Über eine Maus, die eigentlich keine ist – Die Haselmaus

Haselmaus © Shutterstock 2242903227, Foto: Images01

Ein ansprechendes und irreführendes Aussehen

Große, schwarze Knopfaugen lösen im Handumdrehen beim Betrachter das Kindchenschema aus. Eine eher kurze, aber doch zugespitzte Schnauze endet in einer Nasenspitze mit langen Schnurrhaaren. Dazu kommen noch kleine, runde Ohren. Dieses putzige Gesicht würden wohl die meisten von uns mit einer Maus in Verbindung bringen. Und tatsächlich heißt das gelb- bis rotbraun gefärbte Tier mit dem weißen Fleck an Kehle und Brust, von dem hier die Rede sein soll, Haselmaus (Muscardinus avellanarius).

Beim genaueren Hinschauen fallen aber Merkmale auf, die vom Bild einer typischen Maus abweichen. Vor allem der Schwanz, der fast die Hälfte der gesamten Körperlänge von etwa 15 cm ausmacht, sieht anders aus. Er ist viel stärker behaart, als dies bei den echten Mäusen der Fall ist und wird beim Klettern als eine Art Balancierstange verwendet. Auch sonst wirkt die Erscheinung wie eine Mischung aus Maus und Hörnchen.
Heute weiß man, dass die biologische Familie, zu der unser Tier gehört, genetisch wohl den Hörnchen etwas nähersteht als den Altweltmäusen. Es ist die Familie der Bilche (Gliridae), auch Schläfer oder Schlafmäuse genannt und gehört zur Ordnung der Nagetiere.
In Mitteleuropa leben vier Arten, die zu dieser Verwandtschaft gehören:
Der Siebenschläfer, der Gartenschläfer, der sehr seltene Baumschläfer und eben die Haselmaus.

Allen vier Bilcharten ist eine ähnliche Lebensweise gemein. Sie klettern gut und gerne, ernähren sich von Kleintieren sowie Pflanzenmaterial und halten einen mehr oder weniger langen Winterschlaf – daher auch der Name „Schläfer“.

Aber bleiben wir bei unserer Haselmaus, die übrigens der kleinste Vertreter der Bilche ist.
Wie lebt sie?

Eine scheue, nachtaktive Kletterkünstlerin

Haselmaus
Haselmaus © Shutterstock 1618140283, Foto: slowmotiongli

Haselmäuse leben am liebsten in Laub- und Mischwäldern mit einem dichten und artenreichen Unterwuchs. Besonders beliebt sind Haselsträucher und Brombeerhecken. Dort klettern und hangeln sie geschickt umher, um zu ihrer Nahrung zu kommen. Diese besteht je nach Jahreszeit aus unterschiedlichen wirbellosen Tieren, Knospen, Blüten, Samen bzw. fetthaltigen Früchten wie Haselnüssen, Bucheckern, Eicheln etc. – Letztere vor allem im Herbst, um sich einen Winterspeck für den langen Winterschlaf anzufressen. Es kommt aber auch vor, dass die kleinen Bilche ihren Speiseplan mit Delikatessen wie Vogeleiern oder -jungen ergänzen.
Aktiv ist die Haselmaus vorwiegend in der Dämmerung und nachts. Die Tage verbringt sie dösend in ihrem selbst gebauten, etwa faustgroßen Nest, das sie in der Strauchschicht platziert. Dieses gestaltet sie aus verschiedenen Pflanzenteilen (Zweigen, Gras, Blättern …) und polstert es mit weichen Materialien aus – manchmal sogar mit Vogelfedern.
Die einzelgängerischen Haselmäuse leben in kleinen Revieren mit einem Radius von etwa 150-200 Metern. Es kommt aber vor, dass mehrere Tiere gemeinsam in einem Unterschlupf für den Winterschlaf gefunden werden. Zur Kommunikation sind vor allem Gerüche wichtig, so wird das Revier etwa mit Urin und Düften aus einer Analdrüse markiert.

Eine willkommene Beute

Aufgrund ihrer geringen Körpergröße und Wehrlosigkeit hat die Haselmaus einige Fressfeinde. Füchse, Marderartige, Greifvögel und Eulen haben sie zum Fressen gern. Wildschweine graben sie mitunter aus ihrem Winterversteck aus. Den kleinen Bilchen bleibt nur die Flucht oder die Möglichkeit, die Schwanzhaut abzustreifen, wenn sie ergriffen werden.

Eine nicht übermäßig hohe Fortpflanzungsrate

Mit einem Jahr werden Haselmäuse geschlechtsreif. Sie vermehren sich nicht so rasant wie echte Mäuse, aber immerhin können bei guten Bedingungen zwei Würfe im Jahr mit jeweils 2 bis 5 Jungen vorkommen. Dafür wird ein Wurfnest gebaut, das einen etwas größeren Durchmesser als das normale Sommerschlafnest hat. Manchmal nehmen die Bilche auch Baumhöhlen und Nistkästen an. Die Jungen, die etwa einen Monat lang gesäugt werden, bleiben rund 40 Tage bis zwei Monate bei ihrer Mutter. Die nicht besonders hohe Fortpflanzungsrate wird dadurch ausgeglichen, dass die Lebenserwartung der Haselmaus mit drei bis vier Jahren gar nicht so gering für ein so kleines Säugetier ist.

Die Haselmaus macht ihrem Familiennamen „Schläfer“ alle Ehre.

Haselmäuse
Haselmäuse © Shutterstock 1614205633, Foto: slowmotiongli

Wie andere Bilche auch hält die Haselmaus einen echten Winterschlaf. Dieser geht meist von Oktober bis Ende April des nächsten Jahres. Auch für den Winterschlaf nutzt sie Nester, diesmal aber andere, die sich mehr in Bodennähe befinden. Oder sie versteckt sich in der Laubstreu oder im weichen Boden, manchmal auch in Baumhöhlen. Dort rollt sie sich ein, um möglichst wenig Wärme zu verlieren, und ihre Körpertemperatur wird von rund 37 Grad Celsius auf etwa 4 Grad Celsius gesenkt. Sie nimmt nur mehr alle paar Minuten einen Atemzug und ihr Herzschlag verlangsamt sich auf etwa ein Zehntel der normalen Frequenz. Trotz dieses Herunterfahrens des Stoffwechsels verlieren die Tiere im Winterschlaf bis zur Hälfte ihres Gewichtes.
Aber auch im Sommer kommt es – etwa bei Kälte oder Nahrungsmangel – vor, dass sich die Haselmaus in eine Art Starre zurückzieht, die man Torpor nennt. Dabei senkt sie ihre Körpertemperatur und rollt sich zu einer bewegungslosen Kugel ein.

An ihren Spuren sollt ihr sie erkennen!

Da Haselmäuse sehr scheue, dämmerungs- und nachtaktive Zeitgenossen sind, bekommt man sie nur selten zu Gesicht. Aufmerksame Naturbeobachter können ihre Anwesenheit allerdings anhand ihrer Spuren feststellen. Da wären zum einen ihre Kugelnester. Aber Vorsicht, Verwechslungsgefahr! Die runden Nester können mit jenen der Zwergmaus verwechselt werden. Diese lebt aber eher in Wassernähe in den Ebenen des östlichen Niederösterreich, in Seggen- Röhricht- oder Schilfbeständen oder auch Getreide.
Die Fraßspuren an den von ihnen besonders begehrten Haselnüssen lassen sich von denen der Eichhörnchen oder der Langschwanzmäuse recht gut unterscheiden: Haselmäuse beißen zuerst eine runde Öffnung in eine Seite der Nuss. Diese erweitern sie dann, indem sie mit ihren unteren Nagezähnen parallel zum Rand des Loches weiterarbeiten. Dadurch entsteht ein eher glatter Rand. Bei Waldmaus und Gelbhalsmaus ist der Rand weniger glatt, da die Zähne quer zum Rand arbeiten. Eichhörnchen teilen Haselnüsse sauber in zwei Hälften.

Tier des Jahres 2023!

Die Haselmaus ist in fast ganz Europa verbreitet und kommt in Österreich in allen Bundesländern vor, mit einem Schwerpunkt entlang der Alpenkette, im Wald- und Mühlviertel.
Aber auch sie hat heutzutage mit Bedrohungen zu kämpfen und kommt mitunter nur lückenhaft und regional begrenzt vor. Da sie auf waldartige Habitate angewiesen ist, die vor allem eine gesunde Strauch- und Krautschicht mit dichter Vegetation und viel Struktur aufweisen, ist der Verlust solcher Lebensräume, z.B. das Fehlen von Hecken, ein Problem.
Die Haselmaus ist zwar von der IUCN noch als „nicht bedroht“ gelistet, in Österreich ist sie aber eine in allen Bundesländern streng geschützte Art, die in der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie der EU in Anhang IV gelistet ist. Auch in anderen Ländern, vor allem im nördlichen Europa, ist die Art seltener geworden.

Die Hauptursachen der Gefährdung sind die Verbauung und Zerschneidung, oder gar das Verschwinden geeigneter Lebensräume und damit die Isolation kleiner Populationen.
Um auf diese Gefahren hinzuweisen, die ja den ganzen Lebensraum betreffen, wurde die Haselmaus vom Naturschutzbund Österreich zum Tier des Jahres 2023 gewählt.

Zur Erfassung der Bestandsentwicklung der niedlichen Kletterer sind aber mehr Daten nötig. Hier ist einerseits natürlich die Wissenschaft gefragt, andererseits kann aber auch jeder Naturbeobachter seinen Beitrag leisten, indem er Sichtungen von Haselmäusen oder deren Spuren meldet. Zum Beispiel auf www.naturbeobachtung.at . Diese Art der „Citizen Science“ wird immer wichtiger für den angewandten Natur- und Artenschutz.

In diesem Sinne: Halten Sie Ausschau nach der sympathischen „Maus, die keine Maus ist“!

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Autor: Mag. Michael Schroll

Quellen und weiterführende Links:
https://de.wikipedia.org/wiki/Haselmaus
https://thueringen.nabu.de/tiere-und-pflanzen/saeugetiere/haselmaus/index.html
https://naturschutzbund.at/tier-leser/items/2023-haselmaus.html
https://baumschlaefer.at/haselmaus/
https://www.bluehendesoesterreich.at/naturlexikon/haselmaus
https://de.wikipedia.org/wiki/Bilche
https://de.wikipedia.org/wiki/Siebenschl%C3%A4fer
https://de.wikipedia.org/wiki/Gartenschl%C3%A4fer
https://de.wikipedia.org/wiki/Baumschl%C3%A4fer
https://de.wikipedia.org/wiki/Zwergmaus
https://kleinsaeuger.at/micromys-minutus.html

BAKER, N. (2014): Fährten lesen und Spuren suchen. – Haupt Verlag: Bern, 87 – 90, 113 – 114.
OHNESORGE, G., UHLENHAUT, K., SCHEIBA, B. (1995): Tierspuren und Fährten in Feld und Wald. – Weltbild Verlag: Augsburg, 78.

Blog-Nachlese „Tier des Jahres“ vergangener Jahre:
Dem Luchs auf der Spur (2022)
Der Siebenschläfer (2021)
Der Maulwurf (2020)
Die Wildkatze (2019)
Der Igel (2018)
Der Wolf (2017)
Der Biber (2016)
Der Feldhase (2015)

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