Lina Lux

© NÖ Museum Betriebs GmbH

 Frauenportrait #10

Lina Lux (1894–1989) – Fotografin in Zwettl

 
Porträtfotografie von Lina Lux, 1921
© Familienarchiv Lux
Aus einem kleinen Ort in Preußisch Schlesien, heute Polen, war Carl Lux, der Großvater Linas, 1858 nach Zwettl gekommen und fand dort in der Buchbinderei des Conrad Schöpfer Arbeit. Als sein Meister starb, führte er mit dessen Witwe den Betrieb weiter, heiratete diese und erhielt schließlich 1888 das Bürgerrecht in Zwettl. Sein Sohn Carl jun. übernahm 1890 das väterliche Geschäft. Zuvor hatte er nach einer Buchbinderlehre in Judenburg bei einem dortigen Fotografen auch die Porträtfotografie erlernt. 1892 heiratete er in der Wallfahrtskirche Maria Dreieichen Paula Kastner, die Tochter des aus Innsbruck stammenden Gemeinde- und Sparkassensekretärs.
Zwei Jahre später, am 12. April 1894 kam das erste Kind zur Welt, eine Tochter, die auf die Namen Carolina Paula Maria getauft wurde. Zwei weitere folgten in kurzen Abständen. Sechs Jahre nach der Eheschließung erlag die erst 28-jährige Mutter, wie so viele andere jungen Menschen in dieser Zeit, der Lungentuberkulose. Um die drei kleinen Kinder zu versorgen, blieb dem Witwer nichts Anderes übrig als möglichst bald wieder zu heiraten. In Theresia Bernardi, einer Freundin seiner Frau, hoffte er eine gute Stiefmutter für seine Kinder zu finden.
Nach der Beendigung der Schulzeit begann Lina Lux im Atelier ihres Vaters mit der Ausbildung zur Fotografin. Als der Erste Weltkrieg ausbrach, mussten die jungen Männer an die Front. In der Heimat fehlten sie als Arbeitskräfte in allen Sparten. Frauen wurde es dadurch möglich, in Berufe vorzudringen, die sonst in erster Linie von Männern ausgeübt wurden. Auch in der Verwaltung herrschte ein Arbeitskräftemangel. So begann Lina Lux am k.k. Steueramt (=Finanzamt) in Zwettl zu arbeiten. Als ihr Vater schwer erkrankte und nicht mehr im Fotoatelier arbeiten konnte, suchte Lina um Entlassung aus dem Staatsdienst an und arbeitete wieder im Betrieb ihres Vaters; nach dessen Tod 1917 führte sie ihn dann gemeinsam mit ihrer Stiefmutter. Die Beziehung zwischen den beiden war immer schon etwas problematisch gewesen. Dieser Umstand und die schlechte wirtschaftliche Lage nach dem ersten Weltkrieg waren Anlass für den Entschluss, den Lina Lux nun fasste: In der Ferne wollte sie ihr Glück versuchen; ihr Ziel war Brasilien!
Von Triest aus sollte die Überfahrt mit einem Dampfer nach Brasilien erfolgen. Ursprünglich wollte sie die Reise mit Zwettler Bekannten antreten, die ebenfalls in Brasilien ihr Glück suchen wollten. Lina verpasste aber die Abfahrt des Dampfers in Triest und musste nun allein zu einem späteren Zeitpunkt reisen. Während der Überfahrt 1920 brach an Bord die Cholera aus. Zahlreiche Passagiere bezahlten ihre Sehnsucht nach einer besseren Sehnsucht mit dem Leben.

Lina Lux arbeitete auch in Brasilien als Fotografin. Sie fand Arbeit in einem Atelier in São Paulo. Zunächst nur für Hilfsarbeiten wie Retuschen herangezogen, erkannte ihr Chef, der Deutsche Paul Friedrich Schmidt, bald das Talent und die Einsatzbereitschaft der jungen Österreicherin. Die Hauptarbeit in dem Fotostudio bestand in Porträt- und Gruppenaufnahmen. In Stoßzeiten – etwa während des Karnevals, zu Schulschluss oder zu Beginn der Universitätsferien – musste Lina Lux oft hundert und mehr Glasplattennegative in der Dunkelkammer entwickeln und zunächst Rohabzüge herstellen. Diese Rohabzüge wurden nun den Kunden und Kundinnen vorgelegt. Erst dann wurden von den ausgesuchten Fotografien die endgültigen Abzüge ausgearbeitet.
Zwischen der jungen Fotografin und ihrem Chef, dessen Frau schwer krank war, entwickelte sich bald mehr als ein bloßes Arbeitsverhältnis. 1922 brachte Lina Lux einen Sohn zur Welt, um den sie sich in der Folge gemeinsam mit ihrem Chef und dessen Frau kümmerte. Als die Ehefrau starb, verschlechterte sich das Verhältnis zunehmend; Lina Lux beschloss, wieder in die Heimat zurückzukehren. Allerdings wollte die Stiefmutter sie nicht gemeinsam mit dem unehelichen Sohn wieder aufnehmen. Vermutlich aus Angst vor der Schande, in einer Kleinstadt wie Zwettl einen unehelichen Enkel in der Familie zu haben, verlangte sie von ihrer Stieftochter, den Sohn in Brasilien beim Kindsvater zu lassen. Alle Versuche Linas, sie umzustimmen, scheiterten. Schließlich unterschrieb sie eine Verzichtserklärung zugunsten des Kindsvaters und kehrte allein nach Zwettl zurück.
Die folgenden Jahre standen ganz im immer noch schwelenden Konflikt zwischen Stiefmutter und Stieftochter. Lina Lux wollten den Betrieb modernisieren, ihre Stiefmutter scheute hingegen jede Veränderung. Trotz der ständigen Reibereien und Machtkämpfe bewährte sich Lina Lux als Fotografin. Ihr Können stellte sie 1934 anlässlich der Landesausstellung in Zwettl unter Beweis. Sie dokumentierte die Eröffnungsfeierlichkeiten und die Ausstellung selbst, in der auch zahlreiche Arbeiten von ihr in der Leistungsschau der Fotografen zu sehen waren. Während der Landesausstellung war auch ein offenes Zweisitzer-Flugzeug in Zwettl stationiert; der provisorische Flugplatz war auf den Feldern beim Dürnhof eingerichtet. Gegen 15 Schilling pro Flugminute konnte jeder, der es wagte, einen Rundflug machen. Der Direktor der Landwirtschaftlichen Fachschule Edelhof wollte diese Gelegenheit nützen, endlich zu Flugaufnahmen der Schule zu kommen. Lina Lux wagte das Experiment. Bewaffnet mit einer Rollei bestieg sie den Flieger.



Lina Lux beim Aussteigen aus dem Flugzeug im September 1934
© Stadtarchiv Zwettl
Der erste Versuch misslang. Beim Einstieg hatte sich die Blende der Kamera verstellt. Der zweite Versuch wurde ein voller Erfolg. Lina Lux machte Aufnahmen von der Landwirtschaftlichen Fachschule, von der Stadt Zwettl, dem Stift und dem Festgelände in der Gartenstraße. Neben ihrer Arbeit im Fotoatelier besuchte Lina Lux in dieser Zeit Fortbildungs- und Meisterkurse an der Graphischen Bundes-Lehr- und Versuchsanstalt in Wien. Im Jänner 1935 legte sie die Meistprüfung ab und wurde Mitglied des Verbandes der Fotografenzunft in Niederösterreich. 1936 übernahm sie die alleinige Leitung des Betriebes. Der Anschluss 1938 brachte viele neue Aufträge. Jeder benötigte für die neuen Legitimationen Passbilder. Die mit der Errichtung des Truppenübungsplatzes im Raum Zwettl beschäftigten Arbeiter und die Soldaten der Wehrmacht überhäuften den Betrieb mit Arbeit. Pro Tag musste Lina Lux bis zu 300 Aufnahmen machen, viel Arbeit für sie, die nur eine Mitarbeiterin an ihrer Seite hatte. Neben ihrer Tätigkeit als Porträtfotografin fertigte sie auch – vielleicht im Auftrag des Kreisleiters der NSDAP – eine Fotoserie von Waldviertler Bauernstuben an. Nach Kriegsende rissen die Aufträge nicht ab; nun waren es die Soldaten der Roten Armee, die Porträtaufnahmen wollten; so kam Lina Lux auch in dieser schweren Zeit über die Runden und konnte dadurch auch der Familie ihres Bruders unter die Arme greifen. Ihren Bruder, der in Wien Landgerichtspräsident und Vorsitzender des Standgerichts für den Reichsgau Niederdonau gewesen war, hatte man inhaftiert. Seine Frau suchte mit ihren Kindern in Zwettl Zuflucht. In einen der beiden älteren Söhne fand Lina Lux einen Nachfolger. Gerhard Lux besuchte wie einst seine Tante die Graphische Lehr- und Versuchsanstalt in Wien und legte die Meisterprüfung ab; 1955 wurde er zunächst Teilhaber, 1961 übernahm er den Betrieb.
Am 15. Oktober 1989 starb Lina Lux im Haus Schulgasse 22. Ihre letzte Ruhestätte fand sie am Zwettler Propsteifriedhof.


Quelle: Friedel Moll, Carolina (Lina) Lux (1894-1989). Fotografin in Zwettl, in: Waldviertler Biographien, Band 2, Waidhofen/Thaya 2004, S. 257-268.
Text: Dr. Elisabeth Vavra

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