Traditionelle Kräuterbüschel

Die Heilkräuterkunde ist vermutlich so alt wie die Menschheit selbst. Das alte Wissen über heilkräftige Kräuter wurde von Generation zu Generation mündlich weitergegeben. Hierfür wurden Mythen, Märchen, Lieder oder Legenden erzählt, die mit diesem Wissen bestückt waren. Basierend auf der Vorstellung einer beseelten Natur, war die Heilkräuterkunde das Wissen über die Seele der einzelnen Kräuter und Pflanzen. Krankheit war dadurch Ausdruck eines Ungleichgewichts zwischen Körper, Seele und Geist, das mit Hilfe der Pflanzenseelen geheilt werden konnte. Doch es reichte dabei nicht aus, über die Heilkräfte der Kräuter Bescheid zu wissen. Besonders wichtig war es, Rituale rund um die Ernte, Weiterverarbeitung und Verabreichung bzw. Anwendung der Kräutermedizin einzuhalten. Erst dann, glaubte man, wurden die Pflanzenseelen oder die Pflanzengeister aktiviert, die den Menschen schlussendlich Heilung bringen sollten. Nicht viele wussten über all diese Rituale Bescheid und noch schwieriger wurde es, dieses heidnische Wissen in der Zeit der Christianisierung zu bewahren. Jedoch wurden einige der alten Bräuche und Rituale einfach an christliche Glaubensvorstellungen angepasst und konnten dadurch überleben. Statt Pflanzengeister wurden nun Schutzgeister um Hilfe gebeten, die den Menschen in schwierigen Zeiten zur Seite stehen sollen. Die Räucherrituale in den Raunächten sind ein weiteres Beispiel für das Fortbestehen heidnischer Bräuche. Doch auch der am 15. August vielerorts gesammelte und zu Ehren Marias geweihte Kräuterbüschel entstammt aus einer Zeit, in der die Menschen noch enger mit den Kreisläufen der Natur verbunden waren.

Foto: Sonja RaabAnfang August galt jeher als jene Zeit, in der der Sonnengott das Getreide und das Obst färbt und reifen lässt. Alle Pflanzen sind nun mit der Wärme und dem Licht der Sonne getränkt und haben den Höhepunkt ihrer Reife erreicht. Kräuter entfalten ihre ätherischen Öle und sind nun besonders würzig und heilkräftig. Deswegen wurden nun alle wichtigen Kräuter gesammelt, die das ganze kommende Jahr über für Gesundheit und Glück sorgen sollten. Diese Kräuter wurden zu einem Büschel gebunden, getrocknet und im „Herrgottswinkel“ aufbewahrt. Immer wenn ein Unglück nahte, wie beispielsweise ein heranziehendes Gewitter, wurden Kräuter aus dem Büschel entnommen und geräuchert. (sh. Beitrag vom 30. 11. 2015 von Sonja Raab)

Wöchnerinnen wurden Kräuter aus dem Büschel ins Bettstroh gelegt, sodass sie sich von den Strapazen der Geburt erholen konnten. In den Raunächten wurden ebenfalls Kräuter aus dem Büschel, gemeinsam mit den Harzen Weihrauch und Myrrhe geräuchert. Auch die Tiere im Stall erhielten so einen Schutz vor Krankheiten und bösen Geistern. Heute werden diese wichtigen Kräutersammeltage im August mit dem christlichen Feiertag Maria Himmelfahrt eröffnet. Bis zu Maria Geburt am 8. September werden nun alle wichtigen Heilkräuter geerntet und zu einem Kräuterbüschel gebunden. Dieser besteht meist aus neun (mancherorts aus bis zu 100) verschiedenen Kräutern, als Schmuck werden Getreidesorten, Kornblumen und Kornraden untergemischt. Niedrig wachsende Kräuter, wie die Johanniskräuter Kamille und Quendel, umrahmen den Büschel. In der Mitte thront die Königskerze, die als „Zepter Mutter Gottes“ gilt.

Hier eine kurze Vorstellung der neun wichtigsten Heilkräuter des Kräuterbüschels:
Der Beifuß ist eine reinigende und öffnende Pflanze. Er vermag es wie kaum ein anderer alles ins Fließen zu bringen. Er kommt vor allem bei fettigen Speisen als Gewürz hinzu, um die Verdauung zu erleichtern. In der Frauenheilkunde wird er bei unregelmäßiger oder ausbleibender Menstruation, oder zur Erleichterung der Geburt eingesetzt. Als Räucherkraut reinigt er, schützt vor bösen Geistern und fördert das Loslassen, sowie Übergänge in neue Lebensphasen.

Auch der Salbei ist ein wichtiger Begleiter bei Übergängen. Vor allem in den Wechseljahren unterstützt er mit seiner schweißhemmenden und nervenstärkenden Wirkung. Doch auch bei Erkältungskrankheiten oder Entzündungen im Rachenraum wird der Salbei eingesetzt. Als Räucherkraut klärt und reinigt der Salbei Räume. Außerdem fördert er die Konzentrationsfähigkeit.

Der Rainfarn war ebenfalls ein wichtiges Räucherkraut. Lange Zeit wurde er außerdem als Wurmmittel aber auch als Abtreibungsmittel eingesetzt. Er sollte daher nie von Schwangeren angewandt werden, nicht einmal für Räucherungen. Ihm werden außerdem immunstärkende und desinfizierende Kräfte nachgesagt, weswegen er in Krankenzimmern oft geräuchert wurde. Doch die Abwehrstärkenden Kräfte beziehen sich auch auf den Menschen selbst. Denn mit Hilfe des Rainfarns, konnten Streitereien abgewehrt und das Selbstwertgefühl gestärkt werden.

Warzenkraut_Kroetenstein

"Kräuterstand" der Ausstellung Warzenkraut & Krötenstein, Foto: Claudia Hauer

Die Schafgarbe ist eine wichtige Blutstillerin und dadurch auch ein beliebtes Frauenkraut. Sie wird bei zu starker Menstruation, aber auch bei damit einhergehenden Schmerzen eingesetzt. Außerdem ist sie ein wichtiger Bestandteilen vieler Wundsalben. Als Räucherkraut fördert sie die Intuition, die Traumarbeit und fördert Visionen, weswegen sie auch ein wichtiger Bestandteil in Räuchermischungen für die Raunächte ist.

Die geschützte Arnika ist mitunter das bekannteste Wundheilkraut. Sie beschleunigt die Wundheilung und beugt aufgrund ihrer entzündungshemmenden Wirkung Entzündungen vor. Mittlerweile wird sie auch in vielen Krankenhäusern als begleitendes Mittel bei Operationen gegeben.

Ähnliche Heileigenschaften zeigt auch die Ringelblume. Zu einer Salbe verarbeitet ist sie nicht nur eine gute Wundheilerin, sondern auch eine wichtige Stütze bei alten, nicht heilen wollenden - auch seelischen - Narben.
Der Liebstöckel wirkt harntreibend und entwässernd und vermag sogar Schwermetalle auszuleiten. Sein Kraut wird gerne als Suppengewürz verwendet. Ihm wird auch eine aphrodisierende Wirkung nachgesagt, da er Stauungen in den Beckenorganen lösen soll.

Auch Dill war in den August-Kräuterbüscheln zu finden. Er soll dazu fähig sein böse Geister zu vertreiben. Doch nicht nur Unglück konnte mit ihm ferngehalten werden, selbst die Zeugungsfähigkeit des Mannes konnte mit Hilfe des Dills vermindert werden.

Der Baldrian gilt als eine besonders magische Pflanze. Mit Hilfe des Baldrians konnten schlechte Energien, aber auch böse Geister (oder auch Menschen) erkannt werden. Er soll tief sitzendes Wissen wieder ans Tageslicht befördern und tief sitzende Blockaden lösen. Er gilt außerdem als wichtiges Beruhigungsmittel. Der Baldrian ist aber auch ein Aphrodisiakum: in den Wein gemischt, oder geräuchert soll die Baldrianwurzel den sexuellen Appetit steigern. Zu diesem Zwecke wurde früher er auch in vielen Liebesamuletten getragen.

Text: Mag. Lena Weiderbauer

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