Klima macht Geschichte

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Der Klimawandel ist ein Thema, das die Menschen bewegt und polarisiert. Während die einen die Existenz leugnen, versuchen andere, Lösungen zu finden.
Fakt ist, dass die Durchschnittstemperaturen in den letzten hundert Jahren einen starken Aufwärtstrend zeigen. Es ist wichtig, die Erwärmung als einen Trend zu sehen und nicht einzelne statistische Ausreißer miteinander zu vergleichen. Denn extreme Wetterphänomene hat es immer gegeben und Berichte von solchen Ereignissen haben die Jahrhunderte in Form von Augenzeugenberichten und Spuren in der Erde überdauert. Unvorhergesehen kalte Winter, starke Regenfälle und andere Auswirkungen auf das Wetter hatten die Kraft, die Weltgeschichte zu beeinflussen.

Von Hagel und Hexen

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Darstellung einer Hexenverbrennung, um 1700 © LandesSammlungen Niederösterreich, Foto Christoph Fuchs
In einer Gesellschaft, die größtenteils von der Landwirtschaft lebt, sind Missernten Ereignisse, die die Existenz bedrohen. Religionen übernehmen in solchen Gesellschaften eine wichtige Aufgabe. Gott soll die fromme Bevölkerung schützen und Katastrophen werden als Bestrafung angesehen. Die kleine Eiszeit sorgte im spätmittelalterlichen Europa für Ernteausfälle und die Menschen versuchten, die Ereignisse zu deuten. Sogenannte „Wettermacher“ und „Wettermacherinnen“ wurden beschuldigt, mit dem Teufel im Bunde zu stehen und Missernten zu verursachen. Im Hainburger Hexenprozess von 1617 ergänzte etwa Anna Reichardtin am 12. Dezember 1617 eine Aussage, die sie am 23. November unter Folter gemacht hatte. In den Akten des Hainburger Hexenprozesses aus dem Jahr 1617 liest man, Sie „Bekhenndt, ain weter hab sie machen helffen vor drey jahren, des es gehagelt, gedonert, unnd geschauert, so in Weingarten, allenthalben schaden gethan.“ Anna Reichardtin war eine von drei Angeklagten, die der Hexerei beschuldig worden waren und denen der Tod auf dem Scheiterhaufen drohte. Letztendlich zeigte der Richter Milde und verfügte, dass die Angeklagten nicht lebend verbrannt werden sollten, sondern „mit dem schwerdt vom leben biß zum todt hingericht, und hernach verbrent werden sollen.“
In Europa wurden vom 15. bis zum 18. Jahrhundert wahrscheinlich 50.000-60.000 Männer und Frauen der Hexerei bezichtigt und hingerichtet.

Sturm über der Bastille

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Eugène Delacroix_Die Freiheit führt das Volk_Foto Pixabay
Auch in der Französischen Revolution von 1789 spielte das Wetter eine wichtige Rolle. In der Zeit von 1715 bis zum Jahr 1785 war die Bevölkerung von 18 Millionen auf rund 28 Millionen angewachsen. 1789 waren etwa 36% der Bevölkerung unter 20 Jahre alt. In guten Zeiten wurde etwa die Hälfte des Verdienstes, in schlechten etwa 80% für die Versorgung mit Nahrungsmitteln benötigt. Es wäre falsch zu sagen, dass das Wetter der alleinige Auslöser der französischen Revolution gewesen wäre. Aber neben der demographischen Entwicklung und anderen Faktoren sorgten Wetterextreme für eine Verteuerung der Lebensmittel und vermehrten die sozialen Spannungen. So zeigen Aufzeichnungen, dass in Paris des Jahres 1788 nur 12mm Regen fiel, während in Vergleichsmonaten davor 67mm gemessen worden waren. In Lille lag die Durchschnittstemperatur 2° höher als in den Vergleichsmonaten der Jahre davor. Ein weiteres Wetterphänomen, das die Franzosen in der Zeit heimsuchte, war ein Hagelsturm, der am 13.Juli 1788 Teile der Ernte zerstörte und dessen Hagelkörner sogar auf manchen Höfen Hühner erschlugen. Honoré Gabriel de Riqueti, Comte de Mirabeau beschrieb die Folgen des Sturmes: „Alle Plagen sind hereingebrochen. Überall fand ich Erfrorene und Verhungerte vor, denn es mangelt trotz Weizen an Mehl, weil alle Mühlen eingefroren sind“ (aus: Ronald D. Gerste: Wie das Wetter Geschichte macht). Die sozialen Spannungen fanden ihren Ausdruck im Sturm auf die Bastille und der Absetzung und Hinrichtung des Königs Ludwig XVI. und seiner österreichischen Gemahlin Marie-Antoinette.
Der österreichische Kaiser Joseph II., der absolut regierte und dabei seinem Motto „Alles für das Volk, nichts durch das Volk“ folgte, erlebte den Tod seiner Schwester unter der Guillotine nicht mehr mit. Dennoch verbreiteten sich die Ideen der französischen Revolution während der napoleonischen Kriege auch in Österreich. Der Fürst Metternich versuchte, demokratische Gesinnungen zu unterdrücken.

Unmut und Unwetter

Flugschrift1848
Wienbibliothek im Rathaus, Flugschriften zur Revolution 1848, www.digital.wienbibliothek.at
Jürgen Osterhammel verweist in seinem Meisterwerk „Die Verwandlung der Welt“ darauf, dass die Revolutionen von 1848 kein regionales aber auch kein globales, sondern ein europäisches Ereignis war. Die Ursachen für die Revolutionen finden sich in den sozialen Ungerechtigkeiten der Zeit. Die Fabriken, die in der Zeit der Industriellen (R)Evolution entstanden, benötigten Arbeitskräfte. Viele junge Menschen gingen vom Land in die Städte und erhofften sich eine Verbesserung ihrer Lebenssituation. Stattdessen erlebten sie den Kapitalismus des 19. Jahrhunderts, in dem Arbeiter ausgebeutet wurden. Die durchschnittliche Arbeitszeit betrug 12 bis 14 Stunden pro Tag, die Löhne waren niedrig und Arbeiter konnten im Falle eines Streikes jederzeit ersetzt werden.
In der Zeit von 1815 bis 1870 verdoppelt sich die Bevölkerung Europas, die Ackerflächen bleiben gleich. Graf René Adolphe bemerkte in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts: „es ist ganz klar, daß der Landwirtschaft noch nie vordem solche Bedeutung zugekommen ist wie jetzt, wo sich die Ernährungsgrundlage der Völker von Tag zu Tag schmälert. (aus: Otto Zierer: Aus Knechtschaft zur Freiheit)“
Ernteausfälle würden in einer solchen Situation die Notlage der Menschen verschlimmern. Doch in der Chronik des Bürgermeisters Schunk von Ederen ist für den Kreis Jülich für das Jahr 1847 vermerkt: „Der im November begonnene Winter hielt in seiner Strenge an, bis halben März, bei Frost und Schnee noch am 11. und 12. März grimmige Kälte. Mit der zweiten Hälfte März trat Frühlingswitterung ein, welche zwar mit jedem Tage milder, jedoch von Nachtfrösten unterbrochen wurde. Den April hindurch Nachtreife und in der zweiten Hälfte bis gegen Ende des Monats Schneegestöber und schneidende Kälte.“ Nach dem kalten und lange andauernden Winter schien es, als ob sich die Natur erholen würde und die Bauern mit hohen Ernteerträgen rechnen könnten: „Mit Mai stellte sich angenehme warme Witterung und fruchtbare Regenschauern ein, so daß die bis jetzt zurückgebliebene Vegetation wunderbare Fortschritte machte, die Feldfrüchte ein vortreffliches Ansehen bekamen, und die Obstbäume in einer solchen Fülle von Blättern prangten, daß Niemand sich ein Aehnliches erinnern konnte.“ Doch die Hoffnung auf ein gutes Jahr erfüllte sich nicht. Nachdem sich die Pflanzen scheinbar von dem Kalten Winter erholt hatten, hatte die Natur eine weitere Überraschung für sie bereit. „Der Sommer war ungewöhnlich trocken, und einige Gewitterschauern abgerechnet, beinahe ohne Regen, erst im Spätherbste trat Regen ein; Oelsaamen und Gerste hatten durch den Winter gelitten, und die Sommerfrüchte durch die Dürre. Roggen und Weizen dagegen lieferten, sowohl in Qualität als Quantität eine ganz befriedigende Erndte. Die Futtergewächse und Gartengemüse konnten der anhaltenden Dürre wegen nicht aufkommen; Steinobst war wenig gerathen, dagegen Kernobst in sehr großen Mengen. Bei den Kartoffeln hat sich in geringen Maaßen die frühere Krankheit gezeigt, u. A. waren einzelne Stücke zackig und rostig. Im Allgemeinen aber sind die Kartoffeln sehr schmackhaft und mehlhaltig, so daß die Erndte durch Qualität wohl aufwiegt, was sie gegen andere Jahre in Quantität nachsteht. Im November bis zum Eintritt der Kälte zeigte sich an den Kartoffeln im Keller eine verderbliche Fäule, wodurch ein Theil der Erndte zu Grunde gegangen.
Bereits 1847 spitzte sich die Lage zu. So wurde in der Prager Zeitung „Bohemia“ am 6.5.1847 berichtet: „Im Riesengebirge hat die Teuerung und Hungersnot so zugenommen, daß täglich große Mengen von Kindern und auch alte arme Leute die Häuser ablaufen und betteln um Brot, um den Hunger zu stillen, da sie sich an Kleie, aus der sie Kuchen (Kleiekuchen) backen, nicht genug satt essen können. Zur Broterzeugung wird, um Roggenmehl zu sparen, Heumehl beigemischt. Dieses Heumehl wird erzeugt durch Zerstampfen des trockenen Heues in großen Mörsern. […] Die Preise der Lebensmittel steigen ständig. […] Die Teuerung und Not hat auch mit sich gebracht, daß viel Lebensmittel gestohlen werden.

Während soziale Missstände, nationale Unabhängigkeitsbestrebungen zunahmen, waren es auch wetterbedingte Missernten, die  zu einem der Auslöser der Revolution wurden.


Die drei ausgewählten Beispiele zeigen, wie Dürren, Hagel und andere Wetterphänomene in einer Gesellschaft, die von der Landwirtschaft abhängig ist, die sozialen Spannungen verstärken und letztendlich zur Verfolgung von sozial Schwachen oder Auflehnung gegen die staatliche Autorität führen können.

Text: Matthias Dockner, BA

Literatur
Isabella Ackerl: Als die Scheiterhaufen brannten. Hexenverfolgung in Österreich (Wien, 2011)
Wolfgang Beringer: Hexen. Glaube-Verfolgung-Vermarktung (München 2009)
Thomas Chorherr: Eine kurze Geschichte Österreichs (Wien 2003)
Ronald D. Gerste: Wie das Wetter Geschichte macht. Katastrophen und Klimawandel von der Antike bis heute (Stuttgart 2015)
Nathalie Ignatieff: Hexenprozesse in Hainburg 1617/18 (Wien 2009)
Jürgen Osterhammel: Die Verwandlung der Welt. Eine Geschichte des 19. Jahrhunderts (München 2009)
Karl Vocelka: Geschichte Österreichs. Kultur-Gesellschaft-Politik (Graz, Wien, Köln, 2002)
Otto Zierer: Aus Knechtschaft zur Freiheit. Die Geschichte des Bauerntums (Salzburg 1979)

Online Quellen:
http://riesengebirgler.de/gebirge/Geschichte/Hungersnot.htm, am 27.3.2020
http://old.wetterzentrale.de/cgi-bin/wetterchronik/home.pl?read=175&jump1=jahr&jump2=1847 , am 27.3.2020

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