Das Museumsgebäude, in dem sich 1809 das Hauptquartier Erzherzog Carls befand (© Elisabeth Vavra)

Museum zu Gast: Napoleon- und Heimatmuseum Deutsch-Wagram

Am 18. September 1958 beschloss der Gemeinderat von Deutsch-Wagram einstimmig die Gründung eines Heimatmuseums. Zuvor hatte man die vorhandenen Bestände in den Räumlichkeiten der Rettungsstation aufbewahrt. Bereits ein Jahr später fand die Eröffnung des neuen Museums statt. Seine Heimat hatte es in geschichtsträchtigen Räumen gefunden: Hier in dem um 1740 erbauten Haus Nr. 2 des Angerdorfes – heute Erzherzog Carl-Straße 1 – hatte Erzherzog Carl vor und während der Schlacht bei Wagram am 5. und 6. Juli 1809 sein Hauptquartier eingerichtet. Das Museum besteht heute aus drei Abteilungen: dem Heimatmuseum, dem Napoleonmuseum und einem Gedenkraum für das Infanterie-Regiment Nr. 42, das sich in den Marchfeldschlachten besonders ausgezeichnet hatte.

Das Museum der Schlacht bei Wagram

Napoleonmuseum
Blick in den ersten Raum des Napoleonmuseums (© Elisabeth Vavra)
Nach dem Sieg Erzherzog Carls in der Schlacht bei Aspern im Mai 1809 wurde das Marchfeld zwischen Lobau und dem heutigen Deutsch-Wagram am 5. und 6. Juli zum neuerlichen Schauplatz einer kriegsentscheidenden Schlacht. 180.000 Soldaten unter der Führung Napoleons standen 120.000 auf österreichischer Seite gegenüber. Der Kernbereich der Schlacht reichte von Glinzendorf, Markgrafneusiedl, Parbasdorf, Deutsch-Wagram, Raasdorf bis Aderklaa und umfasste die Orte Gerasdorf, Süssenbrunn und Strebersdorf als Ausgangspunkte der Offensive am Morgen des 6. Juli. Die Schlacht bei Wagram wurde zu einer der Entscheidungsschlachten des 5. Koalitionskrieges. Dabei erlitten die österreichischen Truppen und ihre Verbündeten eine vernichtende Niederlage. Auf beiden Seiten waren mehr als 12.000 Tote zu beklagen, rund 42.000 Verwundete waren zu versorgen. Die Leichen – egal ob Freund oder Feind – wurden auf Befehl Napoleons noch auf dem Schlachtfeld verbrannt. Bis heute finden sich auf den Äckern und bei Erdarbeiten Überreste von Waffen, Geschützen und Uniformen.

Das Museum stellt mit Übersichts- und Detailkarten sowie mit Schlachtenbildern den Ablauf der Geschehnisse vom 5. und 6. Juli 1809 dar. Die Protagonisten der Gefechte – die beiden Heerführer Kaiser Napoleon und Erzherzog Carl von Österreich sowie die wichtigsten Generäle der im Marchfeld versammelten Heere – werden in Porträts gezeigt. Vitrinen mit Hieb-, Stich- und Schusswaffen, Patronentaschen, Uniformen und deren Überreste sowie Fundstücke vom Schlachtfeld ergänzen das Bild.

Napoleon-Ecke
„Napoleon-Ecke“ – Der Tisch stammt aus dem Quartier Napoleons in Deutsch-Wagram (© Elisabeth Vavra)

Einige der gezeigten Objekte lassen sich prominenten Kriegsteilnehmern zuordnen: Aus dem Besitz des Generaladjutanten Maximilian Alexander Freiherr von Wimpffen (1770–1854) stammen etwa ein Degen und Miniaturschlachtenbilder. Der gezeigte Maria Theresien-Orden erinnert an die Tatsache, dass dieser Orden in den Marchfeldschlachten 50mal verliehen wurde. Der von Maria Theresia am 18. Juni 1757 gestiftete Orden wurde für aus eigener Initiative unternommene, erfolgreiche und einen Feldzug wesentlich beeinflussende Waffentaten, die ein Offizier von Ehre hätte ohne Tadel auch unterlassen können ohne Ansehen von Stand und Religion verliehen. Mit dem Orden waren der erbliche Freiherrenstand und eine Pension verbunden. Auch Maximilian Freiherr von Wimpffen war Träger des Ordens, der ihm aufgrund seiner Taten in der Schlacht von Austerlitz verliehen worden war.

An Graf Philipp Ferdinand von Grünne (1762–1854) erinnern dessen Säbelscheide und ein eigenhändiges Schreiben vom 24. März 1809. Grünne war ab 1794 Flügeladjutant Kaiser Franz II. Im Feldzug von 1797 wurde er zum Obersten und Generaladjutanten von Erzherzog Carl ernannt. Seit 1806 war er Inhaber des 3. Ulanenregiments. 1808 erfolgte seine Ernennung zum Feldmarschallleutnant, 1809 zum Chef der Kanzlei des Generalissimus. Nach der Schlacht bei Wagram schied er aus dem aktiven Dienst aus und wurde Obersthofmeister bei Erzherzog Carl. Schon 1802 hatte der in Dresden geborene Grünne die Güter Dobersberg und Illmau bei Waidhofen an der Thaya gekauft. Der von ihm in Dobersberg angelegte Park zählte laut zeitgenössischen Berichten zu den schönsten des Waldviertels.

Zinnfiguren_Napoleonmuseum
Auch liebevoll gestaltete Zinnfiguren-Panoramen gehören zu den im Museum gezeigten Objekten (© Elisabeth Vavra)

Die einen bewunderten Napoleon als Feldherrn und genialen Staatsmann, so Johann Wolfgang von Goethe, der in Rückschau auf seine Begegnung mit Napoleon in Erfurt am 2. Oktober 1808 erklärte: Ich will gerne gestehen, daß mir in meinem Leben nicht Höheres und Erfreulicheres begegnen konnte, als vor dem französischen Kaiser zu stehen. Die anderen sahen in ihm einen Despoten und Kriegsverbrecher, der Europa in ein Schlachtfeld verwandelt hatte und dessen Eroberungszüge bis zu 2 Millionen Menschen zum Opfer fielen. Bereits zu Lebzeiten war um seine Person ein Kult entstanden, der 1840 durch die Überführung seiner sterblichen Überreste von St. Helena nach Paris weiter befeuert wurde. Bis ins 20. Jahrhundert hinein entstanden in Frankreich, aber auch in anderen Ländern Europas Memorabilien und Souvenirs, die Napoleon zum großen Heros stilisierten: Gemälde, Statuetten, Medaillons, Schmuckteller und Gegenstände des täglichen Gebrauchs, verziert mit Darstellungen des französischen Kaisers, die sich meist an bekannten Kunstwerken orientierten. Das Museum zeigt zahlreiche Objekte, die im Andenken an den französischen Kaiser entstanden sind.

Napoleonbild
Napoleon mit seinem Sohn Prinz Napoleon Franz, den späteren Herzog von Reichstadt (© Elisabeth Vavra)

Das Heimatmuseum Deutsch-Wagram

Heimatmuseum
Blick in das Heimatmuseum (© Elisabeth Vavra)
Das Museum führt die Besucher*innen mit den gezeigten Objekten durch die Geschichte der zunächst bäuerlichen Siedlung Wagram, von der ersten Namensnennung als Wagrain 1258 bis zur Stadterhebung am 29. März 1985. Seine zahlreichen Exponate vermitteln Einblicke in den Alltag der Vergangenheit. So begegnet man einer Rauchküche ebenso wie einer reich ausgestatteten Schusterwerkstatt. Historische Fahrräder erinnern an den Beginn der Mobilität. Das rege Vereinsleben dokumentieren Fahnenbänder und Erinnerungsstücke. Eine Vitrine erinnert mit ihren Objekten an die alte Pfarrkirche, die ab Mai 1956 teilweise abgebrochen und durch den heutigen Neubau ersetzt wurde.

Schuhmacherwerkstatt
Die Schuhmacherwerkstatt (© Elisabeth Vavra)

Einige Vitrinen widmen sich berühmten Persönlichkeiten aus Deutsch-Wagram. So wurde der spätere Landeshauptmann von Niederösterreich Johann Mayer 1858 hier geboren. Als Sohn eines Wirtschaftsbesitzers erlernte er zunächst das Müllergewerbe. Ab 1886 war er in verschiedenen politischen Ämtern tätig. 1897 wurde er in den Reichsrat gewählt, dem er bis zum Zusammenbruch der Monarchie angehörte. Er war Landtagsabgeordneter (1890–1908), Landeshauptmann-Stellvertreter (1918–1920) und von 1921 bis 1922 der erste Landeshauptmann des nunmehr von Wien getrennten Niederösterreich. Er war maßgeblich an den Verhandlungen über die Trennung von Wien und Niederösterreich beteiligt.

In Deutsch-Wagram stand auch die Wiege eines bedeutenden Technikers: Am 25. Dezember 1857 kam hier Johann Sahulka als Sohn eines Bahnwärters zur Welt. Er studierte an der Universität Wien Physik und Mathematik. Nach Jahren im Schuldienst habilitierte er sich 1892 an der Technischen Hochschule Wien und wurde dort ab 1903 Professor für Elektrotechnik.

Vitrine-Fußwaschungskrug
Fußwaschungskrug, Becher und Handtuch aus dem Besitz von Franz Christen (© Elisabeth Vavra)
Zu den Beständen des Museums gehören auch Objekte, die an Franz Christen erinnern, der 1912 einer der alten Männer bei der Fußwaschungszeremonie im Dom zu St. Stephan sein durfte. Während der Liturgie am Gründonnerstag wusch Kaiser Franz Joseph in der Nachfolge Christi jeweils zwölf alten Männern, die über 90 Jahre alt sein mussten, die Füße. Vorher lud man sie zu Speis und Trank ein. Zur Erinnerung durften sie den Fußwaschungskrug, den Silberbecher, aus dem sie getrunken hatten, und das Handtuch behalten. Überdies erhielten sie einen mit 30 Silberkronen gefüllten Beutel, den der Kaiser ihnen während der Zeremonie um den Hals hängte.

Die Deutsch-Wagramer Kunstkeramik

Hittinger-Keramik
Keramik aus der Werkstatt Johann Hittinger (© Elisabeth Vavra)
Wachauer und Scheibbser Keramik zählen zu den bekannten niederösterreichischen Keramik-Marken. Weniger bekannt ist die Deutsch-Wagramer Keramik, deren Geschichte im Heimatmuseum dokumentiert wird. Grund für den geringen Bekanntheitsgrad ist vermutlich der Umstand, dass die Produktion nur acht Jahre lang dauerte. Von 1932 bis 1940 produzierte Johann Hittinger in Deutsch-Wagram Kunstkeramik. 1906 war er in Deutsch-Wagram zur Welt gekommen. Seine Eltern besaßen ein großes Kaufhaus in der Erzherzog Carl-Straße. Nach dem Besuch der Volksschule in Deutsch-Wagram kam er nach Stockerau ins Internat. Die höhere Schule schloss er mit dem Reifezeugnis ab.

Schon früh hatte sich sein künstlerisches Talent gezeigt. Um dieses zu nutzen begann er daher 1925 ein Studium an der 3-jährigen Wienerberger-Werkstättenschule für Keramik und erwarb das Meisterrecht für Hafner- und Töpfergewerbe. In der Folge arbeitete er zunächst in der Kunstabteilung der Wienerberger. 1932 wagte er den Schritt in die Selbstständigkeit. In einer Waschküche richtete er seine erste Werkstatt ein. Finanziert wurde die Firmengründung durch den Fleischhauer Johann Dirnweber und den Bäckermeister Anton Prohaska. Mit einfachsten Mitteln begann er mit der Produktion. Bereits ein Jahr später konnte er seine Erzeugnisse auf der Wiener Frühjahrsmesse präsentieren, 1934 dann bei der Ausstellung „Austria in London“. Im selben Jahr begann er auch mit der Fabrikation von Gebrauchskeramik. In den folgenden Jahren florierte der Betrieb. Im Sommer 1938 ließ er in der Werkstatt einen elektrisch beheizten Brennofen aufstellen, wodurch die Produktion verdreifacht wurde. Der im April 1940 zugestellte Einrückungsbefehl bedeutete das Ende des Betriebs: Hittinger fiel auf den Schlachtfeldern der Normandie.

Gedenkraum für das Infanterie-Regiment Nr. 42

Kriegerdenkmal
Das 1909 errichtete Kriegerdenkmal in der sog. Sachsenklemme, das an die Opfer der Schlacht von Wagram erinnert. (© Elisabeth Vavra)
Ein Ausstellungsraum ist dem 42. Böhmischen Infanterie-Regiment gewidmet, das sich in der Schlacht von Deutsch-Wagram besonders auszeichnete. Der Hauptwerbebezirk des 1685 erstmals aufgestellten Regiments war zur Zeit der Napoleonischen Kriege Litoměřice/Leitmeritz, die Stabsstation Terezin/Theresienstadt. Seit 1879 war der in Gmunden im Exil lebende Ernst August Herzog von Cumberland, Herzog zu Braunschweig und Lüneburg (zuvor Georg V. König v. Hannover) Regimentsinhaber. Aufgrund der Leistungen während der Schlacht bei Wagram hatte Erzherzog Carl dem Regiment die Genehmigung erteilt allzeit den Grenadier-Marsch zu schlagen. Der österreichische Militärkapellmeister und Komponist Josef Wiedemann, der von 1854 bis zu seiner Pensionierung als Kapellmeister beim Infanterie-Regiment Nr. 42 tätig war, komponierte 1885 für das Regiment den Wagram-Marsch, auch unter dem Titel 42er-Regimentsmarsch oder Wagramer Grenadiermarsch bekannt. Seit 1960 dient die Komposition als Traditionsmarsch der Theresianischen Militärakademie und des Gardebataillons des Österreichischen Bundesheeres; hier zu hören. Falls der Link nicht funktionieren sollte, einfach in den Browser Wagramer Grenadiermarsch eingeben – schon sind einige Videos verfügbar. Das 1983 gegründete Blasorchester der Musikschule Deutsch-Wagram trägt seit 2003 die historischen Uniformen des 42. Infanterie-Regiments. Der Wagramer Grenadiermarsch ist der „Hausmarsch“ des Blasorchesters.

Im Gedenkraum des Museums werden u. a. Erinnerungsstücke an den letzten Regimentsinhaber, eine Regimentstrommel und Pläne bzw. Bilder von Terezin/Theresienstadt gezeigt. Macht man im Anschluss an den Museumsbesuch einen Spaziergang durch Deutsch-Wagram, sollte man auch dem Krieger-Denkmal in der Nähe der Pfarrkirche einen Besuch abstatten. Das Denkmal wurde auf Initiative des Postmeisters Anton Pfalz geplant und am 4. Juli 1809 enthüllt. Sein Schöpfer war der Bildhauer Franz Seifert (1866–1951), der im nahen Schönkirchen das Licht der Welt erblickte. Das Denkmal stellt einen Grenadier des 42. Infanterie-Regiments dar.

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Autorin: Prof.in Dr.in Elisabeth Vavra

Literatur zum Thema:
René Edenhofer, Deutsch-Wagramer Kunst-Keramik. Die Kunst- und Gebrauchs-Keramik des Johannes Hittinger, 2001. http://www.deutschwagramerkeramik.at/
Peter Kolecko – Peter Dachgruber, 200 Jahre Marchfeldschlachten. Aspern und Wagram 1809–2009, Gnas 2009.
Manfried Rauchensteiner, Die Schlacht von Aspern am 21. Und 22. Mai 1809 (Militärhistorische Schriftenreihe 11), Wien 1969.
Ders., Die Schlacht bei Deutsch-Wagram am 5. Und 6. Juli 1809 (Militärhistorische Schriftenreihe 36), Wien 1977.

Napoleon- und Heimatmuseum
Erzherzog Carl-Straße 1
2232 Deutsch Wagram
https://www.deutsch-wagram.gv.at/Heimat-_und_Napoleonmuseum
http://www.wagram1809.at/

Öffnungszeiten:
Mitte März – Ende November: Sonn- und Feiertag 10:00 – 16:00Uhr;
Gruppen nach telefonischer Voranmeldung:
0664 4364745 (Hr. Derbic)
0660 8850366 (Hr. Ertl)

 

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