© NÖ Museum Betriebs GmbH, Text und Recherche: Gerhard Hintringer, Titelbild: Monika Schaar-Willomitzer

Fisch des Jahres 2019: Flusskrebs

Eine Recherche im Netz

Der Weg ins weltweite Netz führt über den Pfad. Sagen die Fachkundigen. Ich neige zum Einwand. Für mich ist er kein Trampel-Pfad, sondern eine Wissens-Autobahn, ein reicher Quell von Zusammenhängen. Recherche besteht im Aufspüren und Sammeln von Informationen. Einerseits. Ihr Ziel ist es andererseits, Beziehungen der Materialien und Umstände zueinander herzustellen. Sie in ein Verhältnis zu bringen, dem Recherchierten auf den Grund zu gehen. Nicht selten ein Schritt vor, einer zurück, im Krebsgang. Womit wir bereits beim Thema angelangt wären.

Der Edelkrebs ist „Fisch des Jahres“ 2019

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© Edelkrebs (Astacus astacus), wikicommons: Christian Lindner
Astacus astacus nach dem Linneéschen Systema naturae. Der Krebs ein Fisch, da würde er schön schauen, der schwedische Naturforscher aus dem 18. Jahrhundert, der Carl Ritter von. Womöglich hätte ihn der Schlag getroffen. Wie aber kommt es tatsächlich dazu, den wirbellosen Wasserbewohner zum Fisch des Jahres zu küren?

„… des Jahres“ klingt wie „Sportler des Jahres“, wie eine Auszeichnung. Das Gegenteil ist der Fall. Es ist ein Hilferuf, der in diesem Fall vermutlich zu spät kommt. Österreichs Edelkrebsbestände sind nahezu erloschen. Die Gründe dafür klingen für Naturliebhaber vertraut: Verlust des Lebensraums, eingeschleppte Artgenossen. Es beginnt mit der Verbauung der Gewässer und endet schließlich mit der Krebspest. Und weil das für sämtliche heimische Krebsarten gilt, ist die Fischerzunft (Österreichischer Fischereiverband, Landesfischereiverbände, assistiert von Ämtern und Kuratorien) über ihren Schatten gesprungen und hat ihn kurzerhand zum Fisch ernannt. Ihn ins Lobbying-Netz geholt, um auf seine Anliegen aufmerksam zu machen. Ganz so kühn war es freilich nicht. Nach dem Fischereigesetz zählt der Europäische Flusskrebs zu den Wassertieren, so wie die Muscheln, und fällt daher in die Verbandsobliegenheiten. Er hat sich gegen die nominierten Fische durchgesetzt.

Die Wahl zum Fisch des Jahres 2020 läuft. Hier kann abgestimmt werden: http://www.fisch-des-jahres.info/Abstimmung
Englischsprechende nennen den Flusskrebs übrigens crayfish. Nein, Ladies and Gentlemen, der Krebs ist kein Fisch!

Wie und wo der Edelkrebs zu Hause ist

Der Flusskrebs kann bis zu 20 Zentimeter groß werden, 15 ist sein Durchschnittsmaß. Das Männchen ist deutlich größer als das Weibchen. Naturbelassene Gewässer der „Äschen- und Barben-Region“ sind sein bevorzugter Lebensraum. Das heißt, er liebt starke Strömung, Wasser mit hohem Sauerstoffgehalt, Grünzeug am Ufer, Sand und Kies im Flussbett und nicht weniger als 15 Grad Celsius. Im Hochgebirge ist er also nicht zu Hause. Als dämmerungs- und nachtaktiver Allesfresser ist er kaum zu sichten. Untertags sitzt er in seiner Wohnhöhle unter Steinen und Wurzeln in Uferlage.

Wir Menschen kennen das, das G´wand wächst nicht mit. Mit zunehmender Körperfülle wird es eng. Wir legen es zugunsten eines zweckmäßigeren neuen ab. Auch der Edelkrebs legt sein Kleid ab. Während der drei Tage nach seiner Häutung nennt man ihn Butterkrebs. Dann ist er nicht einmal vor seinesgleichen sicher. In den 15 bis 20 Jahren seines Daseins wird sich diese Prozedur regelmäßig wiederholen.

In der Paarungszeit im Oktober und November, wenn die Temperatur des Wassers bei 12 Grad liegt,  wird er tagaktiv. Vom Liebesspiel, wie wir es mitunter aus unserer Tierwelt kennen, hält der Edelkrebs nichts. Für uns schaut es nach Vergewaltigung aus. Das Ergebnis im Juni sind um die 200 Krebslarven, die schlüpfen, manchmal mehr, dann wieder weniger. Sie werden noch einige Wochen von der Mama sorgsam behütet, aber nach der zweiten Häutung heißt es auf eigenen zehn Füßen zu stehen.  Auf zumindest acht, wenn man das Beinpaar unberücksichtigt lässt, das zu Scheren ausgebildet ist. Die Scheren sind sein Besteck, seine Körperfärbung Beige- bis Brauntöne. Es sollen aber auch gräuliche bis bläuliche Exemplare vorkommen. Sein Gewicht beläuft sich so zirka auf ein Viertel Kilo, mitunter etwas mehr. Im Winter ruht er für ein paar Wochen.

Der Tod aus Übersee

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© Edelkrebs, wikicommons: Thor allmighty6
leniusculus (Signalkrebs) klingt ein wenig wie Pazifist. Das Gegenteil ist auch hier der Fall. Er ist ein echter Hooligan und hat im Kampf um Nahrung stets die Nase vorn, in seinem Fall die Scheren. Auf dem Weg nach Europa brachte der amerikanische Signalkrebs einen verhängnisvollen Import aus Übersee mit, die Krebspest. Nicht erst gestern. Nach Österreich kam er zu Zuchtzwecken bereits 1879. Wir kennen diese folgenschwere Form des Imports aus der Menschheitsgeschichte, als europäischen Export in Richtung Übersee.

Die Krebspest ist eine Pilzerkrankung. Haben sich die Pilzsporen erst festgesetzt, Zysten gebildet und sich unter der Oberfläche Geschwüre ausgebreiten, gibt es kein Entrinnen. Der Krebs versucht sich noch zu säubern, wird tagaktiv, bewegungsunfähig und verendet. Ende des Herumkrebsens. Die amerikanischen Krebse sind gegen den Pesterreger resistent.

Der Signalkrebs und sein Pilz zählen in Europa inzwischen zu den schlimmsten invasiven Arten. Der heimische Edelkrebs hat ihm nichts entgegenzusetzen, der Wächter der Gewässerhygiene, die Wasserpolizei des Ökosystems ist ohnmächtig.

Wer´s genau wissen will:
http://www.forum-flusskrebse.org/node/5
https://www.noe-lfv.at/download/infomaterial/NOE-LFV_Bestimmungsschluessel_Krebsarten.pdf

Als Eiweißquelle waren Krebse von jeher beliebt und standen nicht nur als gängiges Fastengericht am Speiseplan. Noch im Jahr 1900 lieferte Österreich-Ungarn 378 Tonnen Krebse nach Deutschland und noch einmal so viele nach Paris. Heute steht er auf der Roten Liste der stark gefährdeten Tiere.

Medizin und Zoologie und Astrologie

Seit der Antike spricht man bei Tumoren und Geschwüren von Krebs (griech. Karkínos, lat. Cancer), Galen vermutet im 2. Jahrhundert die Ähnlichkeit äußerlicher Schwellung bei Krebserkrankungen mit Krebsbeinen. Ganz klar war die Herkunft der Bezeichnung scheinbar schon damals nicht mehr.

Das Sternzeichen Krebs, lese ich, stimmt heute durch die Wanderung des Frühlingspunktes nicht mehr mit dem Sternbild Krebs überein. Das ist auch für mich der Punkt, das Recherchieren einzustellen und es bei der Erwähnung des Tierkreiszeichens zu belassen.

 

Recherche und Text: Gerhard Hintringer

Quellen

Hilfreiche Links zum „Fisch des Jahres und für diesen Blog-Text:
https://www.fishlife.at/aktuelles-2018/2019-der-edelkrebs/
https://de.wikipedia.org/wiki/Edelkrebs
https://de.wikipedia.org/wiki/Krebspest
https://www.bmnt.gv.at/wasser/wasser-oesterreich/fluesse-und-seen/Fisch-des-Jahres-2019.html
https://www.fischerei-verband.at/themen/fisch-des-jahres/
http://www.fisch-des-jahres.info/
https://de.wikipedia.org/wiki/Fisch_des_Jahres_(Österreich)
https://www.wasseraktiv.at/wasser-news/1218,fisch-des-jahres-2019-der-edelkrebs.html
https://www.lfvooe.at/krustentiere/edelkrebs/
https://www.noe-lfv.at/fisch_des_jahres.asp
http://www.oesterreichs-fischerei.at/fisch-des-jahres-2015/
https://www.fischpraxis.at/fisch-des-jahres-2019.html
https://www.donauauen.at/nature/fauna/crustaceans/europaeischer-flusskrebs/1204
https://www.np-thayatal.at/downloads_file//de/37/Flusskrebse.pdf
https://www.dolomitenstadt.at/story/harte-schale-weicher-kern/
https://naturschutzbund.at/signalkrebs.html
https://www.neobiota-austria.at/ms/neobiota-austria/neobiota_recht/neobiota_steckbriefe/ias-tiere/orconectes_virilis/
https://www.alimentarium.org/de/wissen/flusskrebs
https://de.wikipedia.org/wiki/Krebs_(Medizin)

Krebskulinarium:
https://alacarte.at/essen/mit-scheren-und-haenden-20182/
https://gastronews.wien/2018/10/harte-schale-zarter-kern-flusskrebse-bei-pichlmaiers/
https://www.ichkoche.at/flusskrebse-natur-grundrezept-rezept-2108
https://www.falstaff.at/rd/r/flusskrebs-szechuanoel-und-maiwipfel/
https://www.rollingpin.at/rezepte/gurke-flusskrebs
https://www.gusto.at/rezepte/flusskrebse
https://www.vitamine.com/lebensmittel/flusskrebs/

Der fotogene Flusskrebs:
https://www.herr-m.at/2013/09/28/der-flusskrebs/

Gezüchteter Edelkrebs:
http://www.edelkrebszucht.at/astacus-astacus/
http://www.crusta10.at/

Der Flusskrebs als Biosensor:
https://www.industr.com/de/wie-flusskrebse-helfen-koennen-besseres-bier-zu-brauen-2307079

Ältere Museumsblog-Beiträge zum „Fisch des Jahres“
https://www.museumnoe.at/de/das-museum/blog/der-huchen
https://www.museumnoe.at/de/das-museum/blog/sterlet
https://www.museumnoe.at/de/das-museum/blog/wels

 

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