Vogelfütterung: Ja, aber richtig!

Zum Vogelschutz kann also jeder und jede beitragen, der/die einen Garten oder eine andere Möglichkeit zum Anbringen von Futterspendern hat. Es gibt allerdings einiges zu beachten, um einen guten, vor Beutegreifern sicheren und gesunden Zugang zum Vogel-Buffet zu gewährleisten.

  • Sicherheit vor Beutegreifern: Futterplätze, die viele Vögel in hoher Dichte anlocken, werden von intelligenten Beutegreifern wie Hauskatzen oder Steinmardern sehr schnell entdeckt und genutzt. Auch Sperber nutzen Futterplätze gerne zur Jagd auf Singvögel. Futterstellen sollten daher nicht über Äste und dergleichen erreichbar sein, sondern eher frei stehen. In wenigen Metern Entfernung sind lockere Büsche oder dergleichen aber von Vorteil, da sie den Vögeln eine gewisse Deckung bieten, von der aus sie die Futterstelle besuchen können.
  • Vermeidung von Krankheiten: Futterhäuschen sollten überdacht und vor Nässe geschützt sein, da feuchtes Futter leicht verdirbt bzw. schimmelt. Im Idealfall sollte Regen oder Schnee nicht mit dem Wind hineingeweht werden können.
    Eine Anleitung zum Selbstbau eines geeigneten Futterhäuschens findet man im Buch „Vogelfüttern, aber richtig“ (Berthold, Mohr 2021).

    Sehr gut sind Futtersäulen oder -silos, bei denen die Vögel nicht direkt im Futter stehen, sondern von außen an das Futter kommen. In einem Futterhaus mit großer Fläche, wo viele Vögel zusammenkommen und direkt im Futter stehen, können sich Krankheiten über den Kot ausbreiten. Besonders Finkenvögel erkranken leicht an Salmonellosen. Solche Häuser müssen also öfters kontrolliert und gereinigt werden. Etwas speziellere Futterspender sind sogenannte Gittersäulen, in die man Nüsse, Meisenknödel oder Fettblöcke platzieren kann, sowie Bodenfuttersilos für Vögel, die ihre Nahrung gerne am Boden suchen (Amseln, Rotkehlchen). Hier ist aber besondere Vorsicht bezüglich Katzen angebracht.
  • Vermeidung von Verletzungen: Obwohl sie heute immer noch oft in dieser Form angeboten werden, sollten Futtermittel wie Meisenknödel nicht in einem Plastiknetz eingewickelt sein. Darin können sich nämlich die Kleinvögel mit den Füßen verheddern und verletzen. Besser ist hier ein Gittersilo oder auch selbstgemachte Formen (z.B. sternförmige Ausstechformen) mit einer Fett-Samen-Mischung.

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Ein Kleiber ist bei einer Futtersäule fündig geworden. Foto: © Günter W. Hieger

Vogelfütterung – wann?

Wie bereits erwähnt, spricht heute nicht viel gegen eine ganzjährige Fütterung. Aber auch bei einer reinen Winterfütterung sollte man nicht erst beginnen, wenn es schon sehr kalt ist, sondern bereits ab Ende Oktober, Anfang November. So können unsere gefiederten Freunde die Futterstellen früh genug finden und kennenlernen. Man sollte dann den ganzen Winter durchfüttern und nicht zu früh damit aufhören, da immer wieder später Frost auftreten kann.

Vogelfütterung - das richtige Menü:

Hier gilt die Faustregel: Die Vielfalt des Angebotes bestimmt die Vielfalt der Futtergäste!
Grundsätzlich kann man zwischen Arten, die vorrangig Körnerfresser sind, und sogenannten Weichfressern unterscheiden. Kleine Körnerfresser wie Finken und Sperlinge freuen sich über kleinere Samen (Hanf, Leinsamen…) bzw. Körnermischungen, größere Samenfresser wie Türkentauben oder Buntspechte bekommen auch (gehackte) Nüsse (Erdnüsse, Haselnüsse, Walnüsse) und Sonnenblumenkerne. Letztere werden (geschält) aber auch von Finken, Meisen oder dem Kleiber angenommen. Weichfresser wie Amsel und Rotkehlchen kann man mit getrocknetem Obst oder Beeren, getrockneten Insekten oder fettgetränkten Hafer- oder Getreideflocken verwöhnen. Fettfutter bietet besonders viel Energie und wird in Form von Meisenknödeln oder sogenannten Fettblöcken angeboten und von vielen Arten angenommen.

Auf keinen Fall verfüttern sollte man Reste menschlicher Mahlzeiten (Salz!) und Brot. Dieses quillt in den Mägen von Vögeln auf und kann zu schweren Krankheiten führen. Dies ist insbesondere auch bei der beliebten, aber eigentlich nicht nötigen Fütterung von Wasservögeln an Teichen und Wasserstellen in Parks zu beachten!

Bei Ganzjahresfütterung gilt im Sommer: Kein Fettfutter mehr, keine Nüsse und kaum Sonnenblumenkerne, dafür aber mehr tierisches Eiweiß (Insekten), für Körnerfresser kleine Samen bzw. Getreidekörner. Eines der wenigen Argumente gegen Ganzjahresfütterungen ist, dass manchmal Vögel ihrer Brut falsche Nahrung verabreichen.

Allgemein gilt: Wenn Sie kranke oder tote Vögel entdecken, setzen Sie bitte die Fütterung aus, damit sich die Krankheit nicht weiterverbreitet!

Viele verschiedene Futtersorten lassen sich im Handel (Supermärkte, Zoofachhandel) besorgen. Hier noch eine Anleitung, wie man Fettfutter selbst machen kann: Rezept für Vogelfutter | Birdlife Österreich  

Gartenbesitzer sollten aber nicht vergessen, dass es gar nicht immer künstliche Futterspender sein müssen, die den Vögeln das Leben erleichtern. Der Garten selbst kann zu einer wunderbaren Futterquelle werden, wenn er voller heimischer Kräuter und Heckensträucher ist, die im Winter mit ihren vielfältigen Samen und Früchten der natürlichen Ernährung dieser Arten am nächsten kommen, und im Sommer eine weit höhere Insektenvielfalt aufweist als ein nicht so naturnah gestalteter Garten.

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Blaumeise, Foto: © Günter W. Hieger

Vogelfütterung und „Citizen Science“

Wie bereits erwähnt, liegt einer der positiven Effekte der Vogelfütterung auch auf der Seite des Menschen: An der Futterstelle kann man eine überraschend hohe Anzahl von Arten aus nächster Nähe beobachten und kennenlernen. Für viele Menschen jeden Alters kann das ein Einstieg in die Vogelbestimmung sein. Wenn man eine Grundlage der Artenkenntnis durch das sichere Bestimmen von „Allerweltsvögeln“ aufgebaut hat, kann man dies als Ausgangspunkt für weitere hobby-ornithologische Beobachtungen und Erfahrungen nehmen und „draußen“ in verschiedenen Lebensräumen immer mehr Vogelarten im Vergleich zu den bereits bekannten beobachten und bestimmen.

Und wer oft Vögel beobachtet, dem fallen auch seltenere Gäste oder Besonderheiten im eigenen Garten oder „im Feld“ auf. Diese – wenn richtig bestimmt – können gemeldet werden, zum Beispiel auf Online-Plattformen wir www.naturbeobachtung.at  vom Naturschutzbund Österreich oder www.ornitho.at von BirdLife Österreich. „Citizen Science“ bedeutet, dass Beobachtungen, die von Laien gemeldet werden, der Wissenschaft und damit letztlich dem Naturschutz dienen. Dazu gehört auch die jährliche Zählung von Vögeln im Rahmen der „Stunde der Wintervögel“ von BirdLife. Hierbei geht es darum, gerade die häufigen Arten im direkten menschlichen Umfeld in ihrer Bestandsentwicklung abzuschätzen. Und dafür eignen sich die Futterplätze im eigenen Garten oder in einem nahegelegenen Park besonders gut. Im kommenden Winter findet die Veranstaltung vom 5. Bis 7. Jänner 2024 statt: https://birdlife.at/page/stunde-der-wintervoegel

Fazit: Eine Winter- oder Ganzjahresfütterung von Vögeln hat viele positive Effekte für Vögel, Menschen und die Wissenschaft. In diesem Sinne wünsche ich Ihnen interessante und inspirierende Beobachtungen!

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Autor: Mag. Michael Schroll

Quellen und weiterführende Links:
BERTHOLD, P., MOHR, G. (2021): Vögel füttern – aber richtig. 5. Auflage – Franckh-Kosmos Verlags-GmbH & Co.KG.: Stuttgart
Hrsg.: Richarz, K., Bezzel, E., Hormann, M. (2001): Taschenbuch für Vogelschutz. – Aula-Verlag: Wiebelsheim
Vogelschutz ums Haus | BirdLife Österreich
Startschuss zum Vogelfüttern | Birdlife Österreich
Ganzjahresfütterung ja / nein? | BirdLife Österreich

Ein herzliches Dankeschön an Günter W. Hieger für die Bereitstellung der Fotos und sein Engagement für die heimische Vogelwelt.

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