Ringelnatter

Keine Bange vor der Schlange!

Schwindende Bestände

Die Ringelnatter ist mit mehreren Unterarten in fast ganz Europa verbreitet. Sie kommt außerdem in Asien vor – vom Mittleren Osten über das südliche Sibirien bis hin zur Baikalsee-Region. Reliktartige Vorkommen existieren zudem in Nordafrika. In Österreich, das ziemlich genau im Zentrum ihres Verbreitungsgebietes liegt, ist die Ringelnatter die häufigste und am weitesten verbreitete Schlangenart. Sie kommt in allen Bundesländern vor und besiedelt eine große Bandbreite offener und halboffener Landschaften. In den Niederungen kann man sie ebenso antreffen wie in Höhen von beinahe 2.000 Metern. Ihr Auftreten ist allerdings an das Vorhandensein stehender oder langsam fließender Gewässer gebunden. Wo Feuchtlebensräume durch menschliche Aktivitäten verschwinden, kommt auch die anpassungsfähige Schlange in Bedrängnis. Nicht zuletzt deshalb gilt Österreichs häufigste Schlange mittlerweile als gefährdet. Ein Schicksal, das sie mit allen anderen heimischen Reptilien teilt: Sie alle findet man inzwischen auf der sogenannten Roten Liste der gefährdeten Arten.

Die Schlange mit dem „Mondgesicht“

RingelnatternDie kräftig gebaute Ringelnatter kann über einen Meter lang werden. Die Weibchen sind in der Regel massiger und erreichen außerdem eine größere Körperlänge als die Männchen. Weibliche Ringelnattern werden zumeist 80 bis 100 cm lang, die Männchen dagegen nur 60 bis 70 cm. Die Körperoberseite mit den gekielten Rückenschuppen zeigt eine graue bis bräunliche, gelegentlich auch olivgrüne Färbung. Kleine, schwarze Flecken sind in vier bis sechs Längsreihen angeordnet. Bisweilen treten aber auch vollkommen schwarz gefärbte Exemplare – sogenannte Schwärzlinge – auf. Der Kopf, der nur wenig vom Rumpf abgesetzt ist, wird auf der Oberseite von neun großen Schildern bedeckt. Die großen Augen besitzen große, runde Pupillen. Typisch für die Ringelnatter sind die halbmondförmigen, gelben oder auch orangefarbenen Flecken am Hinterkopf, die schwarz eingefasst sind.
Neben der Nominatform (also der Unterart Natrix natrix natrix) kommt im Westen Österreichs auch noch die Barrenringelnatter (Natrix natrix helvetica) vor. Diese Unterart verdankt ihren Namen den Reihen von quer gestellten Flecken – den sogenannten „Barren“ – an den Körperseiten. Sie wird deutlich länger und kräftiger als die Nominatform. Außerdem sind ihre Nackenflecken meist blasser.

 

Zu Lande und zu Wasser

RingelnatterDie Ringelnatter zeigt eine große Bindung ans Wasser. Daher wurde sie früher auch Schwimm- oder Wassernatter genannt. Auch ihr lateinischer Name Natrix bedeute nichts anderes als „Wasserschlange“. Man findet die Tiere bevorzugt entlang von Flüssen sowie an den Ufern von Seen, Teichen und Tümpeln. Ringelnattern können hervorragend schwimmen und tauchen – und zwar bis zu 30 Minuten lang! Sie erbeuten einen großen Teil ihrer Nahrung an und in Gewässern. Auch bei Gefahr flüchten sie gern ins Wasser und tauchen ab. Nur wenn ausreichend Deckung vorhanden ist, entfernt sich die Ringelnatter weiter vom Wasser. Dann besiedelt sie beispielsweise Wiesen und Waldränder. Aber auch in Parks oder Gärten kann man sie gelegentlich antreffen. Das Beutespektrum der Schlange ändert sich im Laufe ihres Lebens: Ausgewachsene Ringelnattern ernähren sich hauptsächlich von Amphibien und Fischen. Aber auch Wirbellose, kleine Säugetiere und Vögel werden gefressen. Jungtiere dagegen erbeuten Regenwürmer, Kaulquappen und kleine Fische. Bei der Nahrungssuche setzen die Schlangen nicht nur auf ihren Sehsinn. Sie erkennen ihre Beute auch am Geruch: Beim Züngeln nehmen sie mit Hilfe ihrer Zunge Geruchspartikel aus der Luft auf. Diese werden dann über die Zungenspitze zu einem speziellen Geruchsorgan an der Gaumendecke transportiert.

Von Natternhemden und Schlangennestern

Ringelnatter-HandRingelnattern sind – wie übrigens alle Schlangen – wechselwarm. Das heißt, ihre Körpertemperatur ist nicht konstant, sondern hängt von der Umgebungstemperatur ab. Allerdings regulieren die Tiere ihre Körpertemperatur durch das wahlweise Aufsuchen sonniger oder schattiger Plätze. Beobachten kann man die Schlangen daher in unseren Breiten je nach Höhenlage erst im März bzw. im April. Den Winter verbringen sie in frostfreien, hochwassersicheren Verstecken wie Erdlöchern, Felsspalten oder auch Komposthaufen. Im Frühling, schon bald nach der Winterruhe, findet die Paarung statt. Oft finden sich viele Paare gleichzeitig an den Paarungsplätzen ein, wo sie dann sogenannte Paarungsknäuel bilden. Diese werden im Volksmund fälschlicherweise als „Schlangennester“ bezeichnet. Die Eiablage erfolgt zwischen Ende Juni und Anfang August. Ein Gelege besteht aus bis zu 30 Eiern. Meist wählen die Weibchen für die Eiablage Substrate, in denen durch das Verrotten organischen Materials Wärme frei wird. Dazu gehören zum Beispiel Laub-, Mist- und Komposthaufen. Je nach Temperatur dauert die Entwicklung unterschiedlich lang. Zumeist schlüpfen die jungen Schlangen nach 6 bis 8 Wochen. Sie werden nicht von den Eltern betreut und sind von Anfang an auf sich allein gestellt. Beim Schlüpfen sind sie etwa 20 cm lang. Wenn sie an Größe zunehmen (Schlangen wachsen ein Leben lang), müssen sie sich von Zeit zu Zeit häuten, denn die Haut wächst nicht mit. Die alte Haut – das sogenannte Schlangen- oder Natternhemd – wird abgestreift, sobald sich darunter eine neue gebildet hat. Ringelnattern werden erst mit drei bis fünf Jahren geschlechtsreif und können ein Alter von mehr als zehn Jahren erreichen.

Stinken statt beißen

Ringelnatter-BabyGenau wie andere Schlangen ist auch die Ringelnatter sehr scheu. Dies ist nicht verwunderlich, denn sie besitzt zahlreiche Feinde: Greifvögel, Reiher, Marder und Füchse zum Beispiel. Bei Gefahr flüchtet sie daher rasch. Wenn sie bedrängt wird, macht sie sich so groß wie möglich. Sogar der Kopf verformt sich, wird ganz flach und dreieckig und ähnelt dann dem einer giftigen Viper. Die Schlange täuscht einen Angriff mit Kopfstößen und Scheinbissen vor. Dazu gibt sie pfeifend-zischende Laute von sich. Bei noch größerem Stress – etwa wenn man eine Ringelnatter ergreift – sondert sie ein weißliches, sehr übelriechendes Sekret aus ihren Analdrüsen ab. Dieses lässt sich nur schlecht abwaschen und haftet lange an Haut und Kleidung. Oft zeigt die Schlange auch eine als „Ringeln“ bezeichnete Verhaltensweise: Sie rollt sich zusammen und versteckt den Kopf unter den Körperschlingen. Im Extremfall stellt sich die Ringelnatter tot. Dann dreht sie sich auf den Rücken und erschlafft, das Maul ist geöffnet und die Zunge hängt heraus. Bei diesem „Totstellreflex“ kann bisweilen sogar etwas Blut aus dem Maul austreten. Nur in äußerst seltenen Fällen beißt eine Ringelnatter. Dennoch haben viele Menschen große Angst vor den Tieren. Immer noch werden Ringelnattern getötet, weil Menschen sie für gefährlich halten. In Wahrheit jedoch sind Ringelnatter vollkommen harmlos und – wie übrigens alle anderen heimischen Nattern – ungiftig!

Gefährdung und Schutz

Die Bestände der Ringelnatter haben in letzter Zeit massive Einbußen erlitten. Der Hauptgrund dafür ist der Verlust von geeigneten Lebensräumen. Vor allem der dramatische Rückgang amphibienreicher Gewässer, an denen die Schlange ihre Nahrung findet, ist für die Ringelnatter problematisch. Außerdem leiden die Schlangen unter der Ausweitung landwirtschaftlich genutzter Flächen, unter der zunehmenden Industrialisierung und Verbauung der Landschaft. Auch der massive Rückgang der Amphibien-Populationen durch Gewässerverschmutzung und den Einsatz von Pestiziden macht den Ringelnattern zu schaffen. Denn mit den Fröschen, Kröten und Molchen verlieren die Schlangen ihre Nahrungsgrundlage. Zudem sterben viele Ringelnattern im Straßenverkehr oder fallen Hauskatzen zum Opfer. Um die Ringelnatter zu schützen, ist der Erhalt bzw. die Renaturierung vorhandener Feuchtgebiete ein wichtiger Schritt. Auch durch die Neuanlage von Feuchtgebieten, durch die Schaffung einer vielfältigen, strukturreichen Landschaft und durch eine Vernetzung von Lebensräumen kann dem Rückgang der Ringelnatter-Populationen Einhalt geboten werden.

Text: Dr. Andrea Benedetter-Herramhof

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