© Barbara Seiberl-Stark

Frühblüher

Die Boten des Frühlings - Zwischen Jänner und Mai

Frühblüher bilden einen typischen Bestandteil der Vegetation unserer Laubwälder. Besonders häufig sind sie in Buchen- und Buchenmischwäldern zu finden. Zeitig im Frühjahr, wenn die Äste der Bäume noch kahl sind, bilden sie ihre Blüten und Blätter aus. Damit nutzen sie die lichtreichste Zeit im Jahr, denn solange das Laub der Bäume noch keinen Schatten wirft, kann viel Sonnenlicht bis zum Waldboden durchdringen. Typischerweise gedeihen Frühblüher zwischen Jänner und Mai. Möglich ist diese frühzeitige Entwicklung durch ganz besondere Anpassungen: Frühblüher besitzen unterirdische Speicherorgane – sozusagen Vorratskammern unter der Erde, die ihnen die nötige Energie für die Ausbildung ihrer Blütentriebe bereit stellen. Um tiefe Temperaturen unbeschadet zu überstehen, lagern viele Frühblüher eine Art chemisches „Frostschutzmittel“ in ihrem Gewebe ein.


Zwiebel, Knolle, Spross

Scharbockskraut,
Foto: A. Benedetter-Herramhof
Allen Frühblühern gemeinsam ist, dass sie bald im Jahr blühen. Doch die Speicherorgane, mit deren Hilfe sie dies bewerkstelligen, unterscheiden sich voneinander. Manche Frühblüher, wie zum Beispiel das Schneeglöckchen, die Frühlingsknotenblume oder der Bärlauch besitzen eine Zwiebel. Bei dieser handelt es sich um einen umgebildeten, unterirdischen Spross, dessen fleischig verdickte Blätter mit Reservestoffen gefüllt sind. Andere Frühblüher, wie zum Beispiel der Krokus, der Lerchensporn oder das Scharbockskraut lagern ihre Speicherstoffe in einer Wurzelknolle. Wieder andere, wie das Leberblümchen, das Buschwindröschen oder die Schlüsselblume besitzen ein sogenanntes Rhizom. Bei diesem umgangssprachlich auch als „Wurzelstock“ bezeichneten Organ, handelt es sich in Wahrheit nicht um eine Wurzel, sondern um einen unterirdisch wachsenden Spross. In Zwiebel, Knolle und Rhizom werden Nährstoffe (hauptsächlich in Form von Stärke) gespeichert. Ungünstige Bedingungen werden mit Hilfe dieser unterirdischen Speicherorgane überdauert.


Schneeglöckchen

Schneeglöckchen, Foto: B. Seiberl-Stark
Das Schneeglöckchen (genauer gesagt das Kleine oder auch Gewöhnliche Schneeglöckchen) ist zweifellos einer unserer bekanntesten Frühblüher. Es blüht oft schon im Februar und kann Temperaturen von einigen Minusgraden ertragen. Sogar die Blüten sind frosthart. Das Schneeglöckchen bevorzugt feuchte, schattige Standorte und ist in Berg- und Auwäldern zu finden. Die weißen, nickenden Blüten – übrigens immer nur eine auf jedem Stängel – bestehen aus drei äußeren und drei inneren Blütenblättern. Die inneren Blütenblätter sind nur etwa halb so groß wie die äußeren und tragen grüne Flecken. Bei diesen Flecken handelt es sich um sogenannte Saftmale, die den Blütenbesuchern den Weg zum Nektar weisen. Schneeglöckchen können sich vermehren, indem sie Brutzwiebeln bilden, die sich später von der Hauptzwiebel lösen. Sie bilden aber auch kleine Kapselfrüchte aus, die mehr als 30 Samen enthalten können. An jedem dieser Samen ist ein Nährkörper festgewachsen, der besonders von Ameisen gerne gefressen wird. So tragen Ameisen ganz wesentlich zur Verbreitung des Schneeglöckchens bei.


Leberblümchen

Leberblümchen, 
Foto: A. Benedetter-Herramhof
Das Leberblümchen ist eine Charakterart der Laubwälder Mitteleuropas. Bereits im März brechen seine violetten Blüten aus der Falllaubschicht des Waldes hervor. Die Lebensdauer der einzelnen Blüten beträgt maximal acht Tage. Sie bieten Blütenbesuchern keinen Nektar an, sind aber wichtige Pollenlieferanten für Bienen und andere Insekten. Die Samen des Leberblümchens sind bei Ameisen sehr beliebt und werden auch von diesen verbreitet. Die Blätter mit der typischen, in drei Lappen geteilten Blattspreite erscheinen erst am Ende der Blühperiode und überdauern den Winter. Ihrer Form, die entfernt an die menschliche Leber erinnert, verdankt die Pflanze übrigens auch ihren Namen. Gemäß der mittelalterlichen Signaturlehre, nach der man aus dem äußeren Erscheinungsbild einer Pflanze auf deren Heilwirkung schloss, wurde das Leberblümchen in der Volksmedizin bei Leber- und Gallenbeschwerden eingesetzt. 

Leberblümchen,  Foto: A. Benedetter-Herramhof

Buschwindröschen

Buschwindröschen,
Foto: A. Benedetter-Herramhof
Das Buschwindröschen findet man außer in Laub- und Mischwäldern gelegentlich auch in lichten Nadelholzbeständen und in Hecken. In den Alpen kann es noch in einer Höhe von mehr als 2.000 Metern angetroffen werden. Oft bildet es große, sehr individuenreiche Bestände. Meist wird nur eine Blüte mit sechs weißen Blütenhüllblättern ausgebildet. Drei dreiteilige Hochblätter schützen anstelle eines Kelches die Blütenknospe. 
Die gestielten Grundblätter erscheinen erst nach der Blütezeit. Die Blüte wird von Bienen und Fliegen bestäubt, während Ameisen für die Verbreitung der Samen sorgen. Allerdings kann sich das Buschwindröschen auch mit Hilfe seines Rhizoms vegetativ vermehren. Mitunter gehören mehr als hundert Blütentriebe zu einer einzigen Pflanze! 

Genau wie bei anderen Frühblühern werden die Blüten in der Nacht und bei schlechter Witterung geschlossen. Dieses Schließen der Blüte erfolgt beim Buschwindröschen durch Wachstumsbewegungen, indem die Unterseite des Blütenblattes schneller wächst als die Oberseite.

Lerchensporn

Lerchensporn,
Foto: A. Benedetter-Herramhof
Die wohlriechenden Blüten des Hohlen Lerchensporns, die man oft bereits im März beobachten kann, trugen der Pflanze ihren ungewöhnlichen Namen ein: Ihre Form erinnerte die Menschen an die gespornten Zehen der Haubenlerche. Hohl dagegen ist die etwa walnussgroße Knolle des Hohlen Lerchensporns, die neben Speicherstoffen giftige Alkaloide enthält. Die bis zu 20 Blüten, die gemeinsam einen traubigen Blütenstand bilden, können entweder violett oder weiß gefärbt sein. Sie bilden zeitig im Frühling eine wichtige Nahrungsquelle für langrüsselige Bienen, die Nektar aus dem Sporn der Blüte saugen. Als Honigräuber dagegen betätigen sich kurzrüsselige Hummeln: Sie beißen ein Loch in die Blüte, um den Nektar zu plündern, wobei es nicht zu einer Bestäubung der Blüte kommt. Die schotenförmigen Kapselfrüchte des Hohlen Lerchensporns entlassen im Mai ihre Samen. Außerdem kann sich die Pflanze auch vegetativ durch Tochterknollen vermehren, die sich im Hohlraum der Knolle entwickeln.

 

Lungenkraut

Lungenkraut, Foto: A. Benedetter-Herramhof
Das Echte Lungenkraut verdankt seinen Namen den eiförmig-spitzen Blättern mit den charakteristischen hellen, runden Flecken. Ihre Form und Zeichnung erinnern entfernt an eine Lunge. Seit dem Mittelalter wurde das Lungenkraut daher als Heilpflanze bei Lungenerkrankungen aller Art eingesetzt. Und tatsächlich lindert das Lungenkraut Husten, Halsweh und Heiserkeit. Seine Blüten mit den röhrig verwachsenen Kelch- und Kronblättern kann man von März bis Mai beobachten. Sie sind zunächst rosa und färben sich nach der Bestäubung violett bis blau. Die Bestäuber (vor allem Wildbienen) bevorzugen die jungen, rosafarbenen Blüten, die mehr Nektar enthalten als die älteren blauen. Im Volksmund wird das Lungenkraut wegen seiner verschiedenfärbigen Blüten übrigens auch als „Hänsel und Gretel“ bezeichnet. Seine Früchte, die bei Reife in einsamige Teilfrüchte (Klausen) zerfallen, werden durch Ameisen verbreitet. Da das Lungenkraut zu den Lichtkeimern gehört, benötigen die Samen für ihre Keimung neben Wasser, Wärme und Sauerstoff auch Licht.

Schlüsselblume

Wiesenschlüsselblume,
Foto: A. Benedetter-Herramhof
Waldschlüsselblume,
Foto: A. Benedetter-Herramhof
Die Schlüsselblume erhielt ihren Namen wegen der Ähnlichkeit ihres Blütenstandes mit einem Schlüsselbund. In vielen Märchen und Sagen ist sie der Schlüssel zum Himmel. Auf Wiesen, an Waldrändern oder in lichten Wäldern gedeiht die Echte Schlüsselblume oder Wiesenschlüsselblume. Sie unterscheidet sich von der Waldschlüsselblume (auch Hohe Schlüsselblume genannt) durch die dottergelben, stark duftenden Blüten mit den fünf orangefarbenen Flecken. Diese Saftmale fehlen bei der Waldschlüsselblume, deren nur schwach duftende, hellgelbe Blüten eine goldgelbe Färbung im Schlund aufweisen. Beide Schlüsselblumenarten blühen von März bis Mai und gelegentlich findet man auch Bastarde zwischen den zwei Spezies. Interessant ist, dass bei der Schlüsselblume zwei unterschiedlich gebaute Blütentypen vorkommen, die sich durch die Länge des Griffels und die Lage der Staubblätter voneinander unterscheiden. Dadurch wird Selbstbestäubung weitgehend vermieden und Fremdbestäubung gefördert.


Huflattich

Huflattich, Foto: A. Benedetter-Herramhof
Der Huflattich ist eine genügsame Pflanze, die nicht nur in Wäldern, sondern auch auf Schuttplätzen, an Wegen,  auf Bahndämmen und Böschungen gedeiht. Bereits im März erscheinen die leuchtend gelben Blüten dieses Korbblütlers, die aus bis zu 300 weiblichen Zungenblüten und 30-40 männlichen Röhrenblüten bestehen. Sie stehen einzeln am Ende des weißfilzig behaarten Stängels, der mit zahlreichen kleinen, schuppenförmigen Blättern besetzt ist. Die grundständigen, etwa handtellergroßen Blätter erscheinen erst nach der Blüte. Sie sind oben hellgrün und auf der Unterseite weißlich und filzig behaart. Ihre Form erinnert ein wenig an einen Pferdehuf, was der Pflanze auch ihren Namen verlieh. Die Samen des Huflattichs sind Schirmflieger und ähneln den Samen des Löwenzahns. Der Huflattich ist eine bedeutende Heilpflanze. Er wird vor allem als Hustenmittel eingesetzt, wobei sowohl die Blätter als auch die Blüten verwendet werden. Er wirkt zudem antibakteriell, entzündungshemmend und blutstillend.

Veilchen

Das Duftveilchen blüht meist schon im März, weshalb es auch als Märzveilchen bezeichnet wird. Es stammt ursprünglich aus dem Mittelmeerraum, wurde aber in großen Teilen Europas eingebürgert. Seine wohlriechenden Blüten sitzen einzeln auf dünnen Stielen.

Veilchen, Foto: B. Seiberl-Stark
Die herzförmigen Blätter bilden eine bodenständige Rosette. Ungewöhnlich ist, dass die Blüten des Veilchens nicht bestäubt werden müssen, um Samen zu bilden. Neben den auffälligen, violetten Blüten bildet die Pflanze nämlich kleine, unscheinbare Blüten aus, die sich nicht öffnen. In diesen kommt es zur Selbstbestäubung und -befruchtung. Außerdem vermehren sich Veilchen durch Ausläufer. Das Duftveilchen wurde bereits im Mittelalter als Zierpflanze und Heilpflanze angebaut. Man setzte es bei verschiedensten Krankheiten ein – so zum Beispiel bei Husten, bei Kopfschmerzen, nervöser Überreizung und bei Schlafstörungen. Die Pflanze findet Erwähnung in zahllosen Märchen, Sagen, Liedern und Gedichten. Auch im Brauchtum spielte es eine besondere Rolle. Am Wiener Hof zum Beispiel feierte man das erste Veilchen des Jahres mit einem eigenen Fest.

Scharbockskraut

Scharbockskraut,
Foto: A. Benedetter-Herramhof
Anders als bei vielen anderen Frühblühern erscheinen beim Scharbockskraut zuerst die herzförmigen Blätter, die bisweilen dichte Teppiche am Waldboden bilden. Erst später – von März bis Mai – treten die leuchtend gelben Blüten mit den acht bis elf Kronblättern auf, die durch ihre auffällige Färbung zahlreichen Insekten anlocken. Die Pflanze vermehrt sich fast ausschließlich ungeschlechtlich über sogenannte Brutknospen. Diese sind in etwa so groß wie ein Getreidekorn und werden wegen ihres Aussehens auch als Himmelsgerste oder Himmelsbrot bezeichnet. In Notzeiten wurden diese Brutknospen zusammen mit den Wurzelknollen getrocknet, gemahlen und als Mehlersatz verwendet. Essbar sind auch die Blätter des Scharbockskrautes, die in kleinen Mengen (zum Beispiel im Wildpflanzensalat) genossen werden können. Dazu sollten sie jedoch unbedingt noch vor der Blüte gesammelt werden, denn danach sind sie schwach giftig! Dem Umstand, dass sie viel Vitamin C enthalten, verdankt das Scharbockskraut auch seinen Namen: Man verwendete es nämlich früher, um Skorbut zu heilen – eine durch Vitamin C Mangel hervorgerufene Krankheit, die auch als „Scharbock“ bezeichnet wurde. 


Text: Dr. Andrea Benedetter-Herramhof

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