Mit einer Puch 500 aus dem Museum ... ins Museum!

 

Im Haus der Geschichte, Ausstellungsbereich „Besatzungszeit“, hängt ein Foto mit der Ansicht einer „requirierten Beiwagenmaschine mit russischen Soldaten“. Die darauf abgebildete Beiwagenmaschine stammt von der Grazer Firma Puch, allen wohl eher bekannt als Hersteller der Puch MS/MV 50, auch „Stangelpuch“ genannt, oder dem legendären Puch Maxi.

 

Weniger bekannt ist, dass Firmengründer Johann Puch neben Fahrrädern bereits ab 1903 Motorräder serienmäßig fertigte und zum Kauf anbot. Damals galten Motorräder noch als Luxusprodukt für die höhere Gesellschaft und wurden nur in kleiner Stückzahl hergestellt. Nach dem Ende des Ersten Weltkriegs herrschte große Not, an die Produktion von Fahrzeugen war nicht zu denken, zuerst galt es die Produkte des täglichen Lebens zu produzieren. Eigentlich hatte die Hauptgläubigerbank mit Bankenchef Camillo Castiglioni im Jahr 1923 beschlossen, die Firma Puch in Graz zu liquidieren. Der dafür eingesetzte Techniker und Kaufmann Ing. Giovanni Marcellino erkannte aber rasch das wirtschaftliche Potential von Puch, stand doch diese Firma für innovative Technik und Erzeugnisse von höchster Qualität.

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Sammlung Dieter Peschl

 

 

Nach zahlreichen Verkaufs-Bestsellern, Motorrädern mit 175, 220 und 250 ccm Hubraum, wagte man in der Zeit der Weltwirtschaftskrise 1931 ein großvolumiges und luxuriöses 500 ccm Motorrad auf den Markt zu bringen. Die „Puch Type 500“ (Typologie gemäß Werkskatalog Ausgabe 1932) war bei ihrer Präsentation auf der Wiener Frühjahrsmesse die Sensation, das Konzept mit zwei hintereinanderliegenden, gekoppelten 250 ccm Kurbelgehäusen war zur damaligen Zeit sehr ungewöhnlich. Der seidenweiche Motorlauf und die souveräne Kraftentfaltung machte das Motorrad aber bald zum Erfolgsmodell für den Solo- und Beiwagenbetrieb.

 

 

Sammlung Dieter Peschl

 

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Verlag Kastanienhof

Wie strapazierfähig diese Baureihe war, bezeugt die im Jahr 1936 absolvierte 14.000 Kilometer lange und abenteuerliche Fahrt des Wiener Ehepaars Böhmer und weitere unerschrockene Teilnehmer auf drei Beiwagenmaschinen von Südafrika nach Ägypten.

Buchtipp: „Mit 14 PS durch Afrika“, Hilde Böhmer, 1936 im Verlag Lesergilde, Neuerscheinung 2014 im Verlag Kastanienhof


 

Bis 1938 wurde dieser Motorradtyp in sechs Varianten produziert, gesamt wurden 4300 Stück aller Baureihen hergestellt. Ab dem Zeitpunkt ihres Erscheinens am Markt war dieses Puch Motorrad sehr begehrt, damalige Käufer mussten aber gut bei Kasse sein, der Kaufpreis lag bei 2.480,- Schilling (180,23 EUR)
Zum Vergleich:
2 kg Rindfleisch kosteten damals 3 Schilling (0,073 EUR), ein paar Schuhe 32 Schilling (2,33 EUR), ein Herrenanzug 142 Schilling (10,32 EUR)

Sofern Motorräder die harten Fahrjahre bis 1938, die Zeit des Zweiten Weltkriegs (alle Motorräder über 200 ccm Hubraum wurden von der Wehrmacht für den Kriegsdienst beschlagnahmt) sowie die entbehrungsreichen Aufbaujahre der Nachkriegszeit überstanden, wurden sie spätestens in den 60er Jahren entsorgt, verschrottet oder weggestellt. Viele sind nicht übriggeblieben; auch das Wissen um dieses technische Kulturgut, es zu bewahren, ist nahezu verschwunden.

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Sammlung Dieter Peschl
Technische Daten:
2 luftgekühlte Doppelkolbenzylinder in Längsrichtung
Länge 2007 mm
Leistung 14 PS
Gewicht 150 kg   
Höchstgeschwindigkeit ca. 95 km/h
Ausstattung:
Einhebel-Vergasers zwischen den beiden Zylinder
Frischölschmierung mit Gasgestänge-gesteuerter Ölpumpe
Hochspannungsbatteriezündung
Rohrahmen verlötet mit Brustrohr und Steuerkopf als Gesenk-Schmiedestück
Innen-Expansionskupplung im Hinterrad
Rohrgabel mit Reibungsstoßdämpfer
Bosch Scheinwerfer mit Veigel Walzentachometer
Tankschaltung und Hebel für die Handverstellung des Zündzeitpunkts

Text: Dieter Peschl, Besitzer einer Puch 500 (Baujahr: 1934)

Fotos im Museum Niederösterreich und Video: Mag. Florian Müller

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