Hirschkäfer

© wikicommons, Foto: HeidiGermany

Lucanus Cervus: Insekt des Jahres 2012

Brunftplatz Eichenkrone
Tiefes, kehliges Röhren. Kurz darauf ein zorniges Echo. Erneutes Brüllen aus vollem Hals. Das Echo wird lauter, kommt näher. Hastige Tritte. Dann ein gewaltiges Krachen. Erkannt? Brunft der Rothirsche! Erst ab Ende August.
Beim Kampf der Hirschkäfer wird man derlei nicht erwarten können. Leiser und unscheinbarer geht es da zu. Aber nicht weniger spektakulär…

Jetzt die Juniabende planen!

Hirschkäfer Weibchen,
Foto: © Sven Teschke, wikicommons
Wer das Insekt des Jahres, den Hirschkäfer, beobachten will, sollte sich jetzt Zeit nehmen. Die Aktivitätszeit ist kurz. Es sind vor allem die schwülen, warmen Juni- und Juliabende in denen man diese imposanten Käfer fliegen sehen kann. Dabei sind die Weibchen von Natur aus wenig flugbegeistert. Vor allem die Männchen ziehen mit lautem Gebrumm ihre Runden. In den Donauauen sind die ersten schon seit einigen Tagen unterwegs.

 

Männchen und Weibchen

Männchen und Weibchen lassen sich beim Hirschkäfer leicht unterscheiden. Die Männchen haben ihre Beißzangen in Form von geweihartigen Strukturen ausgebildet, die der Weibchen haben die „normale“ Form.
Die „Geweihe“ der Hirschkäfer sind zwar umgebaute Mundwerkzeuge, für den Nahrungserwerb aber völlig ungeeignet. Sie dienen den Rivalenkämpfen mit anderen Männchen: mit ihnen können sie einen Gegner packen, mit ihm ringen und ihn dann vom Baumstamm stoßen. Aber auch zum Festhalten des Weibchens bei der Paarung sind die geweihartigen Zangen durchaus geeignet.

 

Riesen und Zwerge

Mit den Zangen gemessen können männliche Hirschkäfer bis zu 90 mm lang werden! Allerdings wird nur etwa jeder fünfzigste Hirschkäfer so groß. Als „Riese“ ist es eben nicht leicht ein passend großes Weibchen zu finden. Und bei zu ausgeprägtem Größenunterschied klappt die Paarung einfach nicht!
Der Großteil der Hirschkäfermännchen bleibt größenmäßig im Mittelfeld. Aber auch Zwerge mit gerade einmal 25 mm Körperlänge kommen vor.

 

Angetrunken im Wald

Briefmarken mit Hirschkäfer, Foto: N. Ruckenbauer
Was die Nahrungsbeschaffung angeht sind weibliche Hirschkäfer eindeutig im Vorteil. Mit ihren kräftigen Beißzangen können sie in Kastanien- oder Eichenrinde Wunden erzeugen, um zu zuckerhaltigen Baumsäfte zu kommen. Männchen müssen sich eher an Baumwunden halten, die durch Blitzschlag, Frost oder Windbruch entstanden sind. Oder sie finden eine aufgebissene Baumwunde mit samt der Erzeugerin: gewissermaßen die Idealvariante.
Mitunter können die zuckerhaltigen Baumsäfte gären und dann Alkohol enthalten. Betrunkene Hirschkäfer haben übrigens ähnliche motorische Probleme wie sie bei ausdauernden Heurigenbesuchern zu beobachten sind. Sie büßen dabei ihre Abwehrfähigkeit ein, was vorbeischauende Spechte ziemlich schamlos ausnutzen…

 

Kirschenliebhaber

Die Häufigkeit von Baumwunden mit Saftflüssen hängt sicher mit dem Alter von Bäumen zusammen. Und da Altholzbestände zunehmend selten werden, müssen sich Hirschkäfer nach Ersatznahrung umschauen. Unter den Obstsorten, die sie nutzen, sind Kirschen eindeutig ihre Favoriten. Das liegt sicher auch daran, dass Kirschen zu ihrer Hauptflugzeit reifen.

 

Lebendiges Totholz

Hirschkäfer-Larve, Foto: Wikicommons
Der eigentliche Engpass im Leben der Hirschkäfer ist der Eiablageplatz geworden. In unseren Wäldern sind alte brüchige Eichen bzw. Totholz in Form abgestorbener Stämme oder angemorschten Baumstümpfe Mangelware.
Nur hier kämpft sich das Weibchen in den Boden oder ins morsche Holz, um bis zu 100 Eier abzulegen. Danach stirbt es.
Die Larven selbst haben eine deutlich längere Lebenszeit als die erwachsenen Tiere. Sie brauchen 5 – 8 Jahre für ihre Entwicklung und können dann eine Länge von über 10 cm erreichen. Die Verpuppung findet in einer etwa faustgroßen Puppenwiege in der Erde statt.

 

Vorbild Nationalpark

Die beiden niederösterreichischen Nationalparks, Donau-Auen und Thayatal, bieten Hirschkäfern und anderen Insekten, was in niederösterreichischen Wäldern und Forsten selten geworden ist: Bäume, die alt werden dürfen und nach ihrem Tod im Wald verbleiben. Es wäre schön, wenn vermehrt auch außerhalb dieser Schutzgebiete, der volle Lebenskreis von Bäumen möglich würde. Nur wenn wir den Alt- und Totholzbestand unserer Wälder erhöhen und sichern, hat auch der Hirschkäfer eine Zukunft. Ohne ihn wären selbst warme Juniabende trostlos.
Im Landesmuseum ist das Objekt des Monats Juni (ab 1. Juni online und im Museum zu finden) der Hirschkäfer.

Text: Mag. Norbert Ruckenbauer

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