Stift Göttweig (Foto: © Elisabeth Vavra)
In den Monaten April bis Juni 2021 präsentiert das Museum Niederösterreich im Rahmen der Reihe Museum zu Gast Bestände aus dem Benediktinerstift Göttweig.
Auf den Hügel über dem Donautal hatte sich Bischof Altmann von Passau zurückgezogen, nachdem ihn Kaiser Heinrich IV. seines bischöflichen Amtes enthoben hatte. Auf dem Berg Kotwich (Göttweig) ließ Altmann von Passau zunächst eine Erentrudiskirche und ein befestigtes, burgartiges Gastgebäude errichten, wie archäologische Grabungen in jüngster Zeit bestätigten. 1083 stiftete er das Monasterium beatae Mariae in Monte Kotwich und berief Augustiner-Chorherren. 1091 verschied er in Zeiselmauer, und seine sterblichen Überreste wurden nach Göttweig überführt. Drei Jahre später übernahmen Benediktiner aus St. Blasien im Schwarzwald das Kloster.Nach den stürmischen Zeiten der Reformation erlebte das Kloster unter Abt Gregor II. Heller von Dietzing (1648–1669) eine erste Blütezeit. Zu dem Barockabt schlechthin aber wurde Gottfried Bessel, der 1692 in das Kloster eintrat. 1714 wurde er zum Abt gewählt. Die führenden Architekten seiner Zeit – Jakob Prandtauer, Balthasar Neumann und Johann Baptist Maderna – beauftrage er mit Um- und Neubaupläne. So tragisch der verheerende Stiftsbrand am 17. Juni 1718 auch war, er eröffnete die Möglichkeit zu einem noch großzügigeren Bauprojekt. Mit dessen Durchführung wurde der kaiserliche Hofarchitekt Johann Lukas von Hildebrandt beauftragt.
Die Kaiserstiege
Die Museumsräume und die Kaiserzimmer erreichen wir über die Kaiserstiege, die zu den schönsten Treppenhäusern Europas zählt. Die ersten königlichen Füße, die diese Treppe betraten, gehörten nicht Karl VI., der auf dem Deckenfresko dargestellt ist, sondern seiner Tochter Maria Theresia. Gemeinsam mit ihrem Gemahl stattete sie dem Stift anlässlich der Jubelprimiz des Abtes Gottfried Bessel am 19. Juni 1746 einen Besuch ab.
Heute wird der Entwurf der Kaiserstiege Franz Anton Pilgram, einem Schüler Johann Lucas von Hildebrandts, zugeschrieben.
Der Baubeginn des Treppentrakts fiel in das Jahr 1736. Die Bildhauerarbeiten schuf Johann Schmidt, der Vater des Malers Martin Johann Schmidt (Kremser Schmidt). Im Dezember 1737 wurde der Kontrakt mit ihm geschlossen. Für das geplante große Deckenfresko konnte Paul Troger gewonnen werden, die Architekturmalerei sollte der Solothurner Maler Johann Baptist Byß ausführen.
In dem am 3. November 1738 abgeschlossenen Vertrag verpflichtete sich Paul Troger dazu den Plavon oder die obrer Deckh ahn der Haubt Stiegen zu Göttweig zehen Claffter lang und neün Claffter breit nach dem ihm von Ihre Hochwürden und gnaden eröffneten Concept auf das beste zu mahlen… Das heißt: Das ikonographische Programm stammt aus der Feder des Abtes Gottfried Bessel.
Das Deckenfresko zeigt die Apotheose Kaiser Karls VI. Als Gott Apollo fährt er im von Schimmeln gezogenen Triumphwagen durch den azurblauen Himmelsraum. Athene, mit Schild und Speer bewaffnet, kämpft gegen die Dämonen der Dunkelheit und stürzt sie – unterstützt durch den kaiserlichen Adler – in den Abgrund. Auf Wolken thronen zur Rechten des Kaisers Fama (die Göttin des Ruhmes), Chronos (die Personifizierung der Zeit, hier wohl der Lebenszeit des Kaisers), die Künste und Wissenschaften sowie tanzende Amoretten. Sie alle huldigen dem Mäzenatentum des Kaisers.
Die Stiftssammlungen
Die Schauräume, die den Fürstentrakt und die Kaiserzimmer umfassen, zeigen noch heute die ursprüngliche prachtvolle Ausstattung. Johann Baptist Byß und sein jüngerer Bruder Johann Rudolf schufen ab 1735 die auffälligen Leinentapeten, die die Wände zieren. Die Tapeten wurden als Leinwandparavents vor die grob verputzten Ziegelmauern montiert. Jeder Raum wird durch einen anderen farblichen Grundton und einen anderen Motivreigen definiert. Leider kann nur ein Bruchteil der Sammlungen des Stiftes gezeigt werden.
Der Rundgang beginnt südlich der Treppenanlage im Benediktuszimmer. Abgestimmt auf die Ikonographie bietet der Raum einen Einblick in die Gründungsgeschichte des Klosters. Die Ausstattung wird durch einen intensiven blauen Grundton dominiert. Die Tapeten, die mit goldfarbenen Bandelwerk und vignettenartigen Landschaftsausschnitten dekoriert sind, bilden den Hintergrund für drei Szenen aus der Benediktusvita, die ab 1728 von Johann Samuel Hötzendorfer gemalt wurden. Der 1694 in Sulzbach (Oberpfalz) geborene Maler studierte zunächst in Rom und Florenz. 1723 ließ er sich in Wien nieder und gewann 1731 den Akademiepreis. Der anschließende kleinere Raum ist das sog. Wasserkabinett, benannt nach den unterschiedlichen Wassertierchen, die sich auf der Wandbespannung tummeln.
Die Kunst- und Wunderkammer
Dank der Stichfolge Salomon Kleiners kennen wir das Aussehen der ehemaligen Kunst- und Wunderkammer, die Abt Gottfried Bessel anlegen ließ. Sie befand sich im ersten Stock des sog. Frauen-Turms (Nordostturm). Zu ihren Beständen gehörten archäologische Fundstücke aus der Antike ebenso wie kunstvolle Elfenbeinarbeiten oder Münzen. Fossilien, Muschel- und Schneckenhäuser, Mineralien, aber auch Tierpräparate bildeten das Naturalienkabinett. Die auf dem Stich links dargestellten Münzkästen sind bis heute in Verwendung.Im Südostturm, dem Altmanni-Turm, wurde unter Abt Gottfried Bessel das Graphische Kabinett eingerichtet. Die graphischen Blätter wurden in mit weiß gekalktem Schweinsleder überzogenen Holzschatullen aufbewahrt, die, wie der Stich zeigt, den Eindruck von Folianten vermittelten. Heute umfasst das Graphische Kabinett rund 32.000 Originalgraphiken.
Von den Kunstkammerstücken Bessels haben sich nur mehr wenige Stücke erhalten. Deren schönste werden heute im Zimmer des Sebastiani-Turmes gezeigt. Dazu gehören u.a. Arbeiten in Buchsbaumholz, basierend auf antiken Vorbildern und besonders qualitätsvolle Elfenbeinarbeiten, so ein um 1725 entstandenes Standkreuz mit Kruzifixus oder eine sog. Konterfettenkugel. Solche Konterfettenkugeln sind Hohlkugeln, die aus einem einzigen Stück Elfenbein gedrechselt werden. In ihrem Inneren befindet sich eine aufklappbare Kapsel mit Miniaturbildnissen. Im Göttweiger Fall sind es die Porträts von Kaiser Karl VI. und seiner Gemahlin Elisabeth Christine.
Ein weiteres Prunkstück in diesem Raum ist der sog. Göttweiger Emailkalender: Der Kalender besteht aus sechs Holztafeln. Jede der mit lachsfarbiger Seide überzogenen Tafelseiten steht für einen Monat. Auf diese sind Emailmedaillons mit dem jeweiligen Tagesheiligen montiert. Dieser immerwährende Heiligenkalender, den Abt Gottfried Bessel herstellen ließ, diente für das Breviergebet in der Chorkapelle.
Die folgenden drei Fürstenzimmer sind in ihren Dekorationssystemen einfacher gestaltet. Die Wände wurden in gleichförmige Kompartimente eingeteilt und mit Mittelmotiven – figural oder ornamental – dekoriert. Der erste Raum, in zartem Blau gehalten, zeigt in den Medaillons Landschaftsveduten. Die Wände des folgenden Raumes sind nur ornamental dekoriert. Der letzte Raum – in Grün und Gelb gehalten – zeigt in den Mittelfeldern jagdbares Federwild.
Der erste Raum dieser drei Fürstenzimmer ist der Bibliothek des Stiftes gewidmet. Nur einige wenige Handschriften und Drucke aus dem großen Bestand können gezeigt werden. Die Zahl der im Stift aufbewahrten Bücher wird auf 320.000 Bände geschätzt.
Die Handschriftensammlung umfasst 1150 Codices aus dem 9.-18. Jahrhundert, die Inkunabelsammlung ca. 1100 einheitlich gebundene Druckwerke. Im folgenden Raum wird des für das Stift Göttweig und seine Pfarren wohl wichtigsten Barockmalers gedacht: Martin Johann Schmidt, besser bekannt als Kremser Schmidt. Das Stift besitzt mehr als 48 Gemälde von seiner Hand. Zählt man seine Werke in den Göttweiger Pfarren hinzu, kommt man auf nahezu 150 Gemälde. Zu den Höhepunkten seines Schaffens zählt die in der Ausstellung gezeigte Vermählung Mariens (1769). Seine späteren Jahre repräsentieren die beiden anderen Gemälde: Die Anbetung der Heiligen Drei Könige und als Pendant Die Geburt Christi mit Engelsanbetung, um 1780 entstanden. Der letzte Raum in der Reihe gibt Einblicke in die Archäologie mit der Sonderausstellung Archäologie in Göttweig. ALTE Mauern – NEUE Erkenntnisse. Unter den spannenden Objekten sticht eines besonders hervor: Zu sehen ist die dem Codex 97 vorgebundene Miniatur mit der ältesten Darstellung Bischof Altmanns von Passau, der neben seiner Gründung, symbolisiert durch eine dreischiffige, zweitürmige Basilika. Sie ist um 1160/70 entstanden.
Der Altmanni-Saal
Zu den Kaiserzimmern gelangt man durch den zweigeschossigen Altmanni-Saal, der heute als Veranstaltungssaal genutzt wird. In der Stichfolge Salomon Kleiners wird er als Triclinium aestivum minus – kleines Sommertafelzimmer – bezeichnet. Der Raum diente der Bewirtung der vornehmen weltlichen Gäste, so speisten hier etwa Maria Theresia und ihr Gemahl anlässlich ihres Besuches 1746. Auf die Nutzung des Raumes nimmt das Programm des Deckenfreskos Bezug, das die Hochzeit zu Kana zeigt. Seine Schöpfer waren Rudolf und Johann Baptist Byß. Die Gemälde an den Wänden zeigen die Propstei- und Ökonomiegebäude des Stiftes sowie an der Ost- und Westwand je eine Stiftsvedute: die Stiftsanlage vor dem Brand von 1718 und die Idealansicht der Klosteranlage nach den Plänen Johann Lucas von Hildebrandt, die schließlich unvollendet blieb.Das Kaiserzimmer
Durchschreitet man den Altmanni-Saal gelangt man durch die Nordosttüre zu der Raumfolge der prächtig ausgestatteten Kaiserzimmer. Der erste Raum, den wir betreten, ist das Jagdzimmer. Seinen Namen erhielt er von dem jagdbaren Wild, das sich auf den Bildmedaillons der Leinwandtapeten tummelt. An der Ost- und Westwand befinden sich zwei weitere Gemälde aus dem Zyklus der Benediktvita. Passend zur Thematik der Tapeten sind hier einige der Jagdwaffen aus dem Besitz der Göttweiger Äbte zu sehen. Die Waffensammlung Bessels umfasste einst laut Inventar u.a. 86 Flinten, Musketen, Stutzen und Scheibenstutzen und 24 Pistolen, die in zehn Eichenkästen aufbewahrt wurden.
Das folgende Zimmer ist mit grünblauen Gobelins ausgestattet, die aus dem Nachlass des Prinzen Eugen von Savoyen stammen sollen. Die um 1700 entstandenen Wandteppiche zeigen diverse Genreszenen wie Kartenspiel, Tabakrauchen im Freien oder Tanzszenen, die sich vor Gartenkulissen abspielen. Die Ausstattung des Durchgangszimmers – die ehemalige Gemäldegalerie – weist bereits den Formenschatz der Empirezeit auf. Anlässlich der Jubiläumsausstellung 1983 wurde die ursprüngliche Hängung, soweit es noch möglich war, rekonstruiert. Die Gemälde stammen aus dem 17. und 18. Jahrhundert. Zu den ältesten gehören drei Hafenlandschaften und die beiden als Supraporten (= über der Tür angebrachte Gemälde, eine beliebte Hängung in der Barockzeit) dienenden Schlachtenszenen aus dem 17. Jahrhundert.
Der letzte Raum in der Flucht der Kaiserzimmer ist das sog. Napoleonzimmer: Napoleon hielt sich anlässlich der Schlacht bei Loiben am 8. September 1809 im Stift Göttweig auf. Die Ausstattung des Raumes mit seinem Bandelwerk in Gold auf Weiß mit grünen Lüsterbändern verweist auf eine Entstehungszeit um die Mitte des 18. Jahrhunderts. Die Nutzung als Schlafraum erfolgte erst ab einem späteren Zeitpunkt. Zum ursprünglichen Bestand gehört auch der venezianische Spiegel, dessen prunkvollen Rahmen 1743 Johann Schmidt, der Vater Martin Johann Schmidts, schnitzte.
Ein Benediktiner als Höhlenforscher
Neben ihrer seelsorgerischen Tätigkeit waren viele Patres des Stiftes auch als Wissenschaftler tätig. Einem dieser unermüdlich Tätigen ist die diesjährige Sonderausstellung gewidmet:
Die informative, liebevoll gestaltete Sonderausstellung ist noch bis 1. November 2021 geöffnet.
Autorin: Prof.in Dr.in Elisabeth Vavra
Literatur:
Gregor M. Lechner OSB (Hg.), 900 Jahre Stift Göttweig 1083–1983. Ein Donaustift als Repräsentant benediktinischer Kultur, Jubiläumsausstellung Stift Göttweig 1983.
Ders. – Michael Grünwald, Gottfried Bessel (1672–1749) und das barocke Göttweig, Zum 250. Todesjahr des Abtes, Ausstellung Stift Göttweig 1999.
Dies., Göttweig & Kremser Schmidt. Zum 250. Todesjahr des Malers Martin Johann Schmidt (1718–1801), Ausstellung Stift Göttweig 2001.
Gregor M. Lechner OSB, Benediktinerstift Göttweig, Regensburg 2008.
Blog-Nachlese:
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