Der Siebenschläfer

Probier's mal mit Gemütlichkeit

Das vom Naturschutzbund Österreichs gewählte Tier des Jahres 2021 könnte passender nicht sein! Pandemien, Lockdowns und Quarantäne beeindrucken den Siebenschläfer (Glis glis, Linnaeus 1766) gar nicht. Ging es nach ihm, könnte er mehrere Monate ohne Probleme unter Quarantäne verbringen. Die Hauptsache ist, es ist genug zum Essen da. Doch ist er so verschlafen, wie er gesehen wird oder schlummert im Siebenschläfer sogar ein Springinkerl?
Zur Familie der Myoxidae, Schläfer oder Bilche gehörend, leitet sich der Name des Siebenschläfers nicht vom Ruheverhalten, sondern vom oberdeutschen Wort schliefen ab. Schliefen bedeutet so viel wie schlüpfen oder anschleichen. Allerdings passt der Name zum Verhalten des Siebenschläfers, der durch seinen ausgedehnten Winterschlaf beeindruckt.

Klein, scheu, aber flink!

Wenn es dunkel wird, und sommerlich warm ist, sind Siebenschläfer in ihrem Element. Mit ihrem grauen Fell, das bräunlich oder gelblich eingefärbt sein kann und für den gewissen Glanz sorgt, werden sie oft nicht gleich erkannt. Nur Füße, Unterlippen und Wangen sind weiß. Zur Spitze des Schwanzes wird die Färbung dunkler, die Längslinien in der Mitte der Schwanzunterseite ist auch heller. Ein dunkelgrauer Ring im Gesichtsfeld betont die großen Augen zusätzlich. Die Tasthaare am Maul sind schwarz. Gerade für nachaktive Tiere ist der Tastsinn wichtig. Auch bei den Siebenschläfern gibt es dafür die Tastborsten im Gesicht, an der Unterseite der Vorderbeine und am Kinn. Zusätzlich helfen die Ohrmuscheln, um kleinste Geräusche zu hören. Mit 20 Zähnen aber ohne Eckzähne ausgestattet, fressen sie Blätter, Knospen, Triebe, Keimlinge, Rinde, Nadeln sowie Samen, Nüsse, fleischige Früchte und deren Kerne. Im Herbst brauchen sie Energie, daher werden Bucheckern gesucht. Weitere Nahrungspflanzen sind im Jahresverlauf Hasel, Walnuss, Hartriegel, Weißdorn, Ahorn, Kiefer, Fichte, Lärche, Apfel, Birne, Kirsche, Pflaume, Erd-, Heidel-, Him- und Brombeere. Pilze und Tiere essen sie nicht so häufig, aber wenn dann am liebsten Nachtschmetterlinge, gelegentlich Schnecken und Eier von Nestvögeln, wenn der Winter naht. Für das Futter orientieren sie sich mit ihrem Geruchssinn. Haben sie eine schmackhafte Mahlzeit entdeckt, halten sie ihre Beute mit den Vorderpfoten fest, nagen Samen und Nussschalen auf und brechen den Inhalt heraus. Der Rumpf bis zum Schwanzansatz erreicht maximal 19 cm. Strecken sie ihren buschigen Schwanz dann aus, kommen sie auf bis zu 30 cm Körperlänge. Nur 70 bis 180 g Gewicht wiegen die Siebenschläfer in ihrem Leben. In ausgedehnten und weiten Habitaten werden Siebenschläfer kleiner und leichter als in kleinflächigen Wäldern. Im Spätsommer steigt ihr Gewicht aufgrund der Wintervorbereitung an und erreicht teilweise 200 bis 400 g. Hier zeigt sich auch ihre beeindruckende Physiologie: Nicht nur durch Nahrungszufuhr, sondern durch die Einlagerung in der Leber wird das Fett im Körper gespeichert. Während des Winters wird dieser Fetttropfen verwendet. Siebenschläfer sind talentierte Kletterer. Mit ihren Krallen halten sie sich fest und klettern über Äste und dünne Zweige weiter. An den Sohlen erzeugen sie über Drüsen eine klebrige Substanz, die austritt, wenn sie ihre Füße an etwas andrücken. Zum Balancieren oder als Stütze hilft der Schwanz. Sie können bis zu einem Meter weit springen. Ihre Ausflüge sind in einem Gebiet von 200 m eingegrenzt. Manche Individuen bleiben ihr ganzes Leben am selben Platz. Andere entdecken die Welt und wandern bis zu 1,5 km zu fremden Orten. Dabei steigt ihre Körpertemperatur auf 40°C an. Körpertemperatur und Stoffwechseltätigkeit sind im Sommer hoch, kurz vor dem Winterschlaf ist es aber genau umgekehrt. Im Herbst wird es früher dunkler, die Siebenschläfer starten aber deshalb nicht früher, sondern später und kehren immer früher zum Nest zurück. Ende September und Oktober beginnen sie meist schon mit dem Winterschlaf. Dabei spielt das Nahrungsangebot eine Rolle: Ist genügend vorhanden, bleiben sie länger draußen, ist wenig ist zu holen, gehen sie früher in den Winterschlaf, um nicht zu viel Energie zu verschwenden.

Verschmust oder alleinlebend? Das Liebesleben der Siebenschläfer

Zugegeben, die Siebenschläfer sehen weich und anschmiegsam aus. Doch sind sie es auch? Über 13 Jahre beobachteten Forscher*innen der Veterinärmedizinischen Universität Wien die Siebenschläfer (ca. 4.000 Individuen) im Wienerwald und stellten sich die Frage, wann kuscheln Siebenschläfer miteinander? Die Ergebnisse waren ernüchternd: Notgedrungen finden sich Siebenschläfer zusammen. Haben sie die Wahl bleiben sie lieber allein. Jeder Siebenschläfer hat meist ein eigenes Nest und ein eigenes Revier. Das heißt nicht, dass sie ständig allein leben. Mit Duftstoffen ziehen sie ihre Grenzen. Reviere können sich aber überschneiden. Es können sich mehrere Nester in einem Revier zusammenfinden. Verstehen sie sich nicht, jagen sie sich erbarmungslos. Sie können sich aber auch gegenseitig pflegen, dann reiben sie Nasen und Wangen aneinander, können aber auch im nächsten Moment einander angreifen und mit Bissen und Kämpfen gegenseitig verletzen. Dabei stoßen sie Warntöne aus und rattern mit den Zähnen. Ein kurze Klangprobe ist von den Österreichischen Bundesforsten zur Verfügung gestellt worden (https://www.bundesforste.at/natur-erleben/naturklaenge/ringtones/show/siebenschlaefer.html ).

Siebenschläfer © shutterstock, Coulanges

 

Nachwuchs erst nach reiflicher Überlegung

Nicht jedes Jahr entscheiden sich Siebenschläfer für Nachwuchs. So spielen Siedlungsdichte, Nahrungsangebot, Witterung und Alter entscheidende Faktoren. Nach ihrem ersten Winterschlaf gelten Siebenschläfer als geschlechtsreif. In den Wochen vor der Paarung rücken weibliche und männliche Tiere zumindest etwas näher aneinander. Oft überlappen sich die Ruhenester. Meistens teilen sich zwei bis drei Männchen ein Weibchen. Mit hochziependen Tönen lassen sie gegenseitige Bereitschaft erkennen. Danach zieht sich das Weibchen zurück und bereitet ein frisches Nest aus Laub vor. Manchmal ziehen sogar Schwestern und Mütter zusammen. Nach 30 bis 32 Tagen bringen sie ab August oder Anfang September vier bis sechs Junge zu Welt. Bis zu elf Jungtiere sind möglich. Die Kleinen sind gerade einmal 4 cm lang, mit Schwanz 6 cm, und haben noch ein farbloses Fell. Sie werden von der Mutter gesäugt. In den ersten Wochen wachsen sie langsam auf 5 cm heran und verdoppeln ihr Gewicht. Nach zwei Wochen öffnen sie die Augen. Sobald sie riechen und die Tastborsten funktionieren, lässt die Mutter sie aus dem Nest. Ab September ist meist das Wachstum abgeschlossen. Dennoch erhalten die Jungtiere ihr adultes Fell erst nach dem ersten Winterschlaf. Bis dahin bleiben sie meist mit ihren Geschwistern zusammen.

Suche Wohnung im Grünen

Die beliebtesten Immobilien der Siebenschläfer sind Baumhöhlen und Nistkästen an Astansätzen, aber auch in Fels- und Mauerspalten, in verlassenen oder zumindest ruhigen Scheunen oder anderen Gebäuden und Hochständen. In Bäumen, meist vom Specht vorbereitet, bevorzugen sie die mittlere und niederere Stammhöhe (etwa 6 m). Dort erhalten sie den Schutz durch das Blatt- und Astwerk. Vom Boden aus ist der Schlafplatz auch nicht so leicht zu erreichen. Blätter, Gras, Moos und kurze Nadelholzzweige zählen zu ihren Einrichtungsgegenständen. Fehlen Höhlen, bauen sie sich rundliche, halbwegs geschlossene freie Nester, welche eine feste Wand aus Halmen, Moosen und Zweigen bekommen. Wenn künstliche Nistkästen beispielsweise an Eichen eine Öffnung von mindestens 3,5 cm haben, nehmen Siebenschläfer diese gerne an. So bevorzugen Siebenschläfer im Wienerwald sogar die künstlichen Nistplätze gegenüber der natürlichen Variante. Außerdem ist es ihnen wichtig, dass ihre Nahrungsquelle in der Nähe liegt, das Kronendach des Baumes geschlossen und die Rinde nicht zu glatt ist. Wenn dann in einem Mischwald am Waldrand oder in einem Park mit Weiden, Birken, Holunder, Waldrebe, Weißdorn, Rosen und Brombeersträucher „Wohnungen“ frei werden, freuen sie sich besonders. Über den Winter bleiben sie nicht in ihrem Nistkasten, sondern suchen sich eine wärmere Bleibe. Es kann auch vorkommen, dass sie sich in Dachböden, Bienenstöcken oder einen Schiebeschachts eines Klärteiches einnisten. Das Winterquartier darf nicht zu groß sein, damit es nicht auskühlt. Allein oder auch mehrere liegen dann auf dem Rücken, den Schwanz über den Bauch geklappt und erstarren. Dazwischen wachen sie immer wieder auf, die Körpertemperatur ändert sich dann ebenso und erreicht nur 1°C in der Tiefschlafphase. Im Sommer schlägt das Herz 450-mal in der Minute, im Winterschlaf sind es meist nur 35 Schläge pro Minute. Bis April oder Mai ruhen sie, dann beginnt ihre Saison von vorne. Beim Aufwachen haben sie meist ein Drittel bis die Hälfte ihres Gewichtes eingebüßt. Wird es im Sommer kalt, schlafen Siebenschläfer auch für 21 Stunden durch. Fehlen Nahrungsquellen treten sie sogar früher als hier angegeben den Winterschlaf an. Sie werden bis zu neun Jahre alt.

Siebenschläfer haben es gerne warm. Daher finden wir sie zwischen Nordspanien und Zentralasien bis Westasien. Auch auf vielen Mittelmeerinseln, außer den Balearen, von der Loiremündung zur deutschen Ostseeküste sind sie zuhause. Die Ostgrenze in Europa bildet ungefähr die Wolga (Shiguli-Berge) bzw. das Schwarze Meer. Sie fehlen in Nordwestdeutschland, den Niederlanden, Belgien, der Bretagne, Großbritannien (mit Ausnahme eines Parks in Hertfordshire), Irland und im gesamten skandinavischen Raum sowie im Baltikum.

Gefahren und was wir dagegen tun können

Der lange Winterschlaf aber auch die Sommer-Torpor (das sind Ruhephasen wie im Sommer ähnlich wie die im Winter, wenn die Temperatur unter 18°C fällt) sind nicht nur eine Energieersparnis. Sie sind auch eine Überlebensstrategie, um sich gegen Feinde wie Baummarder, Eulen und Luchse zu behaupten. Auf der Flucht geben Siebenschläfer mehrere Stimm- und Atemlaute ab und flüchten entweder in die schwer erreichbaren Baumwipfel oder in ihre Nesthöhlen. Siebenschläfer sind sehr geschickt darin, Eulen und Mardern zu entkommen. Sehr selten werden sie gefressen. Die gefährlichsten Feinde bleiben immer noch die Menschen. In der Römerzeit wurden Siebenschläfer als Delikatesse wegen des zarten Fleisches geschätzt. Das eingelagerte Fett verwendeten Köche zum Anbraten. In Weinbergen und Haselnusspflanzungen wurden sie als Schädlinge bekämpft, da sie die feine Rinde von Bäumen ringsum abfressen. Das beeinträchtigt die Versorgung der Bäume. Dieses Verhalten wird dann beobachtet, wenn strukturreiche Laubwälder fehlen. Auch der dichte Straßenbau und die fortschreitende Versiegelung der Böden zerstört ihren Lebensraum. Rechtlich wird der Siebenschläfer nach internationalem Recht im Sinne der Berner Konvention in Anhang III geschützt. Wer neben naturschutzfachlichen Maßnahmen auch zu Hause etwas Gutes für die Siebenschläfer leisten und einen Nistplatz im Garten bauen möchte, sei folgender Link empfohlen: https://www.eulen-greifvogelstation.at/wissen/hilfe-und-unterstuetzung-fuer-wildtiere/nistkaesten-bauen/nistkaesten-fuer-saeugetiere/ .
Autor: Mag. Josef Keler

Quellen und Links:
Grimmberger, E., 2017. Die Säugetiere Europas. Beobachten und Bestimmen. Quelle&Meyer Verlag GmbH & Co Wiebelsheim. 313-316.
Grün, G., 2020. Siebenschläfer Glis glis. Grünverlag Bochum. Online unter: http://mammalia.gruenverlag.de/Siebenschl%C3%A4fer.pdf
Ruf, T., Bieber, C., 2020. Use of social thermoregulation fluctuates with mast seeding and reproduction in a pulsed resource consumer. Oecologia 192, 919–928. https://doi.org/10.1007/s00442-020-04627-7
Sieber, J., Uibel, G.,1998. Die geschützten Säugetiere Wiens (ausgenommen Fledermäuse)-Artenportraits. MA22 Wien.
https://naturschutzbund.at/tier-leser/items/id-2021-siebenschlaefer.html https://kleinsaeuger.at/glis-glis.html https://www.vetmeduni.ac.at/de/infoservice/presseinformationen/presseinformationen-2020/einsame-einzelgaenger-warum-siebenschlaefer-nicht-so-kuschelig-sind-wie-sie-aussehen/
https://www.wien.gv.at/kontakte/ma22/studien/pdf/saeugetier.pdf https://www.nationalparksaustria.at/de/news-detail-aktuelles/bilche-verstecktes-leben-im-nationalpark.html
https://www.eulen-greifvogelstation.at/wissen/hilfe-und-unterstuetzung-fuer-wildtiere/nistkaesten-bauen/nistkaesten-fuer-saeugetiere/

Blog-Nachlese „Tier des Jahres“:

Mein Besuch

0 Einträge Eintrag

Voraussichtliche Besuchszeit

Liste senden