Frau Ava

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Frauenportrait #21

Frau Ava



Frau Ava Literaturpreis
www.frauavapreis.at

Die erste namentlich bekannte Dichterin in deutscher Sprache war eine Niederösterreicherin. Ihr Name ist erst seit etwa 150 Jahren bekannt. Sie verfasste fromme Dichtungen und nennt sich selbst am Schluss eines ihrer Gedichte, des „Jüngsten Gerichts“:
Diese Bücher dichtet die Mutter zweier Kinder, die deuteten ihr diesen Sinn. Viel Freude war unter ihnen. Die Mutter liebte die Kinder. Der eine schied von der Welt. Nun bitte ich euch alle, Arme und Reiche, wer auch immer diese Bücher lese, dass er seiner Seele Gnade wünsche für den einen, der noch lebt und sich auf verschiedenste Weise müht, dem wünscht Gnade und (auch) der Mutter, das ist Ava.“
Aus dem Gedicht erfährt man, dass sie von ihren zwei Söhnen theologische Belehrung erhielt und einer von ihnen bereits gestorben sei. Sonst ist allerdings nur wenig über sie bekannt.
Die Melker Annalen vermerken zum Jahr 1127 den Tod einer Inkluse Ava. Name und Todestag finden sich auch in den Klöstern Garsten, Klosterneuburg, St. Lambrecht und Zwettl verzeichnet, was darauf schließen lässt, dass diese Inkluse Ava eine bekannte Persönlichkeit war und ihr Wirken im Raum Niederösterreich anzusiedeln ist, möglicherweise in der Umgebung Melks. Mit hoher Wahrscheinlichkeit sind die Autorin der Dichtungen und die offenbar bekannte Inklusin ein und dieselbe Person, die, wie sich aus den biografischen Angaben der Dichterin ergibt, einst ein weltliches Leben geführt  und sich später ins Kloster zurückgezogen hat.
Inklusen waren fromme Frauen, die ihre Zellen in unmittelbarer Nähe kirchlicher Institutionen errichteten, angebaut an Pfarr- und Klosterkirchen und oft mit diesen durch ein Fenster verbunden, um der Liturgie zu folgen. Inklusen haben sich zur Zeit Avas auch bücherschreibend betätigt, möglicherweise lehrten sie sogar. Es war zudem keine Seltenheit, dass sich Frauen erst im höheren Alter einem Kloster als Inkluse anschlossen.
Nach einer wohl erst im 19. Jahrhundert entstandenen Tradition stand Ava in enger Beziehung zu Göttweig. Einer ihrer Söhne soll mit Hartmann, dem ersten Abt Göttweigs (1094-1114) ident gewesen sein, was allerdings bislang nicht bewiesen werden konnte. Auch das so genannte „Ava-Haus“ in Kleinwien (Avastraße 7), heute nicht mehr im Besitz des Stiftes Göttweig, in dem sie gelebt haben soll, und der steinerne „Ava-Turm“, in dem sie angeblich starb, entstammen wohl eher einer romantischen Tradition.

Institut für Realienkunde
Ava verfasste Bibeldichtung: Sie beginnt ihren Gedichtzyklus dem Kirchenjahr folgend mit „Johannes“, der Geschichte des Täufers von der Geburt bis zur Enthauptung, gefolgt vom „Leben Jesu“ von der Geburt bis zur Passion, Auferstehung und Himmelfahrt , wobei neben den biblischen Berichten auch zeitgenössische Gedanken der Alltagsreligiosität Niederschlag fanden. Der das „Leben Jesu“ abschließende Teil nennt sich „Die sieben Gaben des Heiligen Geistes“ und setzt, ausgehend vom Pfingstgeschehen, diese sieben Gaben mit den sieben Seligpreisungen in Verbindung. Mitunter wird dieses Gedicht auch als eigenes ausgewiesen. Im „Antichrist“ schildert Ava die Zukunftsvision von der Herrschaft des Antichristen, mit der Wiederkunft Christi und dem Weltgericht im „Jüngsten Gericht“ schließt ihr Werk, das insgesamt 3.400 Verse umfasst.
Der Inhalt ihrer Dichtungen zeigt sie als welterfahrene Frau, die versucht, dem Laienpublikum geistliche Lebensorientierung zu vermitteln. Die Vorstellungen von einem gottgefälligen Leben, die sie den Leserinnen und Lesern nahe zu bringen versucht, sind voller realitätsbezogener Anspielungen, wirken lebensnah und zeigen die Dichterin als Frau, die Stärken und Schwächen ihrer Mitmenschen richtig einzuschätzen wusste.

Avaturm, Foto: E. Vavra
Die Erinnerung an die erste deutsche Dichterin ist bis heute sehr lebendig geblieben. Die „Frau Ava Gesellschaft für Literatur“ mit dem Sitz in Paudorf bei Göttweig hat sich zum Ziel gesetzt, die Erforschung ihres Werkes weiter zu fördern. In Erinnerung an sie wurde ein „Frau Ava Literaturpreis“ (www.frauavapreis.at) ausgeschrieben, der seit 2003 an Schriftstellerinnen vergeben wird, die sich in einem Prosatext auf neuartige und innovative Weise in Sprache und Form mit Themen im Spannungsfeld von Spiritualität, Religion und Politik auseinander setzen. Den Preisträgerinnen wird eine vom Paudorfer Künstler Leo Pfisterer entworfene Ava-Statuette sowie ein Geldpreis verliehen. Die Preisträgerinnen bis heute waren 2003 Irma Krauß („Der Verdiener“), 2005 Elisabeth Ebenberger („Reigen unseliger Geister“), 2007 Karin Bruder („Servus“), 2009 Marjana Gaponenko („rosa canina“), 2011 Ruth Johanna Benrath („Wimpern aus Gras“) und 2013 Corinna Antelmann („Maja hasst Bienen“).

Text: Dr. Elisabeth Vavra

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