Entschlacken und Entgiften historisch

© Mistelbach-Rudtorffer-Tabulae Armamentarii Chirurgici Selecti Tafel

Bader, Medicus, Primar 21 / 22

Der andere Weg den Körper zu entgiften …

Spätestens dann, wenn die Bikinizeit in greifbare Nähe rückt, füllen sich die Zeitschriften mit den neuesten Vorschlägen zum Entschlacken und Entgiften des Körpers. Daneben flammt immer wieder eine Diskussion darüber auf, ob Entschlacken eine sinnvolle Gesundheitsmaßnahme ist oder bloß aufgelegter Blödsinn. Die gängigsten Mittel heute sind Pflaster, Einläufe, Abführmittel, Fasten- oder Saftkuren etc.

„Entgiften des Körpers" stellt nicht erst seit heute einen Versuch dar, die Gesundheit des Körpers zu erhalten oder wiederherstellen. „Purgation" war bereits in der Vergangenheit ein Thema. Schon die alten Ägypter setzten dafür Klistiere ein. Sie glaubten, dass die regelmäßige Säuberung des Darmes der Gesundheit förderlich sei. Ein altägyptischer medizinischer Papyrus aus der 19. Dynastie (circa 1250 v. Chr.) überliefert die ältesten Rezepturen dafür.

Retz, Klistierspritze
Der griechische Arzt Hippokrates von Kos (460-377 v. Chr.) verwendete Klistiere bei Magen-Darm-Erkrankungen und bei Verstopfung. Sie sollten durch die Ableitung der krankmachenden Säfte, die sich im Darm gesammelt hatten, das Gleichgewicht der Körpersäfte wiederherstellen.

Neben Abführmitteln wurden auch Brechmittel zur Reinigung des Körpers eingesetzt. Auch das „Tacuinum sanitatis", eine der wichtigsten Gesundheitslehren des Mittelalters, in den deutschsprachigen spätmittelalterlichen Übersetzungen „Schachtafeln der Gesundheit" genannt, empfiehlt das „Vomitus" – das Erbrechen – als gesundheitsfördernde Maßnahme; dort heißt es – hier die Übersetzung aus dem Lateinischen:

Erbrechen:
Seine Natur: es reinigt den Magen von Materien, die dem Wege der Speisen entgegen sind.
Vorzuziehen: wenn es leicht kommt, bei Menschen mit breiter Brust.
Nutzen: gut für einen überfüllten Magen und für die oberen Teile des Körpers. […]
Besonders zuträglich für Phlegmatiker, Geschwächte, Greise, mitten im Sommer, in warmen Gegenden."

In der frühen Neuzeit galt das Klistier als wahres Allheilmittel, besonders in Frankreich. Das demonstriert auch die Eingangsszene in Molières Theaterstück „Der eingebildete Kranke", in der die Titelfigur Argan die Rechnung seines Apothekers überprüft; unter den zahllosen Posten finden sich zahlreiche Beträge für Klistiere, so z.B.

Item, von selbigem dato, ein gutes purifizierendes Klistier, nach Vorschrift zusammengestellt aus doppeltem Katholikon, Rhabarber, Rosenhonig und andern Ingredienzen, um Herrn Argans Unterleib auszufegen, zu spülen und zu reinigen, dreißig Sous."

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– weiters:Item, den fünfundzwanzigsten, eine gute reinigende und stärkende Mixtur, bestehend aus frischer Quassia nebst levantinischen Sennesblättern und andern Ingredienzen nach der Verordnung des Herrn Dr. Purgon, um Herrn Argan die Galle auszuscheiden und zu vertreiben, vier Livres." usw.

Bisweilen wurden Klistiere so exzessiv eingesetzt, dass sie zum Tod führten, wie Prozessakten gegen Mediziner belegen. Zehn bis zwölf Stuhlentleerungen in rascher Folge stellen schon für den gesunden Körper eine Herausforderung dar, für einen kranken geschwächten Körper waren sie ein Todesurteil.

Neben Klistieren wurden auch Brechmittel eingesetzt, die von manchen Patienten bevorzugt wurden. So schätzte auch Kardinal Ernst Adalbert von Harrach (1598–1667) Brechmittel mehr, wie er in seinen Tagzetteln festhielt:

Ich habe heindt meine purgation eingenohmmen ein schändliches bitteres tranckh, welches aber sonsten woll operirt, also das ich mich in den füeßen schon etwas ringer befinde, hoffe der überrest im kreütz und armben solle auch baldt vergehen." (Pfütsch, S. 39)


Purgieren war ein Allheilmittel, wie die Tagzettel zeigen. Es war wichtiger Bestandteil der Frühlingskur, der sich der Kardinal regelmäßig unterzog:

Der cardinal hatt disen morgen seine frühelings cur angefangen, und zum ersten mahll zum purgieren eingenommen, ist woll ein rechter tag im betth und zuhauß zuezubringen gewesen, ist gleich Gott lob woll genueg abgangen." (Pfütsch, S. 39)

Solchen „Kuren" konnte sich freilich nur der unterziehen, der es sich finanziell auch leisten konnte, einen Tag oder auch mehr im Bett zu bleiben, zu durchschlagend waren die Auswirkungen.


Mistelbach-Rudtorffer-Tabulae Armamentarii Chirurgici Selecti-Tafel 04

Ernst Adalbert von Harrach unterzog sich im Frühjahr meist einer ca. einmonatigen Kur; je nach Wirkung musste er diese Tage zuhause verbringen; manchmal konnte er sich auf die Straße „wagen" oder Besuch empfangen.

Der cardinal hatt heint frühe wider zum anderen mall zum purgiren eingenommen, wirdt drauf 30 tag an einander daß vipera pulfer brauchen, und dises wirdt seine ganze früelings cur sein: Die heintige purga hatt ein gar guete und balde operation gehabt, sonsten ist er den ganzen tag zu heuß gebliben, und auch khein e mensch zu ihme khommen." (Pfütsch, S. 39)

Purgieren verwendete er auch bei diversen Krankheiten: bei Fieber, Kopfschmerzen oder Magenschmerzen. Leuchtet dies bei letzterem Übel noch ein, ist die Wirksamkeit von Erbrechen bei Fieber anzuzweifeln.

Weitere wichtige Mittel, deren Einsatz die Gesundheit wiederherstellen sollte, waren Aderlass und Schröpfen – darüber dann im nächsten Blog. 


Text: Prof. Dr. Elisabeth Vavra

Quellen: Robert Jütte, Ärzte, Heiler und Patienten. Medizinischer Alltag in der frühen Neuzeit. München 1991. Pierre Pfütsch, Aderlass, Purgation und Maulbeersaft. Gesundheit und Krankheit bei Ernst Adalbert von Harrach (1598–1667) (Forschungen und Beiträge zur Wiener Stadtgeschichte 57). Innsbruck-Wien-Bozen 2013. 

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