Erlebte Natur: Artensterben – Der stille Tod in der Natur

Nachbericht vom 22.10. 2019

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Titelbild Veranstaltungs-Flyer
Am Podium

Ass.-Prof. Dr. Mag. Franz Essl, Botaniker und Biodiversitätsforscher, Universität Wien
Dipl.-Ing. Heinz Wiesbauer, Landschaftsökologe und Landschaftsplaner
Manfred Rosenberger, MSc, MAS, MA, Moderator

In der Biodiversitätskrise liegt die Zukunft in unserer Hand, betont Franz Essl in seinem Einleitungs-Statement. Das Verschwinden der Arten resultiert aus der Nutzung der Biosphäre des globalen Ökosystems. Faktoren sind: Verbauung, expansive Landwirtschaft, Zerstörung der Wildnis, Übernutzung. Weniger spektakulär die Situation in Österreich. Hier verschwinden die Arten durch intensive Landwirtschaft, Blumenwiesen machen Grünland Platz, einst strukturierte Landschaft wird zur einförmigen Ödnis, 82% aller Arten sind in einem schlechten Erhaltungszustand.

Die Veränderung gehe schleichend vor sich, sagt er, auf einem kleinen Bauernhof, ohne Veränderung der Umgebung wurden 1990 noch zehn Schwalbenpaare gezählt, heuer keines. Allerweltarten wie das Rebhuhn werden selten. Das Vogelsterben gehe Hand in Hand mit dem Bauernsterben und Klimaschutz sei immer auch Diversitätsschutz. 85% der Bevölkerung sei Naturschutz sehr wichtig, was wir also tun können: stecken wir den Kopf in den Sand, nichts, wirken wir dem entgegen, viel.

Heinz Wiesbauer sieht den dramatischen Artenrückgang im Eingriff in die Landschaft. Das Landschaftselement Feldweg etwa, ein Garant für Vielfalt, existiert nicht mehr. Der agrarische Ackerbau lässt aufgeräumte Landschaften zurück. Schmetterlinge und Bienen brauchen aber Kleinlandschaften mit entsprechendem Blütenangebot. Der Wildbiene mit ihrem recht kleinen Aktionsradius ist die Existenz entzogen.

Wiesen werden sieben Mal jährlich gemäht, das Blütenangebot entfällt, zurück bleiben Siloballen. Für die Wildbiene ist das kein Lebensraum. Mit dem Spritzmitteleinsatz wird dann auch noch das Restflächenangebot vernichtet. Hinzu kommt die Bedrohung durch den Klimawandel. Die Alpenhummel etwa wird verschwinden, sie hat keinen Ersatzlebensraum, um auszuweichen. Der Nordpol wäre ein solcher, aber die Distanz ist unüberbrückbar. Was können wir tun? Blütenangebote und Nistplätze schaffen.

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Wir freuten uns über zahlreiche Zuhörer bei dieser spannenden Veranstaltung (© NÖ Museum Betriebs GmbH, Foto: Monika Schaar-Willomitzer)
Wiesbauer nennt für das Naturschutzgebiet Eichkogel ein Beispiel in Gestalt der Leinbiene. Eine Spezialistin, wie der Name schon sagt, sie bevorzugt den Südhang, verschwinden dort die Pflanzen, übersiedelt sie auf den Nordhang. Aber nicht überall sind Ersatzlebensräume vorhanden.

Der Mensch hat Wälder gerodet, Wiesen angelegt, so sind Bienen zugewandert und der Artenreichtum ist dem Menschen zu Gute gekommen, jetzt ist der Trend wieder rückläufig. Alte Kulturlandschaften sind nicht mehr rückholbar, meint Franz Essl. Am Beispiel Fichtensterben: Förderung aus ökonomischen Gründen - trockenes Klima - Borkenkäfer, Schaderreger mit besten Bedingungen - dazu der Klimawandel.

Aus dem Publikum: Aus der Donau sind strömungsliebende Fische wie Barbe, Nase und Nerfling verschwunden. Dies sei auf die Veränderung der Umwelt zurückzuführen, weniger auf den Klimawandel.

Wird Trockenrasen gedüngt, sagt Heinz Wiesbauer, verschwinden die Kräuter zugunsten der Gräser, das hat gravierende Auswirkungen. Dazu der Anteil des Verkehrs und der Landwirtschaft.

Man müsse Klimawandel in Zukunft in Kombination mit der Landwirtschaft sehen, das eine dürfe aber nicht gegen das andere ausgespielt werden (Essl).

Manfred Rosenberger hält den Klimawandel für einen Multiplikator.

Publikumsfrage: Was ist mit der Engerling-Plage? Essl: Trockene Sommer spielen immer den Anspruchslosen Insekten in die Karten. Wiesbauer: Schwankungen kommen vor, bei hoher Diversität sind ausreichend natürliche Feinde vorhanden, die die Population reduzieren.

Franz Essl sieht im Verhältnis zwischen Landwirtschaft und Konsumenten den entscheidenden Punkt: wieviel ist uns intakte Natur wert, sind wir bereit, dafür mehr zu zahlen, einen fairen Preis? Extensive Nutzung führe jedenfalls zu großen positiven Veränderungen, aber extensive Flächen zu schützen sei nicht für alle gleichermaßen attraktiv.

Man müsse Geld für ökologische Landwirtschaft effizienter einsetzen (Wiesbauer). Blütenstreifen zu fördern und zu verlangen, dass darauf, vier, fünf Pflanzen wachsen, sei absurd. Insekten brauchen 60 unterschiedliche Blühpflanzen. Und dann das jährliche Häckseln, es hat den gegenteiligen Effekt: Lebensraumvernichtung, Ausdünnung der Biodiversität. Brachen-Management in devastierten Landschaften sei sinnlos, in Naturschutzgebieten Landschaft wieder einzuräumen, das wäre sinnvoll.

Stimme aus dem Publikum: Mit solidarischer bodenschonender Landwirtschaft könne die eigene Region versorgt werden. Es würden keine oder wenige Maschinen eingesetzt, ein nötiger finanzieller Beitrag, um das Überleben der Bauern zu sichern, sei nötig.

Man könne den Eindruck gewinnen, die Bienen verstädtern (Publikum) –  sie finden dort Biodiversität vor: Gärten, Höfe, Parks, Dächer – In Wien gibt es sogar einen jeweiligen Bezirkshonig. Heinz Wiesbauer erklärt das anhand von Zahlen: Honigbiene: 1, Wildbienen: 700, Nistplätze in Parks, 210 Bienenarten im Prater. Privatgärten bieten viele Fördermöglichkeiten, erst recht wenn sie einen Biotopverbund ergeben.

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Viele Fragen der Zuhörer konnten beantwortet werden (© NÖ Museum Betriebs GmbH, Foto: Monika Schaar-Willomitzer)
Neonikotinoide und Roundup (Pflanzenschutzmittel) kommen noch zur Sprache, sie landen im Honig. Die Auswirkungen auf Wildbienen sind nicht untersucht.

Fehlen einer vernünftigen Raumplanung, Flächenverbrauch der Ortsrandverbauung („Bürgermeister als 1. Bauinstanz ist ein Kollateralschaden“) wurde noch erwähnt. Dächer von Einkaufszentren könnten Parkplätze oder bepflanzt werden, es beanspruchte den halber Platz (Rosenberger)

Aus dem Publikum: „Natur im Garten“ bietet Beratung für Gemeinden an, ohne Pestizide zu wirtschaften, viele Gemeinden verzichteten bereits auf Kunstdünger und Torf.

Essl nennt das Artenschutz-Volksbegehren in Bayern, das 15% unterschrieben und die Forderung somit Gesetzeskraft erlangt habe. Es herrscht Akzeptanz in der Bevölkerung, die überregionale Veränderungen wahrnimmt. Rosenberger: Artensterben sei eine ökonomische Frage, das Verschwinden der Arten wird Billionen Euro kosten.

Conclusio: Lieber kleine Schritte, als gar keine, wir sollten unsere Gewohnheiten hinterfragen, unsere Zukunft schaut aber nicht besonders günstig aus.

Bericht: Gerhard Hintringer

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