Die letzten Tage: Mai 1945

© Museumsverein, Waidhofen an der Ybbs (Volksgasmaske)

Kriegsschauplatz NÖ 10 / 10

Die letzten Tage: 2. Mai 1945 – 8. Mai 1945

Mittwoch, 2. Mai 1945

Im Westen Österreichs rückten französische und amerikanische Truppeneinheiten weiter vor. Die französische 5. Panzerdivision nahm ohne Widerstand Dornbirn und Lustenau ein. Auf wenig Widerstand stießen die amerikanischen Truppen im Bregenzerwald.
Heftige Kämpfe gab es dagegen am Fernpass; hier versuchte die 47. Jägerdivision der 44. US-Infanteriedivision den Zugang ins Inntal zu versperren. Am späten Nachmittag brach ihr Widerstand.

An der Ostfront verlief der Tag relativ ruhig. Gefechte gab es nur im Gebiet des Wechsels. Hier versuchte das Gebirgsjägerregiment 99 noch immer das Vordringen der Roten Armee in die Steiermark zu verhindern.
Das Oberkommando der Wehrmachte berichtete abends: „Aus dem Raum Füssen vorgehende amerikanische Kräfte wurden östlich Garmisch-Partenkirchen und bei Lermoos abgeschnitten. Zwischen Mur und Donau in der Ostmark hielt auch gestern die Kampfpause an.“

Donnerstag, 3. Mai 1945

Schon am Vortag hatte es heftig geregnet. In der Nacht hatte sich unter den Regen Schnee gemischt. Die Wolken hingen tief in die Täler hinein.
In Vorarlberg ging der Vormarsch der französischen Einheiten weiter; knapp nach Mittag nahmen sie Feldkirch ein. Der Widerstand war gering. Hinderlich waren nur die zahlreichen gesprengten Brücken, die Umwege nötig machten. In Tirol drangen amerikanische Truppen über den Zirler Berg in das Inntal vor. Eine beabsichtigte Falschmeldung im Rundfunk ermöglichte eine kampflose Einnahme Innsbrucks: Die Widerstandsbewegung hatte um 17 Uhr bekanntgegeben, dass ein Waffenstillstand in Kraft getreten war. An der Ostfront herrschte Ruhe. Die „Österreichische Zeitung“ – die „Frontzeitung“ der 3. Ukrainischen Front der Roten Armee berichtete in ihrer in Wien erscheinenden Ausgabe: „Die 1. französische Armee ist nach der Einnahme von Friedrichshafen und Lindau nach Österreich vorgestoßen und hat Bregenz erobert.“

Freitag, 4. Mai 1945

Abb. 2: Waidhofen an der Ybbs in den letzten Kriegstagen.
Waidhofen an der Ybbs, Stadtarchiv

Das wichtigste Ereignis dieses Tages war wohl die kampflose Übergabe Salzburgs. Noch in der Nacht zuvor hatte Oberst Hans Lepperdinger den Befehl erhalten, Salzburg unter allen Umständen zu verteidigen. Die Lage in der Stadt war katastrophal. Die Stadt war von Flüchtlingen und Verwundeten überfüllt. Am Morgen hatte das in der Kaserne Glasenbach lagernde SS-Bataillon den Befehl erhalten sich hinter den Pass Lueg zurückzuziehen.
Um 6 Uhr verlautbarte Lepperdinger über den Rundfunk: „Mein ganzes Bestreben ging dahin, alle zuständigen Stellen von der Sinnlosigkeit einer Verteidigung der Stadt zu überzeugen Gestern Abend übernahm General von Borgkh den Befehl über meinen Abschnitt und befahl mir, Salzburg zu halten. Dieser Befehl stellt einen Wahnsinn dar, wie ihn nur militärische Unfähigkeit und menschliche Verantwortungslosigkeit gebären können. Ich habe mich daher entschlossen, diesen Befehl, an dem mich seit dem Tode des Führers kein Eid mehr bindet, nicht auszuführen. Ich erkläre die letzte deutsche freie Stadt zur offenen Stadt und biete den Amerikanern die Übergabe an.“

In Oberösterreich ging der Vormarsch der amerikanischen Truppen langsam voran. Sie rückten über Lambach und Fischlham Richtung Linz weiter vor. Wels und Vöcklabruck ergaben sich kampflos. In Niederösterreich gab es nur vereinzelte Kämpfe. In Enns meuterten die Soldaten, legten die Waffen nieder und traten für ein freies Österreich ein. Auch Zug- und Gruppenführer des nun schon seit Wochen am Wechsel liegenden Gebirgsjägerregiments 99 verließen ihre Einheit.   
 

In den letzten Wochen hatte der Wehrmachtsbericht immer erst zeitverzögert Niederlagen eingestanden gegeben. Der Bericht vom 4. Mai schilderte diesmal die Ereignisse zeitnah: „In Süddeutschland erzielten die Anglo-Amerikaner weitere Fortschritte. Entlang der Autobahn von München nach Osten vorgehend, besetzten sie Salzburg und drangen weiter in den Raum von Innsbruck vor. Innsbruck ging verloren. Zwischen Rosenheim und Passau erreichte der Gegner auf breiter Front den Inn, nahm Braunau und, von dort nach Osten vorstoßend, Ried und Wels. Südlich Linz wurde der Feind zum Stehen gebracht, nachdem er seine Spitzen weiter in den Raum Oberdonau vorgetrieben hatte.“ 

Samstag, 5. Mai 1945

Abb. 3: Reste der Geschütze zur Verteidigung 1945.
Waidhofen an der Ybbs, Museumsverein
Die Lage war verworren. Gerüchte über einen Waffenstillstand kursierten, wurden aber von offizieller Seite nicht bestätigt. Vom Westen drangen französische Truppen weiter Richtung Arlberg vor. Im Inntal stießen amerikanische Truppen immer wieder auf Widerstand. Um Linz wurde heftig gekämpft. Südlich der Donau erreichte das 20. US-Korps kampflos Enns. Aufklärungseinheiten drangen bis Steyr vor. Nördlich der Donau leisteten SS-Einheiten noch Widerstand. Vorrückenden Truppen der 11. US-Panzerdivision der 3. US-Armee erreichten Mauthausen; der Delegierte des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz, Louis Haefliger, der sich seit wenigen Tagen in Mauthausen aufhielt, führte zwei amerikanische Panzerspähwagen ins Lager. Diese fuhren nach wenigen Stunden aber wieder ab. Erst am 7. Mai wurde das Lager von der 11. Panzerdivision der 3. US-Armee unter dem Kommando des Colonel Seibel übernommen und endgültig befreit.
Heinz von Gyldenfeld, Generalstabschef der Heeresgruppe Süd, vermerkte an diesem Tag in sein Tagebuch: „Nachdem der Amerikaner in unserem Rücken bis an die Enns und nördlich der Donau zur Brücke von Mauthausen – also dicht vor unsere Tür – gekommen ist, machen wir mit dem Oberkommando wieder Stellungswechsel Richtung Osten und ziehen nach Waidhofen a. d. Ybbs in das Rothschild Chateau um.“

Sonntag, 6. Mai 1945

In Vorarlberg rückten die französischen Truppen weiter vor, ohne auf Widerstand zu stoßen; auch in Tirol schwiegen endlich die Waffen. Anders an der Enns. Hier leistete bei Ennsdorf eine deutsche Flak-Batterie noch immer heftigen Widerstand. Auch nördlich der Donau bei Grein konnte die 3. SS-Panzerdivision das Vordringen der 11. US-Panzerdivision noch eine Zeit lang verhindern.

Aufklärungseinheiten des 20. Korps drangen bis Waidhofen an der Ybbs vor. Dort lagerte zwar noch der Gefechtsstand der Heeresgruppe Süd: Gyldenfeld ließ aber kampflos die Panzersperren öffnen und begann mit Verhandlungen.

In der „Österreichischen Zeitung“ fand sich folgender Lagebericht: „Im Süden ist die Wehrmacht in einem unbeschreiblichen Zustand der Auflösung. Alle deutschen Truppen haben, ebenso wie die italienisch-faschistischen Verbände, in Norditalien und Westösterreich kapituliert. Die Feindseligkeiten wurden eingestellt. Am Inn stoßen Alliierte auf einer 100 km breiten Front vor. Linz liegt schon im Bereich amerikanischer Geschütze. In Salzburg ist die Macht der Nazi gebrochen, die Stadtbesatzung hat sich ergeben. In Feldkirch sind französische Truppen eingedrungen. Linz ist von drei Seiten umfaßt und steht unter Artilleriefeuer, nachdem die Besatzung eine Kapitulation ablehnte.“  

Montag, 7. Mai 1945

Nachts um 2 Uhr 41 unterzeichnete Generaloberst Alfred Jodl im Hauptquartier von General Dwight D. Eisenhower die bedingungslose Kapitulation der deutschen Wehrmacht. Der Waffenstillstand sollte am 9. Mai, eine Stunde nach Mitternacht in Kraft treten. Ab 7. Mai 8 Uhr waren die Kampfhandlungen gegen die Amerikaner einzustellen.
Abb. 4: Wegweiser nach Gresten.
Waidhofen an der Ybbs, Museumsverein
Zu diesem Zeitpunkt waren nur Teile Österreichs von alliierten Truppen besetzt. Kärnten, Osttirol, Salzburg-Land, fast die ganze Steiermark und das westliche Niederösterreich wurden noch von der Deutschen Wehrmacht gehalten. Diese versuchte sich nun Richtung Westen abzusetzen, um so der sowjetischen Gefangenschaft zu entkommen. So rückte die 6. SS-Panzerarmee in der Nacht Richtung Enns ab. Schwieriger war die Situation für die 8. Armee nördlich der Donau, da die Einheiten der Roten Armee mit Argusaugen jede Feindbewegung beobachteten. Mit Tieffliegern überwachten sie die Straßen.
Das Oberkommando der Wehrmacht berichtete: „Im Südabschnitt der Ostfront beschränkten sich die Sowjets auch gestern auf vereinzelte Aufklärungsvorstöße.“

Dienstag, 8. Mai 1945

In den frühen Morgenstunden feuerte die sowjetische Artillerie Flugblattgranaten auf die letzten deutschen Stellungen von Radkersburg bis zur Thaya: General Tolbuchin informierte damit über die am 7. Mai 1945 in Reims unterzeichnete Kapitulation der Deutschen Wehrmacht und forderte die Generäle, Offiziere und Soldaten der Deutschen Wehrmacht am Südabschnitt der Ostfront zur bedingungslosen Kapitulation auf:

Ich stelle anheim:
1.      Allen deutschen Verbänden und Einheiten, geführt von ihren Generalen und Offizieren, am 8. Mai 1945 um 23:00 die Kampfhandlungen einzustellen und organisiert die Waffen zu strecken.
2.      Den Generalen und Offizieren am 9. Mai von Morgendämmerung und bis 9 Uhr früh mitteleuropäischer Zeit an die russischen vorderen Linien Offiziere mit weißer Flagge zu schicken, um Anordnungen zur Übergabe der Waffen und zur Gefangengabe der Truppen entgegenzunehmen.
3.      Sämtliche Waffen, Transportmittel, Nachrichtengeräte, Kriegsgut und Lebensmittel müssen den Vertretern des Kommandos der Roten Armee vollkommen unversehrt übergeben werden.
4.      Allen, die die Waffen strecken und sich gefangen geben, wird gemäß den völkerrechtlichen Bestimmungen über Kriegsgefangene Leben, Uniform, Auszeichnungen, persönliches Eigentum, regelmäßige Verpflegung, ärztliche Betreuung und Unterbringung in den Kriegsgefangenenlagern bis zum Zeitpunkt der Heimkehr garantiert.“
Abb. 5: Wegweiser nach Krems. Langenlois, Heimatmuseum
Aber nicht alle deutsche Truppenteile an der Ostfront gelangten in den Besitz dieser Flugblätter. Denn viele hatten bereits mit dem Rückzug Richtung Westen in den frühen Morgenstunden begonnen. Noch einmal kam es auch auf niederösterreichischem Boden zu schweren Gefechten, die vor allem von der 6. SS-Panzerarmee angezettelt wurden. Um Rohr in Gebirge sprengten sie alle Brücken. Im Bezirk Lilienfeld lagen Orte wie Türnitz, St. Aegyd am Neuwald, Annaberg und Hohenberg unter Artilleriebeschuss. Der Bezirk St. Pölten erlebte noch einmal Tieffliegerangriffe.
Auch nördlich der Donau flackerten immer wieder Gefechte auf. Dabei kam es auch zu schwerwiegenden Missverständnissen zwischen den Alliierten: Bei Aggsbach Markt lieferten sich US-Panzer und Sowjets irrtümlich ein Feuergefecht. In Krems sprengten deutsche Truppen die Donaubrücken und überließen die Stadt kampflos der Roten Armee. Noch der letzte Tag des Krieges forderte seine Opfer unter der Zivilbevölkerung: in Fels am Wagram starben sieben Zivilisten während eines Fliegerangriffs; in Rohrendorf kamen zwölf im Artilleriefeuer ums Leben. Die Lage im Weinviertel gestaltete sich nicht viel anders. Die restlichen Truppenteile der Deutschen Wehrmacht sprengten nahezu jede Brücke, um ihren Rückzug abzusichern. 

Im Westen Niederösterreichs stießen amerikanische Truppen vor. Amstetten wurde um 13 Uhr von der deutschen Wehrmacht geräumt; die ersten amerikanischen Jeeps standen schon auf dem Hauptplatz, da bombardierten sowjetische Flieger die Stadt. Auch Haag erreichte die US-Armee noch vor den Sowjets.
In der Nacht vom 8. auf den 9. Mai trafen sich in Erlauf der sowjetische General Dmitri Dritschkin und der US-amerikanische General Stanley Reinhart und feierten gemeinsam den Waffenstillstand. Im Haus des Bürgermeisters legten sie die zukünftige Demarkationslinie fest, die entlang der Enns verlaufen sollte.

Text: Prof. Dr. Elisabeth Vavra, Kuratorin und Wissenschaftliche Leiterin Geschichte
Verwendete Literatur: Theo Rossiwall, Die letzten Tage. Die militärische Besetzung Österreichs 1945. Wien 1969.

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