Loosdorf - Hohe Schule

Reformation im Land unter der Enns

Als Martin Luther im Jahr 1517 seine 95 Thesen verfasste, waren diese eine Antwort auf einen überhandnehmenden Missstand innerhalb der katholischen Kirche: den Ablasshandel. Dies war die Möglichkeit, sich durch Geld von zu Lebzeiten begangenen Sünden freizukaufen, die man sonst dem damaligen Glauben entsprechend im Fegefeuer abgebüßt hätte. Gleichzeitig legte er durch seine intensive Auseinandersetzung mit der Bibel den Grundstein für die evangelische Kirche. Im „Land unter der Enns“ (heute: Niederösterreich) fielen seine Ideen binnen kürzester Zeit auf fruchtbaren Boden. Die folgenden Jahre waren von Auseinandersetzungen und zunehmend verhärteten Fronten geprägt. Erst Jahrzehnte später einigte man sich auf einen Mittelweg. Im „Augsburger Religionsfrieden“ 1555 wurde flächendeckend festgelegt, dass der jeweilige Landesherr die Religion seiner Bürger bestimmen könne („cuius regio, eius religio“). Da man im katholischen Land unter der Enns aber durchaus auf die Mithilfe der protestantischen Adeligen angewiesen war, um finanzielle Krisen oder militärische Konflikte des Landes einzudämmen, machte man dem protestantischen Herren- und Ritterstand gewisse Zugeständnisse. 1568 gewährte man die Religionskonzession. Drei Jahre später folgte die  Religionsassekuration. Mit dieser Zustimmung des Kaisers Maximilians II. hatte man eine erste rechtliche Grundlage, um den evangelischen Glauben ausüben zu dürfen.

Aufgrund eigener Kindheitserfahrungen in der Lateinschule in Mansfeld (Sachsen) beschäftigte sich Martin Luther neben seinem theologischen Konzept auch mit Bildungsfragen und vertrat dabei moderne Standpunkte. Seiner Meinung nach sollte auf Gewalt und Demütigung in den Schule verzichtet und auf individuelle Entwicklung der Schüler Bedacht genommen werden. Er  griff auch antike Traditionen auf und forderte demnach neben dem verpflichtenden Religionsunterricht, auch die Septem Artes Liberales (die sieben freien Künste: Grammatik, Dialektik, Rhetorik, Arithmetik, Geometrie, Musik und Astronomie) in den Unterricht einfließen zu lassen. Gemeinsam mit seinem Unterstützer, dem Humanisten Philipp Melanchthon, prägten sie sämtliche evangelische Schulordnungen.

Hans Wilhelm von Losenstein und Die Hohe Schule zu Loosdorf

Hans Wilhelm von Losenstein (1546 – 1601), der nach dem Tod seines Vaters 1558 als Graf von Losenstein zu Schallaburg galt, war nicht nur maßgebend für den Umbau der romanisch-gotischen Burg hin zum neuzeitlichen Renaissanceschloss, sondern prägte auch die Entwicklung der Region. Bereits sein Vater Christoph II. von Losenstein (1525 und 1558) bekam das Vogteirecht über die Pfarrkirche im nahegelegenen Loosdorf, wo im 16. Jahrhundert eine stark evangelisch geprägte Bevölkerung ansässig war. Schon dem Vater war es ein großes Anliegen, eine Schule zu errichten, um der Bevölkerung eine gute Bildung zu ermöglichen. Seine eigenen Kinder erfuhren eine umfassende humanistische Ausbildung.
LosensteinDer älteste Sohn und Erbe der Schallaburg Hans Wilhelm (siehe Abb.: Hans Wilhelm von Losenstein (KS-7854), Kopie nach dem auf Burg Greifenstein aufbewahrten Original von 1585, Landessammlungen Niederösterreich) unternahm ausgedehnte Reisen und studierte in Padua. Als er die Herrschaft über die Burg übernahm, versuchte er die evangelischen Stände zu fördern und setzte die Projekte seines Vaters in die Realität um. Seit der Religionsassekuration und der damit einhergehenden Rechtssicherheit gab es für ihn, als Protestanten, kein Hindernis mehr und schon kurze Zeit später gründete er im Jahr 1574 die protestantische Hohe Schule zu Loosdorf. Damit war sie eine der ersten protestantischen Schulen im deutschsprachigen Raum. Nicht unwesentlich war der Einfluss des evangelischen Pfarrers Balthasar Masco, der von Hans Wilhelm von Nürnberg nach Loosdorf geholt wurde. Gemeinsam konzipierten sie eine Schulordnung mit modernsten pädagogischen Ansätzen. Im Zuge der Gegenreformation wurden immer wieder protestantische Schulen geschlossen (St. Pölten, Horn, Wien). Das Einzugsgebiet für die Schule in Loosdorf wurde somit immer größer. Gegen Ende des 16. Jahrhunderts galt Loosdorf als sehr etabliert und zog weithin bekannte Lehrer wie den Musiker Daniel Lagkhner an.
Neben seiner Bildungsreform erwies sich Hans Wilhelm auch als eifriger Bauherr. Doch die Bautätigkeiten des Burgherrn und sein ausschweifender Lebenswandel brachten ihn rasch in finanzielle Schwierigkeiten, weshalb die Loosdorfer Schule zur Landschaftsschule erhoben werden sollte. Als Landschaftsschule („Adeliche Landt-Schuel“) bezeichnet man im 16. Jahrhundert eine von den Landständen („Landschaft“) errichtete und finanzierte Sonderform einer Lateinschule. Mit der Erhebung zur Landschaftsschule sollten nun die evangelischen Stände einen Teil der Kosten  übernehmen. Zuvor wollten sich diese jedoch ein Bild von der Qualität der Schule machen und schickten eine Delegation zu den Examen vom 20. und 21. Oktober 1592. Sämtliche Vorträge, die Eröffnung in fließender lateinischer Sprache, die Texte und Disputationen der Schüler wurden im Nachhinein gesammelt und als gebundenes Werk („Progymnasmata“) herausgegeben. Zu diesem Zeitpunkt umfasste die Schule 77 Schüler. Überzeugt von der Bildungsstätte übernahmen die evangelischen Stände einen Teil der Betriebskosten und die Schule erlebte eine neuerliche Blüte. Zu Spitzenzeiten waren 150 Schüler eingeschrieben. Um die Jahrhundertwende und bis zum Beginn des 30-jährigen Krieges wurde die Situation für die Protestanten in Niederösterreich jedoch generell immer schlechter. Und durch die Niederlage bei der Schlacht am Weißen Berg 1620 war es mit den Zugeständnissen für die protestantischen Adeligen in Österreich endgültig vorbei. Eine Vielzahl an protestantischen Adeligen wurden entrechtet, ihr Vermögen konfisziert und sie selbst des Landes verwiesen. Da der Erbe von Hans Wilhelm, sein Neffe Georg Christoph II., trotz seiner vermögenden Gattin Anna von Stubenberg, den Schuldenberg seines Onkels nicht verringern konnte, verkaufte er die Burg an seinen Schwiegervater Georg von Stubenberg. Die Situation wurde auch für die Region Schallaburg immer prekärer. Die Löhne in der Schule konnten  kaum mehr ausbezahlt und auch die Schulerhaltungskosten nicht länger getragen werden. 1627 wurde letztlich auch die Loosdorfer Schule von den katholischen Landesherren geschlossen.

Die Schulordnung

Schallaburg (c) Alexander KaufmannIn einigen Punkten ist die Loosdorfer Schulordnung auch aus heutiger Perspektive sehr fortschrittlich. Es ist davon auszugehen, dass die Auswahl der Lehrkräfte sehr streng vonstattengegangen ist, denn gleich zu Beginn der heute noch erhaltenen Loosdorfer Schulordnung wird betont, welche Schlüsselqualifikationen die Lehrer besitzen sollen. Dort sind neben Frömmigkeit, Sorgfalt und didaktischen Fertigkeiten auch Fachwissen in Latein, Griechisch, Hebräisch, Geschichte, Physik, Ethik und Poetik angeführt.
Auf dem Stundenplan der Schule standen Sprachunterricht in Latein und Griechisch, Religion und die sieben freien Künste. In der letzten Klasse wurden auch Hebräisch und Philosophie unterrichtet. Hervorzuheben ist, dass die Schüler damals nicht nach Altersstufen, sondern nach Fähigkeiten in Klassen eingeteilt waren. Ein Aufsteigen in eine höhere Klasse war erst durch das Erreichen eines bestimmten Niveaus möglich.  Es wird immer wieder betont, dass der Schlüssel zum Erfolg in der Wiederholung und in der Freude am Lernen liege. Von körperlicher Züchtigung solle vollkommen abgesehen werden. Es wurde jede Woche ein Schüler ausgewählt, der die Fehler (wie etwa Deutsch sprechen in höheren Klassen, unschickliches Verhalten in der Kirche, Raufereien, Verstöße gegen die Kleiderordnung …) seiner Mitschüler in eine Liste einzutragen und dem Lehrer abzugeben hatte. Danach hat man versucht die Schüler durch mahnende Worte zu belehren. Außergewöhnlich ist, dass in der Schule versucht wurde, 10-12 arme, aber fleißige Knaben aufzunehmen. Wohngelegenheit, Nahrung und Kleidung wurden durch Gemeindegelder finanziert. Die betreffenden Schüler durften durch Singen am Markt ihre finanziellen Mittel aufbessern.  
Das Wirken Hans Wilhelms von Losenstein prägt die Region noch immer. Er hat es geschafft, dass Loosdorf im 16. Jahrhundert zum Markt erhoben wurde, was der Ortschaft große wirtschaftliche Vorteile brachte. Sie bekam auch ein eigenes Wappen verliehen, welches noch heutzutage vom Panther der Losensteiner geschmückt ist. Die Pfarrkirche Loosdorf wurde nach ihrer Zerstörung bei der ersten Türkenbelagerung von Hans Wilhelm wieder aufgebaut. Sie ist eine der wenig erhaltenen ursprünglich evangelischen Gotteshäuser aus der Refomrationszeit in Niederösterreich. Zu guter Letzt bleibt natürlich die Schallaburg, die durch ihr Ambiente und ihrer Ausstellungstätigkeit zu einem beliebten Ausflugsziel geworden ist.
Text: Vera Steinbauer

Quellen:
•    Miklas, Helene: Die Geschichte der „Hohen Schule“ zu Loosdorf von 1574 – 1627.
http://www.hoheschule.info/images/History_Hohe_Schule_Loosdorf_Helene_Miklas.PDF
•    Aichinger - Rosenberger , Peter (Hgs.): Die Schallaburg – Geschichte. Archäologie. Bauforschung. Schallaburg, 2011.
•    Flossmann, Gerhard; Ytong GmbH: Die Loßdorffische Schulordnung 1574, Faksimile-Druck der Schallaburg 2017
•    Ausstellung: Freyheit durch Bildung Schallaburg 2017
•    http://www.burglosenstein.at/index.php/biographie-hans-wilhelm-von-losenstein.html

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