Leopold Figl 2 / 2

© Privatbesitz

Erinnerungen an Leopold Figl

Anlässlich der Ausstellung „Figl von Österreich“, 19. April bis 26. Oktober 2015

verfasst vom Zeit- und Augenzeugen Ivo Fischer



Der passionierte Jäger, Foto: Privatbesitz
Figl  war gewohnt, einen typischen Bauernhut zu tragen, der leicht ins Genick geschoben war.

Das war aber bei den offiziellen Gängen vom Bundeskanzleramt zur Hofburg über den Ballhausplatz, kein geeignetes Kleidungsstück. Daher wurde ich beauftragt, dem Kanzler eine standesgemäße Kopfbedeckung schmackhaft zu machen. Das war ein Homburg-Hut, wie ihn z.B. Raab besaß und ich ihn schon als 15-Jähriger immer gerne getragen hatte. Dieser Hut mit seinem Seidenrand musste zwei Querfinger über der rechten Augenbraue in das Gesicht heruntergezogen werden und innen mit einem weißen Seidenfutter ausgestattet sein. Wenn der Homburg in der linken Hand getragen wurde, dann hatten die dazu passenden Handschuhe an der Hutkrempe getragen, mit den Fingern nach vorne zu sehen und beim Gehen so weit nach vorne geschwungen zu werden, dass bei jedem Schritt das weiße Seidenfutter vor dem linken Oberschenkel aufblitzte. Figl hörte sich meine Erklärungen wortlos an und schluckte trocken, erlaubte mir aber, bei der Fa. Habig am Beginn des 3.Wiener Gemeindebezirks, einen Probiertermin zu vereinbaren. Vor dem großen Geschäft, mit Poidl und mir vorgefahren, wurde der Herr Bundeskanzler vom alten Herrn Habig vor den drei Schaufenstern voller Hüte persönlich begrüßt und im Laden bei der Auswahl eines Homburg eigenhändig bedient. Als endlich eine Größe und eine dunkle Farbe passte, fuhren wir gleich in Figls Haus zurück, wo ich mit ihm das Aufsetzen, das Tragen, Abnehmen und Schwingen  eines Homburg einüben musste. Nach mehrmaligem Hin- und Hergehen in Figls kleinem Vorraum vor der Bauernstube, hatte er genug davon, ließ sich aber dann doch noch zu einigen weiteren Verbesserungen bewegen.
 


Die berühmte Bauernstube, 1952,
Foto: Privatbesitz
In diesem Vorraum stand eine hölzerne Kredenz, in deren linker unterer Ecke vier Gästebücher gestapelt lagen, in welche sich besondere Persönlichkeiten, meistens mit einem Kommentar, eingetragen hatten. Wenn aber eine dieser Persönlichkeiten die zuvor eingetragene nicht mochte, dann wurde dazwischen ein unbeschriebenes Blatt frei gelassen. Einige Male, kurz vor meinem Abschied, um von Poidl zum Bahnhof gefahren zu werden, forderte Figl mich auf, solche leeren Seiten mit einem kleinen Gedicht zu füllen, was ich dann innerhalb weniger Minuten zu machen hatte.

Als ich vor einigen Jahren von Figls Sohn Johannes die Erlaubnis erhielt, meine Gedichte aus den Gästebüchern herauskopieren zu dürfen, waren diese Gästebücher nicht mehr vorhanden. Sie wurden, wie alles, was Figl an persönlichen Dingen gehört hatte, als Erinnerungsstücke von der Familie verkauft. Auch im Figl-Museum in Rust finden sich nur Tausende von Fotografien, jedoch nicht ein einziges persönliches Gebrauchs- oder Kleidungs-Stück des unvergesslichen und unerschrockenen Bundeskanzlers.


Titelseite des zweiten Gästebuchs
Foto: Peter Boettcher
Figls Mutter, eine einfache und liebe Frau, die wir in der damaligen Russischen Zone mit Dienstwagen und Poidl einige Male besuchten, erzählte mir, als ich die gerade frisch renovierte und gut erhaltene Kirche bewunderte, dass die Russen alle, auch die schon vor dem Krieg dafür bereitgestellten, Baumaterialien requiriert und abtransportiert hätten, ihr Sohn Leopold aber nachts ganz einfach mit ein paar Flaschen Wein zum Russischen Bau-Depot gefahren sei und die Zementsäcke für die Kirchenrenovierung wieder an sich genommen und zurückgebracht hätte.
Leopold Figl mit Mutter Josefa, geb. Edhofer
in der Wohnung in der Peter-Jordan-Straße,
Foto: Privatbesitz
Manchmal war ein nachmittäglicher Besuch Figls bei Julius Raab angesagt, was als eine besondere Angelegenheit galt, denn bei “Onkel Julius” war in dessen Haus und Wohnung Vieles anders als in Leopold Figls rustikalem Bauernhaus. Bei Raabs waren gestickte Gardinen und schwere Plüschvorhänge an und um die Fenster drapiert, an den Kastenschlüsseln hingen kleine Quasten und alles war halt auf “ganz fein” eingerichtet. Die Besuchsdauer durfte ich durch Hinweise auf weitere Verpflichtungen des Bundeskanzlers begrenzen.

Als der gepanzerte und daher tief und schwer auf den Straßen liegende und durch laufende Polizeifunk-Standort-Mitteilungen gesicherte Bundeskanzlerwagen, durch den zerbombten Westbahnhof endlich auf den Bahnsteig des Schnellzuges nach Innsbruck gefahren war, standen dort der Stationsvorstand, der Lockführer und der Zugschaffner in einer Linie in “Habt-Acht”-Stellung bereit, um die dann aussteigende hohe Persönlichkeit vor der Zugabfahrt entsprechend ehrerbietig zu begrüßen und für eine entsprechende Sitzmöglichkeit zu sorgen. Als dann nur ich in meinem Gromby-Mantel ausstieg und aus beiden Manteltaschen Weinhälse neben Zigarettenpackungen herauslugten, die mir Figl beim Abschied noch rasch zugesteckt hatte, drehten sich die drei Bahnbediensteten auf ihren Absätzen um und gaben das Abfahrtsignal nach meinem Einstieg.

Bei einem CV-Studentenball im Musikvereinssaal rief Figl aus der Loge-1 rechts oben, zu mir auf dem Parkett tanzend, ganz laut herunter: “Ivo, komm herauf!”. Als ich dort eintraf, waren gerade die Rektoren der Wiener Universitäten bei Figl, um ihre Honneurs zu machen. Mit Weingläsern in den Händen, sagte Figl in diese kleine Runde, dass wir nun auf das Wohl des “Größten” unter uns, den 196 cm langen Medizinstudenten Ivo Fischer, anstoßen und trinken sollen. Das geschah dann auch mit den süß-sauren Mienen der hohen Gäste. Dieses Verhalten war ganz echt für Leopold Figl, der gerne mit Menschen aller Schichten beisammen war.

Text: Medizinalrat Univ.Prof. Dr. IVO FRITHJOF FISCHER
Gerichtlich beeidet und zertifizierter Sachverständiger
Facharzt für Frauenheilkunde und Geburtshilfe
Chefarzt i.R. Gemeinn. Krankenhaus Mehrerau
Fellowship International College of Surgeons

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