Nistkästen – Eine künstliche Kinderstube für Vögel

Blaumeise im Nistkasten (© Maria Vetter)

Der Nistkastenweg in St. Pölten

Kürzlich wurde im Stadtgebiet von St. Pölten eine Idee verwirklicht, die Natur- und Artenschutz mit dem sehr aktuellen ökologischen Thema „Wildtiere in der Stadt“ verbindet. Auf dem Weg vom Hauptbahnhof zum Museum Niederösterreich im Kulturbezirk wurden – entlang des Mühlbaches – 15 Nistkästen für kleine Singvögel angebracht. Diese Kooperation des Magistrats St. Pölten mit dem Haus für Natur im Museum Niederösterreich soll zwei Ziele erreichen: Erstens eine Unterstützung des praxisorientierten Vogelschutzes in der Stadt zu bieten und zweitens einen Beitrag zur Umweltbildung zu leisten. Letzteres wird mittels Informationstafeln zu einzelnen Vogelarten bei den Standorten der Nisthilfen umgesetzt. Auch Allgemeines über Bau, Anbringung und Reinigung von Nistkästen ist zu erfahren, und über QR-Codes kann man sogar die Stimmen der heimischen Vögel am eigenen Smartphone hören.

Nistkästenlehrpfad
Nistkastenlehrpfad in St. Pölten (©Lisa Kolb)

Wozu Nisthilfen?

Nistkasten
Nistkasten (©Florian Müller)
Neben dem Klimawandel ist der globale Verlust der Artenvielfalt – Stichwort „Biodiversitätskrise“ das drängendste ökologische Problem der Gegenwart. In Österreich gelten zwischen 50 und 60 Prozent der Wirbeltiere als gefährdet, was auch auf die Vogelwelt zutrifft. Besonders dramatisch – wenn auch für manche vielleicht weniger auffällig – ist der Verlust der Insektenvielfalt sowohl die Anzahl der Arten als auch die der Individuen betreffend. Dieses Fehlen von Insekten und anderer Kleintiere wirkt sich wiederum direkt auf die Populationen der Vögel aus, die auf Wirbellose als Nahrung angewiesen sind.

Die Gründe für diesen Verlust der Biodiversität sind vielfältig, aber allesamt menschengemacht. Im ländlichen Bereich wirkt sich vor allem die intensive Landwirtschaft negativ auf die Fauna aus. Ausgeräumte Kulturlandschaften, chemische Dünger, Pestizide und das Fehlen von Brachen, Hecken und strukturreichen Biotopen führen zu immer schlechteren Lebensbedingungen. Zusätzlich, vor allem auch in Städten, nimmt die unaufhörliche Bodenversiegelung vielen Tieren und Pflanzen den Lebensraum.

Heute weiß man, dass gerade Städte und Siedlungen zu wichtigen Refugien für viele Wildtiere werden können. Eine umweltbewusste Stadtplanung kann dafür sorgen, dass auch in großen Städten Grünflächen, Parks, Fassadenbegrünungen und dergleichen gefördert werden und damit auch die Fauna und Flora. Privatpersonen und Familien wiederum können einen großen Beitrag leisten, indem sie Naturgärten pflegen, heimische Pflanzen wachsen und blühen lassen oder auch Balkone und Terrassen begrünen und naturnah gestalten.

Und hier kommen auch unsere Nisthilfen ins Spiel.

Mit dem entsprechenden Know-how können sowohl Gemeinden als auch Privatpersonen gezielt verschiedene Vogelarten unterstützen, indem diesen geeignete Ersatzhöhlen angeboten werden.

Nistkasten
Sumpfmeise im Nistkasten (©Wiltrut Koppensteiner)
Vor allem dort, wo es an Baumhöhlen oder anderen natürlichen Nischen und Hohlräumen mangelt, bieten Nistkästen aus Holz Brutmöglichkeiten und reduzieren die Konkurrenz um solche Strukturen, wodurch wiederum die Fortpflanzungsrate der Vögel steigen kann. Aber selbst außerhalb der Brutzeit können Nistkästen das Überleben unserer gefiederten Zeitgenossen sichern. Viele Vögel suchen nämlich in kalten Wintern Unterschlüpfe auf, um sich in der Nacht zu wärmen, mitunter mehrere Individuen aneinandergekuschelt. Auch Insektensuchen im Winter geschützte Plätze, Schmetterlinge etwa.

Nistkästen kann man heute in verschiedenen Geschäften wie Baumärkten und Gartencentern sowie online kaufen oder mit etwas Geschick selbst bauen. Anleitungen finden sich ebenfalls im Internet, z.B. auf der Seite des NABU oder der Vogelwarte Seebarn.

Für wen sind Nistkästen geeignet?

Verschiedene Vogelarten haben sehr unterschiedliche Bedürfnisse, was die Standorte und Strukturen für ihre Nester angeht. Es gibt Bodenbrüter, Kronenbrüter, Freibrüter, Nischenbrüter und Höhlenbrüter.

Folgerichtig sind geschlossene Nistkästen mit einem Einflugloch nur für Höhlenbrüter geeignet. Daneben gibt es auch spezielle Konstruktionen für Halbhöhlenbrüter (Nischenbrüter).

Um gezielt bestimmte Arten anzulocken, sollte man den Durchmesser des Einflugloches entsprechend der Größe der Vögel wählen.

Einige Beispiele heimischer Arten, die Nistkästen annehmen, geordnet nach der Größe der Öffnungen:

26 – 32 mm:

Tannenmeise, Blaumeise und Sumpfmeise, Weidenmeise, Haubenmeise: Dies sind die kleinsten heimischen Meisenarten, die ein Loch bis zu 28 mm bevorzugen.

Etwas größere Meisen sind die allgegenwärtigen Kohlmeisen, die einen etwas größeren Durchmesser benötigen (etwa 32 mm).

Meisen sind nicht nur typische „Mieter“ von Nistkästen, sie gehören auch zu den häufigsten Gästen an Futterhäuschen in den winterlichen Gärten. Mit ihren kleinen, schmalen Schnäbeln ernähren sie sich in den warmen Jahreszeiten von Insekten, Larven und Spinnen, im Winter sind sie auf Sämereien und Früchte oder eben „Meisenknödel“ angewiesen. Ursprünglich nutzen sie vor allem Baumhöhlen zum Brüten.

Blaumeise
Blaumeise im Nistkasten (©Wiltrut Koppensteiner)

32 - 35 mm:

Haus- und Feldsperling: Man glaubt es kaum, aber selbst die scheinbar allgegenwärtigen „Spatzen“ zeigen seit Jahren Bestandsrückgänge. Der Haussperling ist besonders an menschliche Gebäude gebunden und brütet meist in solchen, nimmt aber gelegentlich auch Nistkästen an. Den etwas kleineren, an seinen Wangenflecken erkennbaren Feldsperling findet man eher an Stadträndern.

Kleiber: Dieser in Parks häufige Vogel wird auch Spechtmeise genannt. Er ist dafür bekannt, dass er die für ihn zu großen Öffnungen (z.B. von Spechthöhlen) mit einer Mischung aus Lehm und Speichel verkleinert, also zu“klebt“, woher auch sein Name stammt.

Die Kästen des St. Pöltner Nistkastenweges sind vorwiegend für Vögel dieser Größenkategorien gedacht. Diese Bauweise wird auch Meisenkasten genannt.

Beispiele für Vögel, die ein größeres Einflugloch benötigen:

Star: Ein typischer Starenkasten besitzt eine Öffnung mit einem Durchmesser von etwa 45 -55 mm.

Buntspecht: Spechte  kann man mit einem Loch von 6 cm anlocken.

Spezielle Nistkästen mit größeren Einflugöffnungen gibt es für Käuze, Turmfalken oder Dohlen.

Für solche Vögel sowie für Schwalben und Mauersegler gibt es zudem ganze Einbauelemente für Häuserfassaden oder Dächer.

Beispiele für Halbhöhlenbrüter bzw. Nischenbrüter:

Bachstelze, Rotkehlchen, Grauschnäpper, Hausrotschwanz, Gartenrotschwanz, Zaunkönig.

Nistkästen für diese Arten sollten halboffen sein, ihnen genügt ein kleines, rundes Loch nicht.

Zaunkönig: Dieser sehr kleine, kugelige Insektenfresser ist meist in Bodennähe zu beobachten. Manchmal nimmt auch er Nistkästen an, aber nur dann, wenn sie nicht zu hoch angebracht sind.

Gartenrotschwanz: Er bewohnt Wälder, Parks und Gärten, im Gegensatz zum Hausrotschwanz, der als ursprünglicher Gebirgsvogel Gebäude bevorzugt. Die Männchen des Gartenrotschwanzes sind leicht an ihrem roten Bauch zu erkennen. Er bevorzugt eine ovale Öffnung.

Die richtige Umgebung macht’s aus!

Auch der geeignetste Nistkasten nützt nicht allzu viel, wenn er in einer Umgebung aufgehängt wird, die dem Vogel sonst nur wenig zu bieten hat. Einerseits müssen die Nisthilfen weitgehend geschützt vor Beutegreifern wie Mardern oder Hauskatzen platziert werden, andererseits ist die Verfügbarkeit von Nahrung in direkter Nähe die Voraussetzung für erfolgreiche Bruten. Damit schließt sich der Kreis zu den vorhin genannten ökologischen Grundbedingungen wie naturnahe Gärten, Verzicht auf Insektenvernichtungsmittel oder Anpflanzung heimischer Kräuter und Sträucher.

Die Kästen sollten fest verankert, damit sie nicht zu sehr im Wind schaukeln, nicht zur „Wetterseite“ hin ausgerichtet, nicht der prallen Sonne ausgeliefert und freier Anflug möglich sein. Eine gute Höhe liegt im Allgemeinen in zwei bis drei  Metern Höhe.

Frisch geputzt ist halb gewonnen!

Die richtige Hygiene ist auch für künstliche Vogel-Kinderstuben ein Muss.

Nistkästen sollten daher – natürlich außerhalb der Brutzeit  regelmäßig gesäubert werden. Da es wie gesagt auch Nachmieter im Winter gibt, ist die beste Zeit dafür der Spätsommer. Der Nistkasten kann entweder trocken ausgebürstet oder mit Wasser (ohne Reinigungsmittel) gereinigt werden. Neben dem Schmutz sollen dadurch vor allem Parasiten entfernt werden.

Junge Kohlmeisen im Nistkasten
Junge Kohlmeisen im Nistkasten (©Wiltrut Koppensteiner)

Zusammenfassend lässt sich sagen:

Es gibt viele Möglichkeiten, die Vogelwelt unserer Siedlungen zu schützen und zu unterstützen. Möge der Nistkastenweg in St. Pölten dazu beitragen und auch dazu, den menschlichen BewohnerInnen ihre gefiederten Nachbarn etwas näher zu bringen.

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Autor: Mag. Michael Schroll

Quellen:
https://www.nabu.de/tiere-und-pflanzen/voegel/helfen/nistkaesten/index.html
https://www.plantopedia.de/nistkasten-aufhaengen/
http://www.vogelhaus-nistkasten.de
Svensson, L., Mullarney, K., & Zetterström, D. 2011. Der Kosmos Vogelführer. Franckh-Kosmos Verlags-GmbH & Co. KG. Stuttgart
Khil, L., 2018. Vögel Österreichs. Franckh-Kosmos Verlags-GmbH & Co. KG. Stuttgart

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