Geschichte

Michelstettner Schule – Niederösterreichisches Schulmuseum

In der ehemaligen Volksschule von Michelstetten gibt es längst keinen täglichen Unterricht mehr. Aber seit 1980 stellt das Niederösterreichische Schulmuseum hier einen ganz besonderen Ort für alle Wissbegierigen dar.
Prof. Dr. Elisabeth Vavra
Schulmuseum Michelstetten

Wie in vielen Orten Niederösterreichs liegt auch in Michelstetten die alte Schule gleich neben der Pfarrkirche, die über einer karolingische Turmburg des 10. Jahrhunderts errichtet wurde. Als die Volksschule 1972 geschlossen wurde und die Kinder ab sofort nach Asparn an der Zaya auspendeln mussten, rettete der ehemalige Schuldirektor OSR Rudolf Lukschanderl Einrichtungsgegenstände und Lehrmittelbehelfe; so legte er damit den Grundstock für ein zukünftiges „Niederösterreichisches Schulmuseum“, das 1980 unter dem Titel „Vom Römergriffel zum Reichsvolksschulgesetz“ als Außenstelle des Weinlandmuseums Asparn an der Zaya eröffnet wurde. Nach dem Tod Lukschanderls konstituierte sich 1999 der Verein „Niederösterreichisches Schulmuseum in Michelstetten“, der ein Jahr später das Museum übernahm und seitdem für den erfolgreichen Betrieb des Museums sorgt. In den Jahren 2005 bis 2007 konnte das Museum dank einer Unterstützung durch das Land Niederösterreich umgebaut und erweitert werden. Am 14. April 2007 fand die Wiedereröffnung als „Michelstettner Schule“ statt. Mit einer Ausstellungsfläche von ca. 800 m² verfügt das Museum heute über elf Räume für die Präsentation der Dauerausstellung. Rund 3.000 ausgestellte Objekte erlauben den Besucher:innen einen Einblick in den Schulalltag der Vergangenheit. Hinter den Kulissen warten noch rund 50.000 originale Objekte – Schultafeln, Landkarten und Schautafeln, Bücher, Lehrbehelfe, Schultaschen und Schulhefte – auf weitere Sonderausstellungen.

Im Gegensatz zu anderen Museen ist das Schulmuseum Michelstetten ein Museum zum Angreifen und Mitmachen. In fünf historischen Klassenzimmern können Schülerinnen und Schüler von gestern und heute wieder die Schulbank drücken. In den uralten Schulbänken sitzend gibt es „Unterricht“ – entweder mit einer „gestrengen Lehrerin“ im Rahmen einer Führung oder im Selbststudium. 

Klasse für Lesen und Schreiben
Klasse für Lesen und Schreiben © Dieter Nagl

In das Leben eines Tafelklasslers (= Bezeichnung für Schulanfänger:innen der ersten Volksschulklasse) der Zeit um 1890 führt das erste der original eingerichteten Schulzimmer. Alte Schulbänke, der Katheder (= Lehrertisch), die vom Balken herabhängende Petroleumlampe stimmen in die Atmosphäre eines alten Schulraumes ein. Hier kann man Schreiben und Lesen lernen, wie die alten Schulobjekte zeigen, allerdings nicht nur die heute übliche Schreibschrift (Schulschrift 95), sondern auch die bis Mitte des 20. Jahrhunderts gängige Deutsche Kurrentschrift. Wandtafeln mit Buchstaben und Worten, die den Kindern einst als Schreibvorlagen dienten, zieren die Wände. Ein alter Standsetzkasten gehört genauso zur Einrichtung wie die in den Schränken aufbewahrten Schreibutensilien: Wachstafeln, Federstiele mit diversen Schreibfedertypen, Tintenfässer, aber auch die erprobten Helfer aus der Kindheit: Faulenzer (= Linienspiegel), die so manchen von uns einst auf unliniertem Papier das Schreiben erleichterten. 

Klasse für Rechnen
Klasse für Rechnen © Dieter Nagl

Dem Unterricht in Arithmetik und Geometrie ist eine mit Einrichtungsgegenständen der Zeit um 1900 eingerichtete Schulklasse gewidmet. Lehrinhalte vermittelten damals Wandtafeln, die in die Grundrechnungsarten einführten und die wichtigsten Maße und ihre Umrechnungen festhielten. Noch fanden sich zu dieser Zeit Angaben in Klafter und Meilen, die erst mit der Zeit von Meter und Kilometer verdrängt wurden. Gerechnet wurde in den Schulen auch noch mit dem Abakus – einem Rechengerät, bei dem die Zahlen durch auf Stäben verschiebbaren Kugeln dargestellt werden. Auf einem solchen Gerät lassen sich alle Grundrechnungsarten ausführen: Man nutzt die Bewegung der Kugeln, um Additionen, Subtraktionen und komplexere Operationen wie Multiplikation und Division durchzuführen.  

Klasse für Länderkunde und Geschichte
Klasse für Länderkunde und Geschichte © Dieter Nagl

In die bunte Welt historischer Wandtafeln führt die Besucher:innen das für den Unterricht in Länderkunde und Geschichte eingerichtete Klassenzimmer. Die Schulbänke spiegeln den Stil der Zeit um 1910 – den Jugendstil – und folgen in ihren Formen dem von der Firma Thonet geprägten Stil. Die den Länderkundeunterricht illustrierenden Wandtafeln zeigen beispielhafte Landschaftsbilder wie etwa die Berner Alpen oder charakteristische Stadtansichten, unter denen die k. & k. Residenzstadt Wien natürlich nicht fehlen durfte. Wichtige Ereignisse aus der Geschichte wurden in historisierenden Bildern umgesetzt, die sich des reichen Formenschatzes der Historienmalerei des 19. Jahrhunderts bedienten. Sie erinnern an die bei Kindern beliebten Sammelbilder dieser Zeit, die sich in den Süßwaren der Firma Stollwerk oder in den Produktpackungen von Liebigs Fleischextrakt fanden – die hochwertigen Vorgänger der heutigen Sammelobjekte in den Überraschungseiern. Dass Lehrer:innen immer schon mit Geldmangel kämpfen mussten, zeigt die großformatige Karte der Donaumonarchie, in der eine Lehrperson die neuen Grenzen nach 1918 mit der Hand einzeichnen musste.      

Klasse für Naturgeschichte
Klasse für Naturgeschichte © Dieter Nagl

In die Schulzeit um 1920 führt uns eine Klasse, in der Naturgeschichte „unterrichtet“ wird. Auch wenn es noch keine naturkundlichen Serien in Fernsehen und Internet gab, mussten die Kinder nicht zur Gänze auf einen erlebnisreichen Unterricht verzichten. Illustrierte Lehrbücher und Wandtafeln gaben Einblicke in Erdgeschichte, Zoologie, Botanik und Somatologie (= Lehre über den menschlichen Körper). Und so manches wohlsortiertes Lehrmittelkabinett besaß neben tierischen und menschlichen Skeletten auch in Alkohol oder Formaldehyd eingelegte Tierpräparate, aufgespießte Schmetterlinge oder ausgestopfte Tiere – vom Haushuhn bis zum Steinadler, von der Maus bis zum Fuchs. Besonders ansprechend waren und sind die kunstvoll ausgeführten Modelle, etwa von heimischen Pilzen, wie sie in Michelstetten zu sehen sind. In den ländlichen Schulen ergänzte oft ein „Schulgartl“ den Unterricht. Hier lernten die Kinder den Umgang mit den Nutzpflanzen und die Grundkenntnisse des „Gartelns“.

Klasse für Physik und Chemie
Klasse für Physik und Chemie © Dieter Nagl

In die Welt der Physik und Chemie können die Besucher:innen in einem Unterrichtszimmer aus der Zeit um 1930 eintauchen, wie es an höheren Schulen und Lehranstalten üblich war. Der treppenartige Aufbau ermöglichte auch den Schüler:innen in der hintersten Bankreihe einen guten Blick auf die Experimente, die die Lehrkraft vorführte. Wandtafeln erklären die damals modernen Arbeitstechniken, gaben etwa Einblicke in die Funktionsweise von Dampfkraft und Explosionsmotoren. Das „Heiligtum“ war aber die anschließende Lehrmittelkammer, die nur vom Lehrpersonal und besonders privilegierten Schülern betreten werden durfte. Hier standen und stehen heute noch Versuchsapparate und Geräte für den experimentellen Unterricht. 

Lateinschule
Lateinschule © Hans Gumpinger

Die Frühzeit des Schulwesens auf niederösterreichischen Boden greift die in Szene gesetzte Lateinschule auf. Bereits Karl der Große hatte in seiner Admonitio generalis (= allgemeine Ermahnung) 789 die Gründung von Schreib- und Leseschulen an jedem Bischofssitz und in jedem Kloster angeordnet. Die in der Folge entstehenden Klosterschulen standen dem Klosternachwuchs und den Priesteranwärtern offen; gegen Entgelt wurden auch Externe,  meist adelige Knaben, in die Internat ähnliche Institution aufgenommen. In der Folgezeit wurde die Kirche zum Träger des Schulwesens: Pfarrschulen in den Dörfern, Domschulen in den Städten. 

Zwischen den historischen Klassenzimmern – gleichsam auf den Gängen dieser die Zeiten überspannenden Schule – erhält man weitere Informationen zur Entwicklung des Schulwesens; so begegnet man etwa Maria Theresia, die 1774 eine Allgemeine Schulordnung erließ und die Schulpflicht vom 6. bis 12. Lebensjahr einführte. Im Gedenkjahr 2025 wurde der neue Ausstellungsschwerpunkt „Neuanfang und Wiederaufbau – Schule nach 1945“ eingerichtet, der die Herausforderungen und Chancen, vor denen Lehrer:innen und Schüler:innen in einer Zeit des Umbruchs standen, beleuchtet. Trotz zerstörter Schulgebäude und fehlender Lehrmittel herrschte ein Willen zum Neubeginn, und man war sich der Bedeutung von Bildung für den demokratischen Wiederaufbau bewußt.

Schattenklasse
Schattenklasse © Dieter Nagl

Für Entspannung zwischendurch sorgen interaktive Stationen, bei denen man etwa Umrisse von Städten, Ländern und Kontinenten erraten muss, mit dem Abakus rechnen oder Flöhe zum Springen bringen kann. Oder man reiht sich in die Schattenklasse ein, bestaunt den Einfallsreichtum bei der Herstellung von Schummelzetteln und schmunzelt über beschlagnahmte Objekte, die sich in Schultaschen fanden. An schönen Tagen bietet sich der Schulgarten zum Entdecken und Relaxen an.

Autorin: Prof.in Dr.inElisabeth Vavra

Verwendete und weiterführende Literatur:

Helmut Engelbrecht, Geschichte des österreichischen Bildungswesens, 5 Bände: Bd. 1: Von den Anfängen bis in die Zeit des Humanismus – Bd. 2: Das 16. und 17. Jahrhundert – Bd. 3: Von der frühen Aufklärung bis zum Vormärz – Bd. 4: Von 1848 bis zum Ende der Monarchie – Bd. 5: Von 1918 bis zur Gegenwart, Wien 1982-1988.

Ders., Erziehung und Unterricht im Bild  (Geschichte des österreichischen Bildungswesens Bd. 6), Wien 1995.

Verein Niederösterreichisches Schulmuseum in Michelstetten (Hrsg.), Merkheft der Michelstettner Schule, Michelstetten 2007.

Links:

https://www.museumnoe.at/de/mediathek-de/auf-dem-weg-zur-schulpflicht/674

https://www.museumnoe.at/de/mediathek-de/fur-heranbildung-tuchtiger-menschen-150-jahre-reichsvolksschulgesetz/1479

Michelstettner Schule – Niederösterreichisches Schulmuseum in Michelstetten

Schulberg 1, 2151 Michelstetten, 0664 / 216 61 61, www.michelstettnerschule.at

Unterrichtszeiten:

1. April bis 31. Oktober

Samstag, Sonntag und  Feiertag 13 – 18 Uhr, Letzter Einlass: 17 Uhr

Gruppen ab 10 Personen: täglich gegen Voranmeldung

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