Bärtige Wanderer der Donau – Die Barben barbus barbus

©NÖ Museum Betriebs GmbH, Foto: Theo Kust

Das vom Naturschutzbund Österreichs gewählte Tier des Jahres 2022 überrascht. Nehmen wir uns Zeit für einen faszinierenden Fisch aus Niederösterreich.

Reich mir die Flosse, Genosse! Ein Porträt der Barbe

Begegnen wir der Barbe im Wasser, schaut uns ein Fisch mit einem unterständigen Maul und vier Barteln an einer fleischigen Oberlippe kommend entgegen. Die Barbe verfügt über dreireihige Schlundzähne. Gerade am Boden von Gewässern jagt sie damit wirbellose Tiere, kleinere Fische, holt sich aber auch einen „Algensnack“. Ihr brauner, häufig grüngrau gefärbter Rücken, ihre helleren, goldgelb schimmernden Flanken und  ihr weißlich wirkender Bauch, verleihen dem zusätzlich lang gestreckten Körper der Barbe das gewisse Etwas. Nur der Rücken wölbt leicht. Insgesamt bemisst ihre Länge 25 bis 75 cm, jedoch entdeckten Barbenfans Exemplare, die einen Meter erreichten.

Wohl ein wichtiges Merkmal bei Fischen stellen die Flossen dar. Aber warum braucht die Barbe Flossen, wir haben doch auch keine. Nun, Flossen sind im Wasser überlebenswichtig. Sie dienen den Fischen zur Fortbewegung, Steuerung und Stabilisierung. In Anpassung an den jeweiligen Lebensraum ist diese Grundkonfiguration bei vielen Fischen deutlich modifiziert. So können Flossen geteilt, miteinander verwachsen oder stark in der Form verändert sein oder sogar vollständig fehlen. Funktionale Anpassungen gehen dabei so weit, dass die jeweilige Flosse nicht mehr gemäß ihrem ursprünglichen Zweck als Fortbewegungsorgan verwendet wird.

Es gibt nicht eine bestimmte Flosse, sondern mehrere unterschiedliche. Bei den paarigen Flossen unterscheiden Fisch-Enthusiasten die Brustflosse (Pectorale) mit der Bauchflosse (Ventrale). Die beweglichen, weichen, oft auch bei der Barbe rötlich wirkenden Brustflossen zeichnen sich als Höhensteuer, Bremse und Stabilisierungsorgan aus. Über das Skelett mit dem Schädel verbunden, befinden sie sich deshalb direkt hinter den Kiemendeckeln. Die Bauchflossen übernehmen Steuerungsfunktionen. Waren das jetzt schon alle? Nein, es fehlen noch die unpaarigen Flossen. Dazu gehört die Rückenflosse (Dorsale), die Schwanzflosse (Caudale) und die Afterflosse (Anale) Einige Arten (Welsartige, Salmler, Lachsartige) besitzen zusätzlich zwischen Rücken- und Schwanzflosse einen mit Fett gefüllten Hautsack, die Fettflosse. Ihre Funktion gilt noch nicht als vollständig geklärt. Unsere sportliche Barbe hat diese nicht.

Barbe
Barbe (© Daniel Pelz)

Mächtige Aura? – Das Seitenlinienorgan

Nein, es wird jetzt nicht magisch, aber es wirkt so. Das Seitenlinienorgan von Fischen beeindruckt vollkommen zurecht. Damit fühlen Fische ihre Umgebung, ohne sie direkt berühren zu müssen. Es ist ein Sinnesorgan unter der Haut, mit dessen Hilfe Fische Wasserströmungen, Druckschwankungen und elektrischen Feldern wahrnehmen. Oder anders formuliert: Was passiert gerade in der Umgebung, welche Größe hat das Objekte knapp vor der Barbe  und ist es starr, bewegt sich ein Fisch zu oder von ihr weg und mit welcher Geschwindigkeit und welcher Fortbewegungsart (schwimmen, gehen, kriechen) passiert das gerade... All diese Informationen liefert das Seitenlinienorgan. Aufgrund der Druckveränderung schließt die Barbe darauf, ob es sich bei dem Objekt um einen Feind, ein Beutetier, einen Artgenossen oder ein Hindernis handelt. Fische brauchen das Seitenlinienorgan auch, um sich im trüben oder dunkeln Wasser zu orientieren. Sie spüren den Druckunterschied, wenn sie auf eine Felswand zuschwimmen. Mexikanische Höhlenfische haben das perfektioniert. Da sie blind sind, müssen sie sich vollkommen auf ihr Seitenlinienorgan verlassen. Auch im Schwarm hilft es. Sardinen nutzen die Funktion des Seitenlinienorgans als Schutz vor Fressfeinden. Sie bilden große Schwärme. Wenn ein Fisch einen Fressfeind sieht, reagiert er sofort und schwimmt weg. Seine angrenzenden Nachbarn spüren seine Bewegung und machen es ihm nach. So bewegt sich der gesamte Schwarm in eine Richtung, ohne zusammenzustoßen, als wäre es eine einstudierte Choreografie. Auch bei der Jagd ist das Seitenlinienorgan hilfreich. Es nutzt Raubfischen bei der Nahrungssuche. Beispielsweise ist es bei Haien so empfindlich, dass sie sogar den Herzschlag eines Fisches spüren, der sich im Sand eingegraben hat.

Wo finden wir dieses großartige Werkzeug? Wie der Name schon sagt, ist das Seitenlinienorgan eine Linie auf der Seite des Fischkörpers, sozusagen ein Kanal, in den das Wasser durch Poren einströmen kann. Diese Poren erkennen wir bei manchen Fischen mit freiem Auge. Aus vielen Neuromasten, das sind die Sinneszellen, die mechanosensorische Reize erkennen und verarbeiten können, besteht das Seitenlinienorgan. Diese Neuromasten kommen freistehend am gesamten Körper vor oder sie sind eingesenkt in einem Seitenlinienkanal als Kanalneuromasten zu bemerken. Bei Fischen befindet sich dieser Kanal meistens an der Körperseite, beginnend unmittelbar nach den Kiemen und erstreckt sich bis zum Schwanz. Entlang der Seitenlinie gibt es Poren, durch die der Kanal mit der Außenwelt in Verbindung steht. Durch diese Poren fließt das Wasser ein und gelangt zu den Neuromasten. Bei der Barbe zählen wir 55 bis 65 Schuppen an der Seite, die uns helfen, das Seitenlinienorgan bei ihr zu lokalisieren.

So ein Seitenlinienorgan hört sich praktisch an, können wir so was auch kriegen? Leider nein. Das Seitenlinienorgan kommt nur bei dauerhaft aquatisch lebenden Wirbeltieren vor, also bei Fischen, im Wasser lebenden Amphibien (Bsp. Grottenolm, Krallenfrosch) und Amphibienlarven (Kaulquappen). Bei Landwirbeltieren (Reptilien, Vögel, Säugetiere) fehlen die Seitenlinien vollständig, auch wenn diese teilweise im Wasser leben.

Vorsicht! Giftige Eier

Wenn die Männchen zahlreiche, in Reihen angeordnete weiße Knötchen auf der Kopfoberseite und im Nacken bekommen, wissen wir, es ist Laichzeit. Den Laichausschlag erhalten die nun geschlechtsreifen Männchen schon zwischen erstem und zweitem Lebensjahr. Sie sind kleiner als die Weibchen, die erst zwischen dem dritten und siebten Lebensjahr die Geschlechtsreife erreichen. Im Winter lernten sie sich schon in großen Gruppen kennen. Zwischen Mai und Juli wird es dann aufregend. In Schwärmen ziehen nun die Barben flussaufwärts. Pärchen, die sich gefunden haben, graben gemeinsam eine Laichgrube in den Kies. Das Weibchen legt danach die Eier in diese Mulde, das Männchen fügt den Samen (auch Fischmilch) auf den Rogen hinzu. Nicht selten nutzen das andere Männchen und mischen ihr Samenpaket dazu. In der Kulinarik kennen wir die unterschiedlichsten Varianten von Fischeierrezepten. Der Rogen der Barbe zählt nicht dazu. Dieser ist ungenießbar und löst Übelkeit aus.

Die Barben erobern eine Region

Barben schwimmen zwar im Wasser, das bedeutet jedoch nicht, dass sie in allen Fließgewässern vorkommen. Gerade bei der Barbe erkennen wir eine Region, in der sie häufig als Leitfisch zu finden ist. Daher benannten mutige Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler diese, auch epipotamale Gewässer genannt, als Barbenregionen. In diesen Bereichen des Flusses hat die Wassertemperatur ca. 15 °C. Grober Sand oder feiner Kies lagert am Grund. Ein breites Fließgewässer gibt den Fischen Raum, die schwache Strömung lässt Wanderungen gegen die Flussrichtung leichter zu. Dafür schwankt der Sauerstoffgehalt. Üppige Vegetation in Form von Schilfgürteln begrenzen das Ufer. Auch andere Fische gesellen sich zur Barbe: Aland, Rapfen, Streber, Hasel, Rotauge, Rotfeder, Brachse, aber auch Wels, Stör, Flussbarsch, Hecht und Zander dringen in die Barbenregion ein.

Gefährdung und was wir dagegen tun können

Die schöne Bärtige, die wandernd nach einer Region benannt wurde, ist in Gefahr. Einst als Massenfisch angesehen, gehen nun die Bestände stark zurück. Die Anzahl der Habitate für juvenile Barben sinken. Da Zubringer von größeren Gewässern weniger werden, erschwert diese Situation den Barben passende Laichplätze zu entdecken. Die Wiederherstellung durchgängiger Fließgewässer stellt eine Möglichkeit dar, wie wir der Barbe helfen können. Sie ist zwar noch nicht auf der Roten Liste gefährdeter Arten, jedoch bereitet der Rückgang der Barben vielen Fischfans Sorgen. Bemühen wir uns also, dass auch zukünftige Generationen über die Barbe staunen und erhalten wir gemeinsam ihren Lebensraum.

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Autor: Mag. Josef Keler

Quellen und Links:

Hauer, W. 2020. Fische, Krebse & Muscheln in heimischen Seen und Flüssen. Dobl/Graz.
https://www.pivi.de/arten/fische/karpfenfische/barbe/
https://www.spektrum.de/lexikon/biologie/barbenregion/7114
https://www.km-bw.de/pb/site/lel/get/documents/MLR.LEL/PB5Documents/lazbw_ffs/Barbe.pdf
https://www.botanik-seite.de/index.php?id=73&pid=527
https://deutschlands-natur.de/tierarten/suesswasserfische/barbe/  
https://www.fischlexikon.eu/fischlexikon/fische-suchen.php?fisch_id=0000000002
https://naturschutzbund.at/wassertier-leser/items/2022-barbe.html
https://www.fischerei-verband.at/themen/fisch-des-jahres/2022-barbe/
https://www.fischerei-verband.at/fileadmin/redakteure/pdf/Fisch_des_Jahres/Fisch-des-Jahres_2022/RZ_Folder_FdJ2022_586x210mm_small.pdf
https://www.donauauen.at/wissen/natur-wissenschaft/fauna/barbe-barbus-barbus
https://life-science.eu/boku-startet-eu-projekt-zum-schutz-wandernder-donau- fischarten/
https://www.spektrum.de/lexikon/neurowissenschaft/seitenlinienorgane/11615
https://www.fischlexikon.eu/fischlexikon/glossar/glossar.php?id=27
https://naturdetektive.bfn.de/lexikon/tiere/fische/der-sechste-sinn-der-fische.html
https://www.researchgate.net/publication/225485246_Modeling_and_characterization_of_a_micromachined_artificial_hair_cell_vector_hydrophone/figures?lo=1

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