Apotheker-Rezeptbuch 1945

Bader, Medicus, Primar 3 / 22

Pflaster, Salben, Ratafia …

In der Ausstellung zeigen wir u. a. auch das Rezeptbuch eines Baders oder Apothekers, das sich heute im Besitz der Landschaftsapotheke in Mistelbach befindet.
Auf dem ersten Blatt steht in schönster Schrift geschrieben:
 
„Sammlung verschiedener nützlicher Recepten“
und darunter die Jahreszahl „1645“.
 

Angenehm bei diesem Rezeptbuch ist die gut leserliche Schrift des Verfassers, oder war es vielleicht sogar eine Frau, die die Rezepte niedergeschrieben hat? Man könnte fast vermuten, dass es sich um eine „Reinschrift“ handelt, also eine Abschrift älterer Rezepte. Die einzelnen Seiten lassen auch keinen Unterschied in der Schrift erkennen. 
Auf den folgenden 154 Seiten stehen in bunter Mischung die unterschiedlichsten Rezepte für die verschiedensten Anwendungsgebiete. Da gibt es Rezepturen bei Frauenbeschwerden, zur Linderung des Hustens und natürlich auch zur Eindämmung von Fieberanfällen.
 

Mistelbacher Rezeptsammlung
Weichsel-Likör, Foto: thinkstock,
Soyhan Erim
Eine wichtige Aufgabe eines Apothekers in der Vergangenheit war auch die Zubereitung von Destillaten und Likören.
Eine dieser Likörsorten war der Ratafia:
Wie es zu diesem Namen kam, erklärt man in einem der heute noch wichtigen Produktionsgebiete in den Abruzzen so: Anlässlich von Abkommen oder Verträgen, die man schloss, stieß man nach der Unterzeichnung mit Likör auf das gelungene Geschäft an und sprach dabei: „Pax rata fiat“
(freie Übersetzung: "Der Friede sei bestätigt". Die heutigen Produkte, die unter dem Namen „Ratafia“ verkauft werden, sind vollmundige süßliche Liköre mit einem Alkoholgehalt unter 22 Volumprozent. In den Abruzzen wird er heute aus Amarena-Kirschen, Waldfrüchte, Montepulciano Rotwein, Zucker und natürlichen Aromen hergestellt. Die Zusammensetzung zählt zu den bestgehüteten Familiengeheimnissen.
 


In Katalonien wird er aus grünen Walnüssen und Kräutern hergestellt, die 40 Tage in einem Anisschnaps angesetzt werden. In Burgund und der Champagne wird der aus Traubenmost und Weinbrand hergestellt.
 

Weichselblüten, Foto: thinkstock, Anatolii Boida
Das im Mistelbacher Rezeptbuch enthaltene Rezept für Ratafia verwendet ebenfalls Weichseln:
Erstlich nim Weixeln, welche fein sauber von denen Stengeln gezupft seyn müßen, in eine große gläserne Flasche, die einen weiten Hals hat, und thue selbe nicht gar völlig anfüllen mit dem Weixeln, darnach nimt man geschälte bittere Mandeln 8 oder 12 Stück, nachdem die Flasche groß ist, und wirft dieselben gantz hinein, alsdann giese man den Kirschengeist darauf, doch nicht ganz voll, daß man alle Tage die Flaschen umschütteln kann, und muß also 4 Wochen an einen kühlen Ort aufbehalten werden, hernach nimt man einen feinen ausgeleiterten Zuker, und gießt denselben in eine Flasche, darnach man es süß haben will, den Ratafia gießt man durch einen Trüchter der mit Löchern ist, darauf. NB. Den wenn man den Zucker in den Ratafia will giesen, so bleibt er trüb, die Weixeln thut man hernach in ein Einmachglas, allzeit ein paar Lagen, darzwischen, aber einen fein gestosenen Zuker darauf gestreuet, und so viel Lagen bis das Glas voll ist, hernach gieß man einen Kirschengeist darauf, daß er über die Weixeln geht, alsdann kann man es also stehen lassen 2 auch 3 Jahre, so bleiben sie gut, sie müßen aber allzeit an einen kühlen Orte stehen. Wann man diese Weixeln will auf die Schale geben, so muß man dieselben aus den Kirschengeist herausnehmen, und gieß ein wenig geleiterten Zuker darauf, sonsten sind sie gar zu stark, den übrigen Kirschengeist kann man unter Ratafia auch wiederum untermischen.
Bis zum nächsten Mal.
 

Text: Elisabeth Vavra

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