Meine Jugend – Deine Jugend: Zwischenbilanz

The Times They Are A-Changin´…

Eine Art Zwischenbilanz

Geil! In Balkenlettern steht es da. Das Wort, das allen wechselnden Moden seit Jahrzehnten zu trotzen scheint. Oder sind es die Werbebotschaften, die Wörter unsterblich machen? Seit jeher versucht sich die junge Generation über ihre eigene Sprache zu definieren, sie für ihre Bedürfnisse anzupassen und anzueignen, sich mit ihr abzugrenzen. 

Hat nicht schon der alte Sokrates vor 2.500 Jahren geklagt, die jungen Leute heutzutage seien verwöhnte Flegel, ohne Manieren und ohne Respekt vor dem Alter?

Wir stehen also ganz am Anfang, am Beginn der Ausstellung „Meine Jugend – Deine Jugend“. Sie ist anders als andere: eine Mitmachausstellung, eine Beteiligungsexposition. Nach einem Drittel der Laufzeit wäre es an der Zeit, dachte ich, Nachschau zu halten, die Ergebnisse der Mitarbeit zu ermitteln und herauszufinden, wie sich der Lifestyle einstiger und heutiger junger Menschen gleicht oder unterscheidet.

Am Eingang heißt es, sich zu deklarieren, zumindest, wenn man mitbestimmen möchte. Buttons zum Anstecken in vier Farben und Klebepunkte zum Abstimmen weisen die TeilnehmerInnen als VertreterInnen ihrer Generation aus (grün: vor 1965 geboren, rot: 65-79, blau: 80-95, orange: ab 96). Wer mag, kann sich für ein Erinnerungsfoto aus dem Kostüm-Fundus bedienen.

Mitarbeit MJDJEs ist mitunter nicht einfach an den interaktiven Stationen, wie das im Ausstellungsjargon heißt, zu einem Resultat zu kommen. Manchmal ist es chaotisch, ein anderes Mal klipp und klar. Der Zeitgeist lässt sich nicht so einfach fangen. Aber das Resultat steht ja auch nicht im Mittelpunkt, sondern die Beschäftigung mit der eigenen Jugend und jene mit der heutigen Jugend. Und siehe da, manches dürfte ewige Gültigkeit haben: Elternhaus und Freundeskreis beeinflussen uns wie eh und je am stärksten. Nichts, wofür es sich zu kämpfen lohnt, steht einfach vor der Tür, sagt ein Spruch. Hier steht die Frage an der Wand. Das Resultat ist nichts weniger als der stete Menschheitstraum von Friede, Freiheit, Gerechtigkeit. Dazu kommen noch alle relevanten Probleme unserer Zeit, von Umweltsünden bis zur Toleranz.

Das größte Engagement wurde bisher der Jugendwörter-Wand zuteil. Sie ist bereits etwas unübersichtlich, aber die neuen Satzzeichen Oida, voll und cool sind noch gut erkennbar. Wer sich tiefer in das Thema versenken möchte, wird nicht umhinkommen, andere Quellen zu Rate zu ziehen. Für eine Materialsammlung ist sie aber eine Fundgrube.

Anlässe für Zwist im Hotel Mama sind die Allzeitklassiker „Zank mit Geschwistern“ sowie „angeblich unaufgeräumte Zimmer“. Hingegen scheinen Umgestaltungspläne der eigenen vier Zimmerwände nahezu frei von Reibereien. Kann aber auch sein, dass solche Pläne nicht geschmiedet werden. Beim Drogenkonsum stehen Alkohol und Nikotin in der Anwendungshäufigkeit ganz oben. Cannabis und andere bewusstseinserweiternde Substanzen sind viel seltener und werden erst ab 20 konsumiert. Wenn die Angaben stimmen. Hier möchte ich gern dabei sein, wenn die Oma ihren grünen Punkt bei LSD und 16 Jahre platziert. Mich würde das Gesicht des Enkels interessieren.

„Mental Map“ nennen die Experten eine gezeichnete Skizze, die den eigenen Aktionsradius mit allen bedeutsamen Zusammenhängen beschreibt. Sie bringt einem die eigene Vergangenheit in Erinnerung mit all ihren personellen und geografischen Beziehungen. Die Skizze kann gleich an Ort und Stelle angefertigt werden und wird, wie die bunten Punkte, Bestandteil der Ausstellung.

Mitarbeit MJDJWas die Gruppe im Innersten zusammenhält sind Verlässlichkeit und gemeinsame Unternehmungen. Schulbekanntschaften sind dafür maßgeblicher, als das Arbeitsumfeld. Medien und Rituale spielen kaum eine Rolle. Soweit nicht ganz überraschend. Ob die erste Reise ohne Eltern tatsächlich den einen nach Feuerland und die andere nach Grönland geführt hat? Den  Großteil hat es jedenfalls nach England und Südeuropa gezogen. Ich kann mich beispielsweise an meinen ersten Soloausflug gar nicht mehr erinnern. Mein grüner Punkt fehlt hier.

Freilich kann man die Ausstellung auch ohne Punkte genießen, sich an den Einträgen zu den verschiedensten Themen erfreuen, vielleicht Widerspruch empfinden oder man steckt seinen Kopf durch die Wand mit dem Hippie-Mädchen, der Raverin … und lässt seine Begleitung ein Foto von sich machen. Experten auf diesem Gebiet werden auch ein Selfie zustande bringen.

Besser aber ihr schnappt euch den Opa, die Oma und konfrontiert sie mit ihrer und mit eurer Jugend. Oder umgekehrt. The Times They Are A-Changin´, die Zeiten ändern sich, meint Nobelpreisträger Bob Dylan (1964).  

Selbstverständlich gibt es auch Exponate in der Ausstellung, dazu ein andermal mehr.

 

Text: Gerhard Hintringer
Ausstellungsansichten: Johanna Weitzenböck

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