Hohlwege und Lössterrassen

© NÖ Museum Betriebs Gmbh, Fotos: Heinz Wiesbauer

Das Leben in der Vertikalen

Die niederösterreichischen Lössgebiete zählen zu den beeindruckendsten Landschaften Österreichs. Zu ihren prägenden Elementen gehören kleinteilige, vom Menschen geschaffene Terrassen und tief eingeschnittene Hohlwege. 

Die Entstehung eines Hohlweges lässt sich grundsätzlich auf die Nutzung durch den Menschen zurückführen. Großflächige Rodungen und die Ausweitung des Ackerbaus haben dazu geführt, dass der Abfluss seit dem Frühmittelalter stark zunahm und in einigen Bereichen erhebliche Bodenabträge bewirkte. Besonders erosionsanfällig waren unbefestigte Straßen, da ihre Oberfläche durch Pferdehufe und Wagenräder immer wieder gelockert wurde. Durch das konzentriert abfließende Wasser vertiefte sich die Wegsohle allmählich und es bildeten sich charakteristische Hohlwege aus. Besonders imposante Formen mit bis zu 15 m hohen Steilwänden sind in den Lössgebieten des Weinviertels sowie im Raum Krems und Traismauer zu finden.

Vielfältige Standorte

Die Böschungen der Hohlwege und Lössterrassen weisen vielfältige Standorte auf. In Abhängigkeit von der Lage zur Sonne, der Böschungsneigung und dem Alter der Böschungen unterscheidet sich der Bewuchs deutlich. Die jungen Lösswände sind zumeist noch nicht bewachsen und weisen, sofern es die Substrathärte zulässt, senkrechte Böschungen auf. Erst mit zunehmender Verwitterung besiedeln genügsame Pflanzenarten diese Extremstandorte. Durch den Wurzeldruck der Pflanzen und die Erosion verflachen die Böschungen im Laufe der Zeit. Pflanzen mit höherem Nährstoffbedarf folgen und verdrängen die Pionierarten.

Wertvolle Lebensräume für Tiere

Gemeine GoldwespeVon überragender Bedeutung sind unbewachsene Lösswände, die von vielen Arten als Brutplatz genutzt werden, besonders auch von wärmeliebenden Spezies. Das günstige Mikroklima der Trockenstandorte bewirkt eine Ausdehnung des Verbreitungsareals mediterraner und pannonischer Arten.

Offene Lösswände eigen sich besonders gut, das Tierleben genauer zu studieren. Der Reigen an spannenden Naturbeobachtungen beginnt bereits im zeitigen Frühjahr, wenn die Gehörnte Mauerbiene schlüpft und für die Bestäubung früh blühender Obstkulturen sorgt. Sie trägt bei Kälteperioden im Frühling zu einer guten Marillenernte bei, da sie bei geringeren Temperaturen als die Honigbiene fliegt. Wenig später folgen weitere Wildbienen, etwa die Frühlingsseidenbiene sowie unterschiedliche Pelz- und Sandbienen. Im Mai, wenn die Bienenfresser in den Steilwänden ihre Brutröhren anlegen, kann man häufig die Schornsteinwespe beobachten. Sie baut in den Steilwänden geschwungene Nesteingänge und trägt dann Rüsselkäfer als Proviant für ihre Brut ein. Im Frühsommer erreicht das Leben in den Böschungen einen Höhepunkt: Unzählige Wildbienen, Grabwespen und Wegwespen versorgen ihre Nester. Unterschiedliche Kuckucksbienen, Goldwespen und andere Parasiten versuchen ihre Eier in fremde Nester zu schmuggeln und fliegen dabei hektisch umher. Die Lösswand gleicht in manchen Bereichen einem löchrigen Käse, so eng aneinander liegen die Nesteingänge. Damit selbstgrabende Bienen- und Wespenarten wieder Platz für neue Nester finden, ist es wichtig, dass alte Teile der Böschung durch die natürliche Dynamik fallweise wegbrechen.

Gelbe SchornsteinwespeHohlwege und Lössterrassen bilden für die Vogelfauna wertvolle Lebensräume. Sie haben v.a. als Nahrungsraum und Brut­stätte große Bedeutung. Der Bienenfresser besetzt etwa ab Mitte Mai sein Revier und gräbt mit seinem Schnabel in vegetationsfreie Löss­- oder Sandaufschlüsse bis zu zwei Meter tiefe Brutröhren, die sich im hinteren Teil zu einer Brutkammer erweitern. Ursprünglich lagen seine bevorzugten Nistplätze in Uferabbrüchen dynamischer Fließgewässer. Mit deren Regulie­rung wurde er aus diesem Lebensraum verdrängt. Heute sind in Niederösterreich durch menschliche Nutzungen geprägte Standorte wie Hohlwege, Lössterrassen und Sandgruben seine wichtigsten Nisthabitate.

Bienenfresser graben jedes Jahr neue Bruthöhlen und schaf­fen so für nicht-grabende Höhlenbrüter ein reiches Nistplatzangebot. Zu den typischen „Nachmietern" zählen u.a. der Feldsperling und der Steinschmätzer. Letzterer bewohnt im Tiefland offene, zu­meist mit Steinen und Felsen strukturierte Landschaften. Durch die Nachnutzung der Bienenfresser- Brutröhren werden die Höhlen allmählich grö­ßer und gewinnen auch für größere Vögel an Attraktivität. Ein seltener „Nachmieter" ist der Steinkauz, der vor allem höhere, ost- oder südexponierte Lösswände besiedelt. Er bevorzugt offene Land­schaften mit Tageseinständen und Rufwarten. Die weinbaulich genutzte Terrassenlandschaft mit ihrem attraktiven Nistplatzangebot zählt neben Streuobstwiesen, wo es aber in den vergangenen Jahren zu massiven Bestands­rückgängen kam, zu seinen wichtigsten Le­bensräumen in Niederösterreich.

Wege zur Erhaltung

Die Hohlwege Niederösterreichs mit ihrer spezifischen Tier- und Pflanzenwelt sind stark bedroht und können als Charakteristikum der Kulturlandschaft nur erhalten werden, wenn entsprechende Pflegemaßnahmen umgesetzt werden. Werden die Wege nicht mehr befahren, so verbuschen sie innerhalb kurzer Zeit. Der hohe Nährstoffeintrag aus den angrenzenden, intensiv bewirtschafteten Flächen beschleunigt diesen Prozess, sodass nach wenigen Jahren nur mehr Reste der ehemaligen Wegsysteme sichtbar sind.

In jüngerer Zeit gibt es in einigen Regionen auch erfreuliche Entwicklungen. So wurde von Landeshauptmann Dr. Erwin Pröll eine Initiative zur Rettung der Hohlwege gestaltet, in deren Rahmen u.a. der Thalgraben in Langenlois saniert und von Bauschuttablagerungen befreit wurde. Dieser Hohlweg ist heute eine beliebte Wanderroute und trägt als Lehrpfad dazu bei, die naturschutzfachlichen Anliegen zu vermitteln: Wir müssen mit den Hohlwegen behutsam umgehen, damit sich auch nachfolgende Generationen an diesen wunderbaren Lebensräumen mit ihren hochspezialisierten Tier- und Pflanzenarten erfreuen können.

Buchtipp:

Heinz Wiesbauer und Herbert Zettel (2014), "Hohlwege und Lössterrassen in Niederösterreich.": Reich bebilderter Naturführer, 134 Seiten, Preis 15 €  Bestellbar unter post.ru5@noel.gv.at

 

Bilder & Text: Heinz Wiesbauer

Bildbeschreibung:

Titelbild: Gehörnte Mauerbiene (Osmia cornuta) trägt wesentlich zur Bestäubung früh blühender Obstgehölze bei.
Abb. 1: Gemeine Goldwespe (Chrysis ignita) ist eine Kuckuckswespe, die ihre Eier in fremde Nester schmuggelt.
Abb. 2: Gelbe Schornsteinwespe (Odynerus reniformis) trägt Rüsselkäverlarven ein und vermindert den Schädlingsbefall.
Abb. 3: Der Thalgraben in Langenlois nach der Sanierung.

 

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