Au und Autümpel

© NÖ Museum Betriebs GmbH, Foto: Monika Schaar-Willomitzer

Was gehört eigentlich alles zu einem Fluss? Wo fängt er an, wo hört er auf?
Auf diese Frage würden wohl die meisten antworten, dass ein Fluss aus einem wassergefüllten Flussbett und seinem Ufer besteht und dass er an seiner Quelle beginnt und bei der Mündung endet. Das ist zwar nicht falsch und es handelt sich hierbei auch um sehr wichtige Elemente dieses Lebensraumes, aber zu einem funktionierenden Fluss gehört noch vieles mehr! Ein wesentlicher Bestandteil eines naturbelassenen Flusses ist eine intakte Au.

Donaubecken Landesmuseum,
Foto: H. Lackinger


Flüsse haben die Aufgabe, Niederschläge abzutransportieren und letztlich dem Meer zurückzugeben. Damit schließt sich der ewige Kreislauf des Wassers. Je nach Niederschlagsmenge führt ein Fließgewässer unterschiedlich viel Wasser und benötigt demnach auch einmal mehr und einmal weniger Platz um es abzutransportieren. Diesen Platz bietet ihm im Idealfall ein weitläufiges Augebiet, welches es an seinen Ufern begleitet und durch den Wechsel von Überflutung und Trockenfall gekennzeichnet ist.

Auen sind wichtige, artenreiche und fruchtbare Gebiete, die ebenfalls zum Lebensraum Fluss gezählt werden müssen. Hierhin kann sich der Fluss bei hohen Wasserständen ausdehnen. Der schwammartige Boden hält viel Wasser zurück und verhindert somit große, zerstörerische Hochwasserwellen. Auch wird das Wasser hier gefiltert, was die Au zu einem wichtigen Bestandteil der Selbstreinigungskraft eines Fließgewässers macht. Landläufig heißt es ja, verschmutztes Wasser müsse lediglich über sieben Steine laufen, um wieder sauber zu werden. Ganz so einfach ist es nicht, aber durch eine anständige „Aubodenfiltration“ kann schon einiges im Punkto Wasserqualität erreicht werden.


Autümpel im Landesmuseum, Foto: A. Giesswein
Viele speziell an wechselnde Bedingungen in einer Au angepasste Pflanzen und Tiere finden in der Au perfekte Bedingungen. Diese besteht in der Regel nicht nur aus Wald und dazwischen eingestreuten Feuchtwiesen, sondern sie beherbergt auch eine Reihe flussbegleitender Gewässer. Es wird zwischen einigen verschiedenen Arten von Augewässern unterschieden. Die meisten der stehenden Gewässer in einer Au entstehen dadurch, dass ein Stück des Flusses, eine Flussschlinge oder Ähnliches, durch das Anhäufen von Material wie Äste, Schlamm und Steine, vom Hauptfluss abgeschnitten wird. Oder es wird eine Flussschlinge vom Fluss durchbrochen und somit der Lauf verändert. Der ehemalige Mäander bleibt als Altwasser zurück. Diese Gewässer führen in der Regel ganzjährig Wasser und sind wichtige Habitate für viele Insekten, Fische und Wasservögel.
Neben diesen Augewässern gibt es noch verschiedene Kleingewässer, die dem Namen Tümpel alle Ehre machen. Sie führen wie es der Definition eines Tümpels entspricht, nur zeitweise, bedingt durch Überschwemmungen oder hohe Grundwasserstände, Wasser. Durch diese stark wechselnden Bedingungen werden an die Tiere und Pflanzen in diesen Gewässern ganz besondere Anforderungen gestellt.
Tümpel sind meist nur wenige Dezimeter tief und lediglich ein paar Wochen, höchstens einige Monate im Jahr mit Wasser gefüllt. In der übrigen Zeit erinnert für gewöhnlich nur eine getrocknete, rissige Schlammfläche an ihre flüchtige Existenz. Echte Wasserpflanzen sucht man hier meist vergeblich. Findet man am Grund eines Tümpels etwas Grünes, so sind es größtenteils Landpflanzen, welche kurze Überschwemmungsphasen aushalten können.

Aquarium Landesmuseum, Foto: H. Lackinger

Diese kurzlebigen Kleingewässer beherbergen eine eigentümliche Tiergesellschaft. Neben verschiedenen Einzellern, Insektenlarven und anderen Klein- und Kleinstorganismen sind vor allem unterschiedliche Arten von niederen Krebsen typisch für solche Lebensräume. Sie überstehen die Trockenperioden in Form sogenannter Dauereier, die oft mehrere Jahre, Jahrzehnte oder sogar Jahrhunderte im Trockenen überleben können. Sobald sie mit Wasser in Berührung kommen wird ihre Entwicklung fortgesetzt und nach wenigen Tagen schlüpft eine neue Generation Krebse.
Im Bereich der March- und Thayaauen gibt es einige Tümpel, die dafür berühmt geworden sind, dass sie sogenannte Urzeitkrebse beheimaten. Diese Tiere gibt es seit etwa 280 Mio. Jahren. Sie sind schon in Tümpeln geschwommen, lange bevor die ersten Dinosaurier daraus getrunken haben. Auch diese urtümlichen Tiere verfolgen bis heute sehr erfolgreich die Strategie der Dauereier, um in ihren vergänglichen Lebensräumen zu bestehen. Besonders gut kann man die kleinen Lebewesen bei der "Tümpelwiese" beim Marchegger Pulverturm und in den "Langen Lüssen" bei Marchegg-Bahnhof beobachten.
 

Gelbbauchunke, Foto: M. Schaar
Auch die Gelbbauchunke laicht bevorzugt in nur zeitweise wasserführenden Gewässern. Ihre Larven wachsen unter der ständigen Gefahr auf, ihre Entwicklung zur erwachsenen Unke nicht rechtzeitig vor der Austrocknung des Tümpels vollenden zu können. Entspannter haben es da schon die Gelbbauchunken im Landesmuseum. Ihr „Tümpel“ trocknet niemals aus, dafür sorgen die Tierpflegerinnen.
 

Mittellaufbecken, Foto: M. Schaar
Ein kleiner Tipp (nicht nur zum Valentinstag): Kommen Sie ins Landesmuseum und Schauen sie einer Unke tief in die Augen. Sie wird Sie mit Herzen in den Augen ansehen. Die für Unken typischen herzförmigen Pupillen machen das möglich.

Wie man sieht, ist ein natürlicher Fluss alles andere als ein starrer, lebloser Kanal zu dem wir ihn oft machen. Er bewegt sich, schlängelt sich und spaltet sich in unzählige Arme auf, um sich später wieder zu vereinigen. Es kann passieren, dass man an eine bestimmte altbekannte Stelle am Fluss gehen möchte, doch der Fluss ist wie von Geisterhand verschwunden. Dafür ist in einiger Entfernung wie aus dem Nichts ein Flussbett entstanden, wo nie zuvor eines gewesen ist.

Leider findet man intakte Augebiete mit ihren unterschiedlichen Lebensräumen nur noch in wenigen Flusstälern. Die Mehrzahl der Flussläufe wurde mehr oder weniger stark von Menschenhand verändert. Viele Flussläufe wurden durch Begradigungen stark verkürzt, wodurch sich die Fließgeschwindigkeit und Erosionskraft des Wassers erhöht. Diese Flüsse graben sich immer tiefer in ihr Bett ein, wodurch in weiterer Folge auch der Grundwasserspiegel im Umland sinkt. Aus einstigen, fruchtbaren Auböden werden Trockengebiete, in denen Landwirtschaft nur noch durch künstliche Bewässerung möglich ist. An einen von Leben pulsierenden Autümpel ist hier gar nicht mehr zu denken. Durch den schnellen Abtransport des Wassers kommt es bei Starkregen zu besonders großen Hochwasserwellen. Daraus folgt, dass die Hochwassergefahr an den meisten ausgebauten Flüssen heute deutlich größer ist als nach dem Flussausbau. Davor konnten sich die Gewässer noch in ihre Auen ergießen ohne Schaden anzurichten.
Im Hochwasserschutz muss wieder zu den ökologischen Grundfunktionen des Flusses und seiner Au zurückgefunden werden. Diese vielerorts, wie z.B. im unteren Abschnitt der Traisen, schon in die Tat umgesetzten Renaturierungsmaßnahmen werden uns nicht nur vor Naturkatastrophen bewahren, sondern auch besondere Lebensräume wie Autümpel zurückbringen.
Flüsse sind die Lebensadern unseres Planeten, zwängen wir sie nicht in ein Korsett, sondern lassen wir sie sich entfalten wo immer es geht! Es ist nicht zuletzt zu unserem eigenen Nutzen.

Einige Links: 

http://naturschutzbund.at/auen/auen.html
http://www.bundesforste.at/index.php?id=447
http://www.naturland-noe.at/naturschutzgebiet-untere-marchauen
http://marthaforum.twoday.net/stories/5521960/
http://www.lebensministerium.at/umwelt/natur-artenschutz/life-natur/life-projekte_aktuell/traisen.html
http://www.lebensministerium.at/umwelt/natur-artenschutz/feuchtgebiete/ramsar/donaumarchauen.html
http://www.donauauen.at/?area=nature&subarea=habitats
http://www.naturland-noe.at/life-projekt-renaturierung-untere-marchauen
http://www.youtube.com/watch?v=D9TjqRjdolI
http://www.marchthayaauen.at/index.php?option=com_content&view=article&id=67:welt-der-urzeitkrebse-&catid=27

Text: Mag. Elisabeth Holovsky

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