Der Maulwurf

Ein unterirdischer Landschaftsgärtner als Tier des Jahres 2020

Bekannter als der meist unterirdisch lebende Maulwurf selbst ist wohl das von ihm ausgeworfene Erdmaterial, das sich überirdisch schon einmal zu einem eineinhalb Meter mächtigen Hügel türmen kann.  Seinem Namen wird er damit allemal gerecht. Im Mittelhochdeutschen wurde er als moltewerf/mûlwerf bezeichnet, was so viel wie „Erdaufwerfer“ bedeutet.

Blind wie ein Maulwurf?

Einer Redewendung zufolge, wonach der Maulwurf blind sei, stimmt für den bei uns vorkommenden Europäischen Maulwurf nicht. Er ist einer von nur zwei in Mitteleuropa auftretenden Arten der Gattung Talpa angehörenden Eurasischen Maulwürfen. Er unterscheidet sich deutlich vom kleineren Blindmaulwurf, dessen Augen von einer Membran bedeckt sind.

Allerdings kommt der Europäische Maulwurf blind und haarlos zur Welt, öffnet aber bereits nach 22 Tagen seine mohnkorngroßen Augen, die bei Erregung aus den Hautfalten und aus dem Fell herausgedrückt werden. Die mit etwa 100 000 Sehzellen besetzte Netzhaut eines Auges stellt dennoch die geringste Anzahl an Sehzellen dar, die bisher bei Säugetieren entdeckt wurde. Auch wenn dem Maulwurf damit nur ein Hell-Dunkel-Sehen ermöglicht wird, liegt der Nutzen hauptsächlich darin, Tunnelbrüche zu erkennen, die durch Räuber oder schwere überirdische Pflanzenfresser verursacht wurden, um diese daraufhin schnell wieder verschließen zu können.

Vom Leben in völliger Finsternis?

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Valentin Kust auf den Spuren des Maulwurfs, Foto: Theo Kust
Die maximal dreijährige Lebenszeit eines Maulwurfs im Freiland gestaltet sich nicht in völliger Finsternis, wie viele Menschen glauben mögen. So kommen sie ans Tageslicht, wenn sie ihr Auswurfmaterial aus ihren Tunnelsystemen entfernen müssen, das Graben schwierig wird und das Nahrungsangebot fehlt oder sie dabei sind, ein geeignetes Revier zu finden. Die gefährlichste Zeit eines Maulwurflebens ereignet sich im Alter von fünf bis sechs Wochen, wenn sie ihren Mutterbau verlassen, um ein eigenes Territorium zu besetzen. Dabei werden sie nicht selten von Fressfeinden, wie z.B. Dachsen, Füchsen, Eulen, Reihern, Krähen oder Hunden und Katzen überrascht. Bei Betretung eines fremden Reviers kann es schon einmal zum Kampf mit erwachsenen Artgenossen kommen.

Tunnelbau erfordert Körpereinsatz

Haben die jungen Maulwürfe das Graben erst einmal erlernt, können ihre Röhrensysteme bis zu einem halben Kilometer lang sein. Der nur 11-16cm große und maximal 130g schwere Maulwurf schafft es, das 20-fache seines Körpergewichtes an Erdreich anzuheben. Dabei bewegt er sich entweder wie ein Brustschwimmer oder gräbt mit seinen Händen, die umfunktionierte Vorderextremitäten darstellen, abwechselnd im Erdreich. Diese vorderen Gliedmaßen, die zudem auch noch starke Krallen aufweisen, sind geradezu perfektioniert. So besitzt der Maulwurf insgesamt zwölf Finger, da an jeder Hand ein zusätzlicher Daumen ausgebildet ist. Diese zusätzlichen Finger sind allerdings nicht als richtigen Daumen zu verstehen, sondern als eine Umbildung eines kleinen Handwurzelknochens – dem Sesambein zu werten. So stehen dem Maulwurf mächtige Grabschaufeln zur Verfügung.

Der Tunnelbau kann über oberflächliche Deckengänge, tiefer liegende Jagd- und Laufgänge bis hin zu Verbindungsgängen in 60 bis 100cm Tiefe aufweisen. Da der CO2-Gehalt im Boden rasch zunimmt, graben sie Belüftungsschächte senkrecht nach oben.

Mit Ausnahme der Paarungszeit, in der die Männchen die kleineren Weibchen über Duftspuren aufsuchen, verbleiben die Einzelgänger innerhalb ihrer Grenzen, um einer Begegnung mit Artgenossen möglichst auszuweichen.

Nahrung sammeln und Ausruhen

Seine walzenförmige Gestalt und sein fehlender Haarstrich im wollig-schwarzen Fell ermöglichen ihm den sofortigen Richtungswechsel in seinen Gängen. Während er mit seinem Schwanz die Tunnelwände abtastet, sucht er mit dem beweglichen nackten Rüssel, der mit Tasthaaren besetzt ist, die kleinsten Erdspalten nach Fressbaren ab. Der Maulwurf ernährt sich als Insektenfresser hauptsächlich von wirbellosen Tieren. Er bevorzugt die humusreichen Böden mit vielen Regenwürmern, die für gewöhnlich die Hälfte seiner Nahrung ausmachen. In manchen Gegenden kann diese Nahrungsquelle bis zu 90% betragen. Bei Nahrungsüberschuss hortet er die Regenwürmer zu Knäuel. Damit ihm die Beute nicht entkommt, wird sie mit einem Biss in die Kopfregion bewegungsunfähig gemacht.

Aktiv ist der Maulwurf allerdings nicht den ganzen Tag über. Er befolgt dabei auch keinen Tag-Nacht-Rhythmus. Nach jeder Arbeit werden sogar drei Mal täglich längere Schlafpausen eingelegt. Da er auch keinen Winterschlaf hält, muss vor Erfrierungen mit einem tiefer liegenden Schlafnest oder einer „Winterburg“ durch größere vorher ausgehobene Erdhügel, vorgebeugt werden.

Rasenzerstörer oder Gartenfreund?

Trotz vieler Räuber, die den Maulwurf bedrohen, bleibt der Mensch die Nummer eins der Gefahren. Früher wurde er aufgrund seines Felles für die Pelzindustrie bis 1988 intensiv bejagt. Heute wird er immer noch als Agrarkulturschädling oder als Lästling im Garten oder auf dem Rasen gesehen.

Klarzustellen ist jedoch, dass der Maulwurf als Insektenfresser keinerlei Pflanzen verzehrt, sie aber beim Ausheben der Erde für seine Luftschächte unabsichtlich mitausgräbt. Maulwürfe werden vielerorts immer noch mit Fallen und Giften bekämpft, obwohl nach dem österreichischen Bundestierschutzgesetz (TschG; §6) das Töten von Tieren ohne „vernünftigen Grund“ verboten ist.

Das Leben des Maulwurfs droht allerdings noch auf eine andere Art und Weise in Bedrängnis zu geraten. Ausgeräumte Landschaften, versiegelte Flächen, aber auch viele Rasenbesitzer empfinden die Erdhügel als „Schönheitsfehler“ und vertreiben ihn. Durch den Einsatz von Insektiziden in der Landwirtschaft wird er zudem auch noch seiner Nahrung beraubt. Unkultivierte Strukturen an Ackerrändern, die ihm Unterschlupf und Fressbares während der Zeiträume chemischer Behandlungen bieten könnten, fehlen ebenso häufig.

Gerade als Tier des Jahres muss hier der ökologische Nutzen hervorgehoben werden. Maulwürfe bevorzugen die Nachbarschaft geräumiger artenreicher Vegetation, die ihnen Schutz aber auch eine Vielfalt an Nahrung bieten können. Das Beutespektrum kann in einem reich strukturierten Naturgarten sehr groß sein. So verspeist er nicht nur den Regenwurm, sondern auch Maulwurfsgrillen, Drahtwürmer, Erdraupen, Kohl- und Wiesenschnakenlarven bis hin zu jungen Wühlmäusen. In einem Jahr kann seine Nahrung bis zu 30kg ausmachen. Neben dem Vorteil, schädliche Insekten unter Kontrolle zu halten, lockert, durchmischt und belüftet er den Boden und sorgt so für eine bessere Bodenfruchtbarkeit.

Duldet man den Maulwurf trotz all seiner nützlichen Eigenschaften und hervorragenden Qualität der Erdhügel für Blumenkisten als Gartenfreund nicht, sollte hier zumindest auf ökologische Maßnahmen in Form verschiedener Vergrämungsmethoden zurückgegriffen werden (Siehe Link: Natur im Garten).

Wenn Sie die Gelegenheit, einem Maulwurf direkt in die Augen zu schauen, nutzen wollen, dann kommen Sie ins Museum Niederösterreich. Im Haus für Natur finden Sie mitunter ein Stopfpräparat des Maulwurfs mitsamt Einblicken in sein unterirdisches Leben.

 

Text: DIin Gerlinde Weizer, BSc.

Literaturnachweis:

Glösmann, M., Steiner, M., Peichl, L., & Ahnelt, P. K. 2008. Cone photoreceptors and potential UV vision in a subterranean insectivore, the European mole. Journal of Vision 8(4), 23-23.

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Sondergaard, E. 2006. "Talpa europaea" (On-line), Animal Diversity Web. https://animaldiversity.org/site/accounts/information/Talpa_europaea.html#948715b43f8fc1734f25d763f30d377c

Wegscheider V. & Haidler B. (o.J.). Maulwurf der ungeliebte Nützling. Natur im Garten. St. Pölten. https://www.naturimgarten.at/files/content/4.%20GARTENWISSEN/4.3%20Brosch%C3%BCren%20und%20Infobl%C3%A4tter/4.3.2%20Informationsbl%C3%A4tter%20neu/Maulwurf.pdf

Zangerle, F. 2016. Leben in der Dunkelheit. Igel & Umwelt. Zürich. https://www.igelzentrum.ch/images/Doc/IuU2016_2.pdf

Zurawska-Seta, E., & Barczak, T. 2012. The influence of field margins on the presence and spatial distribution of the European mole Talpa europaea L. within the agricultural landscape of northern Poland. Archives of Biological Sciences 64(3), 971-980.

 

Weiterführende Links:

http://wua-wien.at/tierschutz/bunte-wiesenbewohner/2169-maulwurf-im-rampenlicht

https://naturschutzbund.at/tier-leser/items/id-2020-europaeischer-maulwurf.html

https://www.deutschewildtierstiftung.de/aktuelles/tier-des-jahres-2020-stollengraeber-aus-leidenschaft

https://www.mdr.de/nachrichten/panorama/maulwurf-tier-des-jahres-zweitausendzwanzig-100.html

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