Die letzten Tage: April/Mai 1945

© Stadtarchiv Waidhofen an der Ybbs

Kriegsschauplatz NÖ 9 / 10

Die letzten Tage: 25. April – 1. Mai 1945

Mittwoch, 25. April 1945

Morgens war der Frühling mit strahlender Sonne und warmen Temperaturen zurückgekehrt. Für die Bevölkerung bedeutete dies allerdings wieder schwere Fliegerangriffe durch die US-Bomberflotte, die aufgrund der günstigen Wetterlage wieder von Foggia aufsteigen konnte. Ihre Ziele lagen diesmal in Oberösterreich. Linz erlebte seinen 23. Luftangriff: 360 Menschen starben.
An den Fronten in Niederösterreich herrschte gespannte Ruhe. Im Bezirk Mistelbach kämpften Deutsche und Sowjets um Oberschoderlee und Unterschoderlee, zwei Katastralgemeinden von Stronsdorf. Es gab fünf Tote unter der Zivilbevölkerung, acht ausgebrannte Objekte und neun beschädigte. Im Bezirk St. Pölten gab es ebenfalls nur kleinere Geplänkel: zwei Brücken wurden gesprengt, zwei Zivilisten getötet.
Im Industrieviertel blieb die Lage nahezu unverändert. Auf dem Plateau der Hohen Wand lagen nun schon seit dem 3. April Waffen-SS, Schüler der Wiener Neustädter Militärakademie (1938-1945 „Kriegsakademie“) und Volkssturm verschanzt und verteidigten den Raum. Schließlich mussten sie dem Druck der Roten Armee nachgeben und zogen sich in Richtung Miesenbach zurück. Pernitz fiel nach zweitägigem Häuserkampf in die Hände der Sowjets: 15 Häuser waren abgebrannt, 152 beschädigt, zwei Eisenbahnbrücken gesprengt. 

In St. Pölten forderte der von der Roten Armee eingesetzte Bürgermeister Günter Benedikt mit Wandanschlägen die Bevölkerung auf, bis zum 30. April alle nationalsozialistische Literatur, Anschläge, Kundmachungen, Journale usw. zu vernichten.
 
Plakat: Ein Kampf, ein Wille, ein Ziel:
Sieg um jeden Preis!
Waidhofen an der Ybbs, Stadtarchiv
© Stadtarchiv Waidhofen an der Ybbs

Donnerstag, 26. April 1945

Bis in den frühen Nachmittag hinein waren aufgrund der Wetterlage Luftangriffe möglich. Der Süden Österreichs erlebte eines seiner letzten schweren Bombardements, das rein taktischer Natur war: Ziel war diesmal wieder Lienz in Osttirol: Um 12:30 kamen die Bomber und warfen in dreimaligem Anflug ihre Bombenlast auf das Zentrum der Stadt ab. 16 Prozent des Gebäudebestandes waren nun zerstört.
An der Front in Niederösterreich kam es nur zu kleineren Kämpfen; im Bezirk Mistelbach etwa um Stronegg, einer weiteren Katastralgemeinde von Stronsdorf. In Furth an der Triesting gelang einer deutschen Einheit die Flucht vor einer Einheit der Roten Armee. Mehrere Zivilisten fanden den Tod. Grillenberg im Bezirk Baden wurde von den Sowjets besetzt.
Am Abend berichtete die Wehrmacht über die Lage in Österreich: „Im Südabschnitt der Ostfront beschränkte sich der Feind auf örtliche Angriffe; nordamerikanische Bomberverbände griffen wiederum Orte in der Ostmark an.


Freitag, 27. April 1945

Dieser Tag war für die Zivilbevölkerung einer der ruhigsten seit Wochen. Durch eine Wetterverschlechterung konnten die Bombereinheiten der US-Army die Alpen nicht überfliegen.
Im Wiener Becken nahm die Rote Armee den seit 4. April umkämpften Markt Piesting bei Wiener Neustadt ein. Die Bilanz: 16 tote Zivilisten, 16 Häuser zerstört, 24 schwer beschädigt, zwei Brücken gesprengt.
In Wien veröffentlichte die provisorische Regierung Österreichs unter der Führung von Dr. Karl Renner die Unabhängigkeitserklärung.
Zu diesem Zeitpunkt waren mehr als 2000 Stadt- und Ortsgemeinden im Burgenland, in Niederösterreich und der Steiermark von der Roten Armee besetzt.

Plakat: Hilf auch Du mit!
Waidhofen an der Ybbs, Stadtarchiv
© Stadtarchiv Waidhofen an der Ybbs

Samstag, 28. April 1945

Während an den Fronten im Osten einigermaßen Ruhe herrschte, überschritten im Westen Österreichs Einheiten der 103. amerikanischen Infanteriedivision die Tiroler Grenze zwischen Pfronten und Vils. In Niederösterreich gab es nur im Gebiet des Wechsels kleinere Gefechte zwischen Sowjetkräften und dem Gebirgsjägerregiment 99.
Obwohl die deutsche Luftaufklärung in Niederösterreich keine Einsätze mehr flog, begann die Rote Armee mit der Errichtung eines etwa 20 km tiefen Verteidigungssystems. Sie verlangten von der Zivilbevölkerung den Bau von Luftschutzeinrichtungen und Splittergräben, obwohl keine Angriffe der Deutschen Armee mehr zu erwarten waren. Was befürchteten sie? Wollten sie nun ihre Gebietseroberungen gegen die vom Westen vorrückenden britischen und amerikanischen Einheiten verteidigen?

Sonntag, 29. April 1945

Die Niederschläge, die seit dem Vortag angedauert hatten, hörten am Morgen auf.
In Vorarlberg und Tirol drangen Einheiten der US-Army und der französischen Armee weiter vor. Die Furcht der Alliierten vor der „Festung Vorarlberg“ und der „Alpenfestung“ erwies sich als unbegründet. Es gab wohl einen Festungsabschnitt „Nordtirol – Vorarlberg“, aber Truppen zur Verteidigung standen kaum zur Verfügung.
In Niederösterreich räumten Einheiten der SS-Division „Hitlerjugend“ die Stadt Berndorf, die sie seit 8. April verteidigt hatten. Mehr als 350 Häuser waren zerstört oder zumindest beschädigt, ca. 100 Zivilisten hatten den Tod gefunden. Im Weinviertel wurde Olgersdorf bei Asparn an der Zaya erobert. Die schwersten Kämpfe tobten im Frontabschnitt um den Hochwechsel.
Im Wehrmachtsbericht hieß es: „Auch gestern beschränkten sich die Bolschewisten im Südabschnitt der Ostfront auf örtliche Vorstöße.“ 


Montag, 30. April 1945

In Westösterreich ging der Vormarsch der französischen 4. Panzerdivision in Vorarlberg bei Lochau und Bregenz weiter. Im Tiroler Außerfern gab es leichten Widerstand der dort noch liegenden deutschen Wehrmachtseinheiten. Im Mühlviertel überschritten Teile der 11. Panzerdivision als Spitze der 3. US-Army die Grenze bei Oberkappel und  Kollerschlag. General George S. Patton hatte den Auftrag, aus dem niederbayerischen Raum nach Südosten vorzustoßen und im Bereich der Enns-Linie Verbindung mit der Roten Armee aufzunehmen. In Niederbayern nördlich und südlich der Donau drangen das 12. bzw. das 20. amerikanische Korps vor.
In Niederösterreich gab es nur schwache Kämpfe: Eine kleine deutsche Einheit eroberte Ambach, eine Ortschaft in der Gemeinde Wölbling, zurück. Deutsche Jagdflieger kreisten über Wiener Neustadt und wurden von sowjetischen Flakstellungen bei Bad Schönau beschossen. Das Gebirgsjägerregiment 99 lag unter schwerem Artilleriebeschuss; man zählte rund 4000 Einschläge.
Der Wehrmachtsbericht lautete: „Im Südabschnitt der Ostfront hat sich die Lage gefestigt.

Aufstellung der Fliegeralarme in Langenlois 1939–1945
Heimatmuseum Langenlois © Elisabeth Vavra

Dienstag, 1. Mai 1945

Im Westen Österreichs hatten französische Truppen Bregenz eingenommen. Auf den Bergen fiel Schnee. In Tirol wurde von deutschen Truppeneinheiten der Fernpaß befestigt; dies hielt die US-Army aber nicht von einem weiteren Vordringen ab. Von Mittenwald und Garmisch aus drang das 6. US-Korps Richtung Innsbruck vor. In Niederbayern erreichte die Vorhut des 20. US-Korps den Inn: Brücken gab es nur mehr bei Tittmoning und Burghausen. Am Ufer bei Schärding bezogen 200 SS-Soldaten Stellung. Bei Braunau lagen 500 Mann in Stellung, verstärkt durch 500 Volkssturmleute und 300 Angehörige des Arbeitsdienstes. Die sieben Flakbatterien hatten kaum Munition. Als amerikanische Panzer gegen Mittag über den Fluss das Feuer eröffneten, brach Panik aus: Es setzte eine Massendesertion ein. Auch im Mühlviertel stießen die amerikanischen Panzer bei Schwarzenberg, Kollerschlag usw. nur auf schwachem Widerstand.
Die katastrophale Lage der noch verbliebenen Truppenteile an der Ostfront schildert ein Bericht des Gebirgsjägerregiments 99: „Ununterbrochene starke Angriffe auf 1. und 2. Bataillon, der artilleristische Aufwand übertrifft alles bisher Erlebte. Wir haben den Eindruck, der Russe möchte unter allen Umständen die Front sprengen. Unsere Artillerie schweigt, sie ist ohne Munition. Seit Wochen hat die Truppe keine Feldpost und kaum geregelte Verpflegung; im wesentlichen leben wir aus dem Lande.“    
Am Abend des 1. Mai berichtete das Oberkommando der Wehrmacht vom Tod Adolf Hitlers, dass es Selbstmord war, verschwieg man.

Text: Prof. Dr. Elisabeth Vavra, Kuratorin und Wissenschaftliche Leiterin Geschichte
Verwendete Literatur: Theo Rossiwall, Die letzten Tage. Die militärische Besetzung Österreichs 1945. Wien 1969.

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